Kolumne «Meine Generation» über teure Trekkingkleider
Die Mode wechselt wie das Wetter

Multifunktionale Kleidung ist gross im Trend – vor allem in den Städten des Flachlands, wo man sie nicht wirklich braucht. Aber das kommt davon, wenn die Mode alle paar Wochen am Berg steht.
Publiziert: 06.05.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2022 um 21:26 Uhr
Noa Dibbasey

Kennen Sie Arcteryx? Nein, nicht den kleinen Gallier mit dem Zaubertrank. Die multifunktionale Kleidermarke für Kletterer und andere Outdoor-Freaks. Falls Ihnen das nichts sagt: halb so wild – mir bis vor kurzem auch nicht. Einen Berg hinaufklettern werde ich aufgrund meiner Höhenangst nie, und Wandern ist auch nicht mein Ding.

Schaut man sich hingegen mein Umfeld an, könnte man glatt meinen, die Hälfte davon sei Mitglied einer Bergsteigervereinigung. Sie kreuzen in Trekkinghosen und Schuhen auf, mit denen man den Mount Everest besteigen könnte. Einige meiner Kommilitonen rennen in Salomon-Tretern durch den Hörsaal!

ACG (All Condition Gear) ist der neuste Schrei. Motto: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Arcteryx-Jacken, die ein halbes Vermögen kosten, werden aus dem Schrank der Eltern entlehnt oder mit dem hart ersparten Kellner-Lohn gekauft. Man könnte sagen, wir Jungen sind gerade dabei, den Wanderlook zu gentrifizieren.

ACG (All Condition Gear) ist der neuste Schrei. Motto: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.
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Alle zwei Wochen eine neue Idee

Wie konnte es so weit kommen? Es war wohl bloss eine Frage der Zeit, bis Trendsetter auf Trekkingmode ausweichen mussten. Dank der Schnelllebigkeit des Internets müssen sie gefühlt alle zwei Wochen neue Ideen aus dem Hut zaubern. Irgendwann ist ihnen wohl nichts anderes mehr übrig geblieben.

Vielleicht tue ich meiner Generation aber auch gerade unrecht. Schliesslich ist es um einiges schlauer, sein Geld in eine qualitative Allwetterjacke zu investieren, statt sich tonnenweise Fast-Fashion nach Hause liefern zu lassen, die unter unmenschlichen und umweltschädlichen Bedingungen hergestellt wurde und nach drei Mal waschen auseinanderfällt.

Kann ein Trend nachhaltig sein?

Aber ist das nun der lang ersehnte Schritt in Richtung Nachhaltigkeit? Ich bezweifle es stark. Zwar wird die ACG nicht von heute auf morgen aus dem Moderepertoire der Generation Z verschwinden – dafür ist sie definitiv zu teuer. Doch die Sache mit Trends ist doch genau die, dass sie irgendwann vorüberziehen und etwas Neuem Platz machen. Wer in Sachen Mode mithalten will, kann per Definition gar nicht nachhaltig sein.

Wirklich überzeugt hat mich der multifunktionale Look also nicht. Zu kostspielig dafür, dass er an SAC-Hütten und Blasen an den Füssen erinnert. Aber als ich vorhin bei unsäglichen Wetterbedingungen im wasserdurchlässigen Jäggli nach Hause radelte, dämmerte mir der Reiz einer Arcteryx-Jacke.

Noa Dibbasey (21) wartet lieber den nächsten Trend ab, bevor sie die Kreditkarte zückt. Bis dahin trifft man sie in den immer gleichen drei Paar Jeans an der Uni, wo sie Sozialwissenschaften studiert. Sie schreibt jeden zweiten Freitag im Blick.

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