Kolumne «Alles wird gut» über unterschiedliche Schönheitsideale
Der hässliche Mann und sein Blick für das Schöne

Wie eine Frau auszusehen hat, bestimmen Männer. Bei sich selbst legen sie nicht so strenge Massstäbe an. Und finden das auch noch gut.
Publiziert: 23.05.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.05.2022 um 17:49 Uhr
Ursula von Arx

Alles, was ein Mann und schöner ist als ein Affe, ist eigentlich unnötig. Zwar hat nun auch der Mann angefangen, seine Raffzähne zu richten, Anti-Aging-Cremes einzuschmieren und sich mit Magerquarkdiäten und eisernen Maschinen zu quälen, doch tut er das für sich allein, zur Optimierung der Schöpfung.

Zur Schöpfung gehört auch die Frau. Brüste soll sie haben, ein Becken, eine Taille, Lippen – am besten aus Plastilin, damit er sie nach seinem Geschmack formen kann. Denn der Mann ist ein Weltverbesserer. Wenn etwas sein empfindliches Künstlerauge stört, verkündet er es.

Plötzlich ist ein Burkini okay

So ein Mann ist zum Beispiel der kanadische Starpsychologe Jordan Peterson. Ohne Scheu oder Scham lässt er die Welt wissen, was er sieht: «Sorry. Nicht schön. Und keine autoritäre Toleranz wird das ändern.» So urteilte der 59-Jährige kürzlich via Twitter über Yumi Nu, ein 25-jähriges Plus-Size-Model, das in einem schwarzen Badeanzug auf dem Titel der US-Zeitschrift «Sports Illustrated» abgebildet war.

Plus-Size-Model Yumi Nu entspricht nicht dem Schönheitsideal mancher Männer – und das posaunen sie auch noch heraus. Mit sich selbst sind sie weniger streng.
Foto: keystone-sda.ch

Peterson fand Zustimmung. «Die hängenden Gärten der Semiramis», kommentiert miggeli1 auf weltwoche.ch und rät zu «Diät, meine Liebe, oder Sport». Verdi schliesst sich an, indem er «hier einen Burkini gut» fände. Und auch HJM kann sich «nicht anfreunden mit so einer Dimension».

Für sich selbst dehnen sie die Normen

Männer urteilen darüber, wie Frauen auszusehen haben. Sie scheuen keinen Aufwand, damit diese ihren männlichen Blick verinnerlichen und sich ein Leben lang belauern, kontrollieren und mit allen Mitteln die neue Eva schaffen wollen – nach seinem, Adams, Bilde.

Selbstverteidigung beherrschen Männer übrigens ebenso hervorragend wie den Angriffskrieg um die Schönheit des anderen Geschlechts. Jede kleinste Unbill, die den Selbstwert mindern könnte, wird von einem Sicherheitsnetz aufgefangen, das keinen fallen lässt.

Nonchalant werden die herrschenden Normen so gedehnt und den persönlichen Bedürfnissen angepasst, dass selbst das Unattraktive attraktiv wird: «Darum daten schöne Frauen hässliche Männer» oder «Darum sind Frauen mit hässlichen Männern glücklicher» oder «Sex-Diaries: Warum ich mit unattraktiven Männern schlief», solche Artikel findet man viele. Alles wird gut.

Ursula von Arx verbringt jeden Tag ein paar intensive Augenblicke vor dem Spiegel und glaubt wirklich, dass sie das nur für sich macht. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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