Kolumne «Alles wird gut» über die gesellschaftliche Kraft von Filmen
Die Träume, die wir brauchen

Es gibt Filme, die einen freundlicher machen, mutiger, tatenfroh – und die den gesellschaftlichen Wandel voranbringen. Doch ausgerechnet beim Thema Klimakatastrophe bleibt die Kinoleinwand schwarz.
Publiziert: 21.11.2022 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2023 um 09:14 Uhr
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

«Teufelskreis» (1961) erzählt die Geschichte eines Anwalts, der sich entscheiden muss, ob er seine ganze Existenz aufs Spiel setzen will, um einem ehemaligen Geliebten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Der Film soll damals die Herzen selbst konservativer englischer Politiker so sehr gerührt haben, dass danach eine Mehrheit der Entkriminalisierung von Homosexualität zustimmte. Auch «Philadelphia» (1991), «Brokeback Mountain» (2005), «Carol» (2015) machten die Welt zu einem besseren, weil homophobieferneren Ort.

Frauen, die um 2000 herum um die dreissig waren und unter ihrem Singledasein litten, fanden Trost bei «Sex and the City». Die Heldinnen der Serie sehnten sich zwar durchaus nach dem Einen, aber in etwa so, wie sie sich nach einem speziell teuren Einrichtungsgegenstand sehnten. Sie erhofften sich davon eine Verschönerung ihres Lebens, aber keineswegs die Erlösung von allen Nöten. Schliesslich wussten sie aus Erfahrung, dass jedes Sofa, auch das extravaganteste, irgendwann mal gewöhnlich wirkt.

Nach dem Film ein anderer Mensch

Man kann auch mutmachende Filme finden gegen Rassismus («Imitation of Life» oder «Selma»), gegen übermächtige, böse Unternehmen («Erin Brockovich»), gegen die Todesstrafe («Eine kurze Geschichte des Tötens»). Das Altwerden («Amour») wurde filmisch abgebildet, das Jungsein («Sex Education»), das Queersein («Love, Victor»).

Manche Filme sind wie Träume, die die Träumer lehren, wie man leben sollte, wollte, könnte, müsste. Durch sie verbinden wir uns mit anderen Menschen, eigenen und fremden Wünschen, Sorgen, Ängsten. Nachdem man sie geschaut hat, kann man sich mehr vorstellen als zuvor. Man ist erfüllter. Ist freundlicher gesinnt und mutiger, geradezu tatenfroh.

Publikum sehnt sich nach Klimaheldinnen

Doch ausgerechnet für die grösste, uns alle betreffende Herausforderung, die Klimakatastrophe nämlich, findet man in der Spielfilmwelt kaum Hilfestellung. Die Klimakrise ist in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie quasi nicht existent.

Das zeigte eine Studie von Forschern des Norman Lear Center. Sie zeigte auch, dass vonseiten des Publikums das Interesse an fiktiven Geschichten zur Klimakrise gross wäre, an Helden und Heldinnen, die sie bekämpfen, am Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten. Alles wird gut.

Ursula von Arx mochte den Film «Don't Look Up» zwar nicht besonders. Und findet dennoch, dass wir mehr Komödien, Tragödien, Tragikomödien über die Klimakatastrophe brauchen. Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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