Kolumne «Alles wird gut» über das Anti-Terror-Gesetz
Die grosse Versuchung

Woran erkennt man ein gutes Gesetz? Man kann es bedenkenlos in die Hände eines Diktators legen. Diesem Test hält das Anti-Terror-Gesetz nicht stand, findet unsere Kolumnistin.
Publiziert: 31.05.2021 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 30.05.2021 um 16:53 Uhr
Ursula von Arx

Ein Diktator mit einer Schwäche für den Rechtsstaat würde sich freuen über das sogenannte Anti-Terror-Gesetz. Damit könnte er jeden Untertan ruhigstellen, der ihm nicht passt. Willkürlich und doch legal.

Unser gesetzestreuer Diktator müsste den unliebsamen Bürgern und Bürgerinnen einfach «terroristische Aktivitäten» vorwerfen, worunter dieses neue Gesetz «Bestrebungen zur Beeinflussung oder Veränderung der staatlichen Ordnung» versteht, aber auch «die Verbreitung von Furcht und Schrecken». Und darunter passt ja fast alles.

Unser Diktator könnte eine SVP ebenso mundtot machen wie die Klimajugend. Denn verbreitet die SVP mit ihren schrillen Plakaten nicht «Furcht und Schrecken»? Und ist es nicht das erklärte Ziel der Klimajugend, die staatliche Ordnung zu verändern?

Kolumnistin Ursula von Arx über die Abstimmung zum Anti-Terror-Gesetz.
Foto: Thomas Buchwalder

Unser Diktator braucht nur die Unterstützung der Polizei. Denn die darf unter dem neuen Gesetz gegen einen Gefährder der inneren Stabilität zum Beispiel ein Versammlungsverbot aussprechen, sie könnte ihm verbieten, das Haus oder das Land zu verlassen, sie könnte jeder Person, die sie terroristischer Aktivitäten verdächtigt, den Pass entziehen, sie elektronisch überwachen lassen, sie unter falscher Identität kontaktieren, im Einklang mit Recht und Gesetz.

Zu scharfes Gesetz, zu scharfe Einsätze

Aber: In der Schweiz gibt es keinen Diktator. Wohl aber eine Terrorgefahr. Man denke bitte an die bärtigen Islamisten – und stimme Ja. Wegen ihnen brauchen wir das Gesetz; es ist ein scharfes Gesetz, aber das richtige für die Schweiz. Weil wir es vorsichtig und gezielt anwenden werden. Versprochen.

Doch wer weiss, wie sich die politischen Verhältnisse in den nächsten Jahren entwickeln und ob wir auch der nächsten und übernächsten Regierung den wohldosierten Umgang mit einem solchen Gesetz zutrauen?

Vertrauen in den Staat ist gut, aber man sollte niemanden in Versuchung führen. Auch Schweizer Polizisten nutzen die Instrumente, die man ihnen gibt. Ein zu scharfes Gesetz hat zu scharfe Einsätze zur Folge.

Ein gutes Gesetz erkennt man daran, dass man es bedenkenlos in die Hände eines Diktators legen kann. Das «Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT)», über das wir am 13. Juni 2021 abstimmen, ist kein solches Gesetz. Es ist anfällig für Missbrauch. Alles werde gut.

Ursula von Arx will meistens alles und noch ein wenig mehr. Und weiss, dass es gut ist, wenn man nicht immer bekommt, was man will. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?