Vater mit babyboom Junge liegend auf Bett am zuhause Modell
Foto: imago/Westend61

Kolumne «Alles wird gut»
Die totale Verweichlichung

Den Gegnern des Vaterschaftsurlaubs geht es nicht nur ums Geld. Sie befürchten auch, dass Männer, die sich um ihre Kinder kümmern, fürsorglicher, friedlicher, freundlicher werden. Fürchtet euch!
Publiziert: 20.09.2020 um 23:05 Uhr
|
Aktualisiert: 27.09.2020 um 15:30 Uhr
Ursula von Arx

Offiziell sorgen sich die Gegner des Vaterschaftsurlaubs ums Geld: Zehn Tage – was das kosten würde! Sie sehen «Massenarbeitslosigkeit, Pleiten, Konkurse» und fragen bange: «Und jetzt soll uns allen noch mehr vom Lohn abgezogen werden?»

Tatsächlich würden Arbeitnehmende und Arbeitgebende pro 1000 Franken je 25 Rappen dafür einzahlen, dass neugeborene Väter frühzeitig mit ihrem Baby kontakten können. Bei einem Jahreslohn von zum Beispiel 100'000 Franken wäre dafür ein Beitrag von 25 Franken zu leisten.

Ist das viel? Wäre das wirklich «untragbar», «unverantwortlich und missbräuchlich»? Beim Mutterschaftsurlaub werde immerhin der körperlichen Belastung durch eine Schwangerschaft und Geburt Rechnung getragen, sagt das Referendumskomitee und fragt rhetorisch: «Doch wovon müssen sich Väter erholen?»

Ursula von Arx, Autorin.
Foto: Thomas Buchwalder

Hormonschub bei werdenden Papis

Vielleicht ist das die wahre Sorge der Vaterzeitverächter: dass harte Männer verweichlichen könnten. Dass obige Frage eines Tages keine nur mehr rhetorische wäre, weil Väter und Mütter sich wahrhaftig angleichen.

Die Befürchtungen werden durch Studien genährt, die Hormonschwankungen bei werdenden Vätern feststellten, die einen Geburtsvorbereitungskurs besuchen: Bereits 30 Tage vor der Geburt soll bei ihnen die Ausschüttung des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen signifikant zugenommen haben. Kurz vor der Geburt stieg sogar ihr Prolaktin-Wert an – das Hormon, das bei Müttern die Milchproduktion auslöst.

Fussball spielen, Windeln wechseln

Und ist das Kind erst auf der Welt: Männer, die ihr Baby im Arm halten und trösten und wickeln und wiegen, verstärken dadurch ihre «typisch elterliche Hormonkonstellation», und in einer Art positiver Rückkoppelungsschleife – so die kanadische Psychologin Anne Storey – werden sie dadurch dazu angeregt, sich noch mehr zu kümmern.

Den Vergleich, ihr Kind rassle so herrisch mit seiner Rassel wie ein Gefängniswärter mit seinen Schlüsseln, würden diese neuen Väter als geschmacklos ablehnen. Sie wollen nicht mehr nur Fussball spielen mit dem Nachwuchs, sie wollen auch seine Windeln wechseln und seine Tränen trocknen. Durch väterliches Verhalten verändern Männer ihre Natur. Sie werden fürsorglicher, friedlicher, freundlicher.

Diese Entwicklung werde kein Ende nehmen, warnt das Referendumskomitee. Immer mehr Vaterzeit, immer mehr Elternzeit werde gefordert werden. Alles wird gut.

Ursula von Arx ist mit einem Mann verheiratet, der etwa gleich viele Windeln gewechselt hat wie sie. Auf seinen Milcheinschuss wartet sie noch immer. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?