Kolumne «Abgeklärt & aufgeklärt» über angebliche Lohndiskriminierung
Der heutige Gender-Pay-Gap ist frei erfunden

Der Bund liebt es, die Lohnungleichheit anzuklagen. Allerdings beruhen seine Berechnungen weniger auf Diskriminierung im Alltag als vielmehr auf falschen Methoden, schreibt Kolumnist René Scheu.
Publiziert: 06.02.2023 um 06:00 Uhr
|
Aktualisiert: 05.02.2023 um 17:12 Uhr
FRONT_SCHEU2_Scheu_37.JPG
René ScheuPhilosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP)

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Das fordert der Bundesrat im Daueranklageton. Das fordern Gewerkschaften mantramässig. Das fordert obsessiv das Eidgenössische Gleichstellungsbüro. So stehts in der Bundesverfassung. Kein vernünftiger Mensch dürfte dies anders sehen – auch kein Arbeitgeber, der bei Trost ist. Oder doch?

Das Bundesamt für Statistik (BFS), das die Zahlen der Lohnstrukturerhebung auswertet, zieht daraus die immergleichen Schlüsse: 18 Prozent Lohnunterschied zwischen Frau und Mann, davon knapp die Hälfte unerklärbar und also: diskriminierend. 8 Prozent Lohndiskriminierung zwischen den Geschlechtern – empört euch! Schämt euch!

Wenn es denn stimmte ...

Die Männer und jene Frauen, die sich männliches Dominanzverhalten angeeignet haben, sind demnach Lohn- und Frauendrücker. Also hilft nur staatliche Lohnkontrolle, um die hilflosen Frauen zu schützen. Und wenn sich in den detaillierten Lohnanalysen der Firmen dann doch keine Unterdrückung feststellen lässt, muss dies an den Methoden liegen, was alles noch viel schlimmer macht: Das Patriarchat wirkt im Verborgenen. Skandal!

Unia-Gewerkschafterinnen demonstrieren 2018 gegen Lohnungleichheit.
Foto: Keystone

So klingt die offizielle, auch medial etablierte Version. Woraus zweierlei folgte, wenn sie denn stimmte: Die Männer haben sich gegen die Frauen verschworen. Und: Die Wirtschaft ist frauenfeindlich.

Reihenweise Denkfehler

Doch die Erkenntnisse des BFS sind irreführend, zuerst grundsätzlich. Aus der Tatsache, dass es unerklärbare Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, folgt nimmer, dass das Unerklärbare auf einer Diskriminierung beruht. Aus der Abwesenheit einer Erklärung folgt nun mal keine Erklärung. Wer das glaubt, begeht einen Denkfehler.

Aber noch wichtiger: In der Analyse des BFS werden fundamentale lohnbestimmende Faktoren nicht berücksichtigt. Weder wird die Berufserfahrung realitätsnah abgebildet, noch werden flexible Arbeitsmodelle in die Rechnung einbezogen. Dekorierte Arbeitsökonominnen weisen seit Jahren auf die Versäumnisse hin – nur will das in Verwaltung oder Gleichstellungsindustrie niemand hören. Dabei ist klar: Frauen mit Kindern nehmen oftmals eine Auszeit und setzen später auf einen flexiblen Job. Nicht weil sie unterdrückt werden, sondern weil sie sich so entscheiden.

Bundesrat sollte das sofort abstellen

Daraus folgere ich scharf: Das Patriarchat in der Arbeitswelt ist eine statistische Erfindung. Die Wirtschaft ist aus eigenem Interesse äusserst flexibel und also frauenfreundlich. Das Gleichstellungsbüro sollte sich freuen statt jammern – aber dann wäre es wohl überflüssig. Bleibt der Bundesrat: Er hätte allen Grund, das betreute Denken inklusive Lohnkontrollen sofort einzustellen.

René Scheu ist Philosoph und Geschäftsführer des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern. Er schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?