Eskalation in Krawallnacht in St. Gallen
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Video zeigt chaotische Szenen:Eskalation in Krawallnacht in St. Gallen

Editorial von SonntagsBlick-Vize Reza Rafi
Wann hat der Bundesrat den Jungen je die Hand ausgestreckt?

Die Eskalation von St. Gallen zeugt von einem Problem dieser Pandemie – einer gefährlich grossen Kluft zwischen Bevölkerung und Elite.
Publiziert: 04.04.2021 um 00:27 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2021 um 13:36 Uhr
Reza Rafi

Nun also St. Gallen. Freitagnacht flogen Steine und ein Molotowcocktail in der Olma-Stadt: 50000 Franken Sachschaden, zwei Dutzend Festgenommene.

Nach 14 Monaten Pandemie ist die Frage nicht mehr, ob, sondern wo die Wut der Jugend sich als Nächstes entlädt. Man muss kein Verständnis für die Randalierer zeigen, um auf eine bedenkliche Entwicklung hinzuweisen: Die Corona-Krise hat die Kluft zwischen Volk und Eliten dramatisch verschärft.

Die Happy Few erfreuen sich der Performance ihrer Aktienpakete. Die Jungen sind frustriert – nicht nur, weil Bars und Clubs geschlossen bleiben. Viele Firmen verzichten auf Lehrstellen; aus Spardruck oder weil gewisse Berufe kaum Homeoffice-tauglich sind. Den digitalen Unterricht von Berufsschulen und Universitäten packen manche problemlos; wer sich in schwierigen familiären Umständen befindet, wer in dieser Lebensphase des Sturms und Drangs ohnehin in grosser Unsicherheit lebt, kann aber leicht den Boden unter den Füssen verlieren.

Freitag Nacht kam es in St. Gallen zu Ausschreitungen.
Foto: keystone-sda.ch
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Umso mehr wäre die Politik gefordert, den Heranwachsenden eine Perspektive zu vermitteln. Doch der Bundesrat tut das Gegenteil. Gesundheitsminister Alain Berset redet lieber von tödlichen Mutationen und droht schulmeisterlich mit weiteren Einschränkungen. Finanzminister Ueli Maurer sieht die Krise als Chance zur Strukturbereinigung. Wann hat die Regierung den Jungen je die Hand ausgestreckt?

Die Entfremdung zwischen Bürgern und Eliten zeigt sich nicht nur in den Millionensalären fehlbarer Bankmanager, sondern auch in Bundesbern. Etwa wenn Simonetta Sommaruga als Bundespräsidentin die Bevölkerung benotet («hervorragend»). Auch nicht viel volksnaher wirkte diese Woche ihre Nominierung von Genosse Christian Levrat als Post-Präsident.

Natürlich trägt Sommaruga keine Schuld, wenn ein Trottel in der St. Galler Innenstadt Feuer legt. Aber es zeigt sich ein problematisches gesellschaftliches Gefälle. Der existenzbedrohte Pöbel soll die Corona-Regeln befolgen und darf sich zur Unterhaltung mit den Twitter-Aktivitäten des «Arena»-Moderators und sonstigen Staffagen beschäftigen. Postenschacher für die Eliten, Brotz und Spiele für das Volk. Das ist kein Rezept gegen die Eskalation.

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