Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Rösti geht, Blocher bleibt

Nach vier Jahren hat SVP-Präsident Albert Rösti genug. Egal, wer ihm nachfolgt: Auch diese Person wird nur Vorsitzender unter dem wirklichen Chef. Bloss nähert sich Christoph Blocher unweigerlich dem Greisenalter – die SVP wird darum weiter an Schwung verlieren.
Publiziert: 21.12.2019 um 22:45 Uhr
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Aktualisiert: 22.12.2019 um 12:18 Uhr

Vor ein paar Monaten war Albert Rösti zu Besuch auf unserer Redaktion. Geplant war ein informeller Gedankenaustausch, spontan jedoch kam die Idee auf: Wir möchten jetzt gleich ein Interview mit dem SVP-Präsidenten führen. Rösti sagte zu, bat aber um die Möglichkeit, sich vorher für ein paar Minuten zurückzuziehen. Als er wiederkam, das Smartphone in der Hand, fragte ich: «Und, hat Christoph Blocher Ihnen erklärt, was Sie sagen sollen?» Rösti grinste verlegen und setzte sich fürs Interview zu meinen Kollegen.

Elf Jahre zuvor hatte ich von Toni Brunner dasselbe wissen wollen. Beim Interview kurz nach seiner Wahl zum SVP-Präsidenten fragte ich ihn: «Hat Ihnen Christoph Blocher Tipps für dieses Gespräch gegeben?» Brunner, in der Öffentlichkeit bekannt als Sonnenschein und Frohnatur, explodierte vor Wut. Einen Augenblick lang fürchtete ich, er könnte auf mich losgehen.

So unterschiedlich die Reaktionen ausfielen – mit ihrem Verhalten räumten der besonnene Rösti wie der hitzige Brunner ein: Sie waren Präsidenten unter einem anderen.

Giery Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Paul Seewer

Demokratiepolitisch ist das stossend. Insbesondere für eine Partei, die sich zwei grosse Worte auf die Fahne geschrieben hat: Volksherrschaft und Selbstbestimmung.

Vor allem aber ist die Fixierung auf den Einen und Einzigen ein enormes Klumpenrisiko. Und dieses Klumpenrisiko nähert sich mit seinen 79 Lebensjahren unweigerlich dem Greisenalter. Entsprechend verliert die SVP an Schwung. In den Nullerjahren war sie die bestimmende Akteurin im Land, damit ist es vorbei.

Die SVP reisst keine neuen Themen mehr an. Die konservativen Revolutionäre von einst sind zu Konserven ihrer selbst geworden.

Und doch wäre es töricht, die Partei abschreiben zu wollen.

Im Februar 2014 sagte eine Mehrheit der Stimmenden Ja zur «Initiative gegen Masseneinwanderung» der SVP. Spätestens nach diesem Urnengang hätte allen, denen an einem guten Einvernehmen mit der EU gelegen ist, klar sein können: Die Politik muss die Ängste jener Menschen ernst nehmen, die sich als Verlierer der Personenfreizügigkeit in Europa sehen.

Im kommenden Mai nun gelangt die sogenannte Kündigungsinitiative der SVP zur Abstimmung. Diese verlangt ein Ende des freien Personenverkehrs – und damit das Ende der heutigen bilateralen Beziehungen zu Brüssel.

Was aber tun FDP und Teile der CVP? Sie demontieren die vom Bundesrat vorgeschlagene Überbrückungsrente für ausgesteuerte Arbeitslose über 60 Jahre. Offensiver könnte man die älteren Arbeitnehmer, die um ihre Existenz bangen, der SVP nicht in die Arme treiben.

Im Grunde ist es also nicht nur einerlei, wer nach Albert Rösti SVP-Präsident unter Christoph Blocher wird. Es ist sogar egal, wie rüstig Blocher effektiv noch ist. Solange sich die politische Konkurrenz so verhält, wie sie sich verhält, bleibt die SVP eine wichtige Grösse.

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