Editorial
Sklavinnen in Schweizer Haushalten

Publiziert: 19.03.2017 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:20 Uhr
Gieri Cavelty

Liebe Leserin, lieber Leser

Was unser Reporter Cyrill Pinto beschreibt, ist ein Skandal: Pflegerinnen aus Osteuropa schuften in Schweizer Haushalten für monatlich 2000 Franken. Ein Trinkgeld! Dabei bezahlen die Kunden stattliche Beträge für die Billighilfe – bloss fliesst das meiste Geld in die Taschen skrupelloser Vermittler.

Noch erschreckender als diese Ausbeutung: Sie ist legal! Betreuerinnen in Privathaushalten fallen nicht unter das Arbeitsgesetz. Ja was sind diese Frauen denn, wenn nicht Arbeitnehmerinnen? Richtig – sie sind Sklavinnen.

Die Politik muss hier Ordnung schaffen, Angestellte von Privatarbeitgebern durch das Gesetz beschützen – ihre Rechte dann aber auch durchsetzen! Heute gibt es in Haushalten keinerlei Kontrollen, um etwa Schwarzarbeit aufzudecken. Das Private gilt uns als heilig. Dies soll zwar so bleiben. Umso strenger aber muss der Staat den Vermittlern von Hausangestellten auf die Finger schauen.

Pünktlich zum Frühjahrsputz publizieren wir heute auch eine Recherche über Reinigungskräfte. Reporterin Aline Wüst hat herausgefunden: Mehr und mehr Schweizer Frauen gehen einer Erwerbsarbeit nach. Möglich ist dies unter anderem, weil sie die Hausarbeit teilweise an Dritte delegieren. Leider läuft auch hier nicht alles sauber ab. Jeder kennt ein Beispiel aus seinem Umfeld, wo aus Knausrigkeit auf eine Anmeldung der Putzfrau verzichtet wird, mithin auf die Bezahlung von Sozialabgaben.

Der – zugegeben ultralinke – Anthropologe David Graeber hat den Begriff «Bullshit Jobs» geprägt. Demnach wird eine wachsende Zahl gut qualifizierter Arbeitnehmer in Unternehmen oder Verwaltung für überflüssige Aufgaben eingesetzt. Gemäss einer britischen Studie hält jeder dritte Arbeitnehmer seinen Job für sinnlos. Daraus liesse sich eine steile, aber aufschlussreiche These ableiten: Prekär beschäftigte Putzfrauen sind das perfekte Symbol für unsere Arbeitskultur – immer mehr Menschen engagieren sie für die häusliche Schmutzarbeit, um ihrerseits einem gut bezahlten «Bullshit Job» im Büro nachgehen zu können.

Doch genug solcher soziologischen Spitzfindigkeiten! In ­jedem Fall handelt es sich gerade bei Müttern oft um die effizientesten Mitarbeiterinnen. Ebenso wahr aber ist: Die in Privathaushalten beschäftigten Putzfrauen dienen vor allem unserer Wirtschaft. Unsere Unternehmen profitieren von Mitarbeitenden, die sich besser an ihrem Arbeitsplatz einbringen können, weil ihnen zu Hause eine Putzfrau den Rücken freihält. Ist da die Frage nicht zumindest bedenkenswert: Sollten nicht die Firmen die Sozialabgaben für die Putzfrauen ihrer Angestellten entrichten? So wäre das Problem der Schwarzarbeit im Haushalt mit einem Wisch vom Tisch!

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen
Gieri Cavelty

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