Editorial von Gieri Cavelty
Revisorin Martina Z. ist Doris Leuthards Bauernopfer

Martina Z. hatte postintern auf die krummen Touren bei der Postauto AG aufmerksam gemacht. Am Montag wurde sie freigestellt. Cicero sagte: Willst Du Dankbarkeit, dann kauf Dir einen Hund.
Publiziert: 17.06.2018 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 22:10 Uhr
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

In der Welt der Revisoren war der Name Martina Z. immer gut an­geschrieben. Zwanzig Jahre lang hat die Aargauerin die interne Revi­sion der Post geleitet. Sie schrieb in Fach­publikationen, hielt Vorträge an der Uni St. Gallen. Bei der Post schuf sie die Meldestelle für Whistleblower.

Seit Montag ist ihr Ruf vernichtet.

Am Montag wurde Martina Z. per ­sofort freigestellt. Das Vertrauens­verhältnis sei zerstört, sagte Post-­Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller vor den Medien.

Womit genau hat die 59-Jährige diesen Zorn auf sich gezogen?

Martina Z. hatte intern auf die krummen Touren bei der Postauto AG aufmerksam gemacht. Ein erstes Mal tat sie dies Mitte 2013 in einer Aktennotiz zuhanden des Verwaltungsrats sowie von Konzernchefin Susanne Ruoff. Im Jahresbericht der Revisionsstelle wiederholte sie dann ihre Warnung.

Ein Strick wird Martina Z. jetzt daraus gedreht, dass sie ihre Aktennotiz mit der Bemerkung schloss: Für den ­Risiko-Ausschuss des Verwaltungsrats bestehe «kein Handlungsbedarf».

Den verhängnisvollen Satz hatte Martina Z. geschrieben, weil ihr die Postspitze unmissverständlich den Eindruck vermittelte, das Problem sei längst erkannt und werde bald gelöst.

Tatsächlich führte die Post 2015 das «Projekt Impresa» ein. Damit sollten die bisher versteckt getätigten Umbuchungen transparent gemacht werden. Im Untersuchungsbericht, den die Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard im Auftrag der Post verfasst hat und der am Montag auszugsweise publiziert wurde, steht: «Das Projekt ‹Impresa› hatte keine betriebswirtschaftliche Legitimität. Mit strukturellen
Anpassungen wollte man die manipulierten Gewinne legalisieren.»

Trotzdem stellten sich sowohl Susanne Ruoff wie auch der Vorsitzende des ­Risiko-Ausschusses des Verwaltungsrats bis zuletzt auf den Standpunkt, über die Machenschaften bei Postauto nicht informiert worden zu sein. Der Vorsitzende jenes Ausschusses heisst Adriano P. Vassalli, er ist Wirtschaftsprüfer und einer von zwei Vizepräsidenten des Verwaltungsrates.

Postchefin Susanne Ruoff musste letzte Woche ­gehen. Immerhin. Adriano P. Vassalli kündigte am Samstagabend ebenfalls seinen Rücktritt an – betonte dabei aber, sein Gewissen sei rein.

Ein Persilschein war Vassalli schon am Montag ausgestellt worden. Und zwar von allerhöchster Stelle: Bundesrätin Doris Leuthard erklärte vor den Me­dien, Vassalli sei über die Vorgänge bei der Postauto AG nicht informiert gewesen. Ihn treffe keine Schuld.

Wer den Untersuchungsbericht von Kellerhals Carrard liest, kommt zum Schluss: Leuthard verbreitete damit eine Falschinformation.

Wer den Bericht liest, sieht: Revisorin Martina Z. hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Es hat zwar lange ­gedauert, bis sie den Gaunern auf die Schliche kam. Doch sobald dies ­geschehen war, handelte sie richtig.

Aber wer liest schon einen 200-Seiten-Bericht zu einem so vertrackten Thema? Diesen Umstand wollte sich Doris Leuthard allem Anschein nach zunutze machen. Ein Motiv jedenfalls hätte sie, den Verwaltungsrat reinzuwaschen: Der Bundesrat wählt dessen Mitglieder, er ist für das Gremium ­direkt verantwortlich. Ein nachgewiesenes Fehlver­halten des Verwaltungsrats würde auf Leuthard zurückfallen.

Die Postministerin schützt den Verwaltungsrat – und nutzt ihn als Brandmauer, die wiederum sie schützt.

Der Leiterin der Revision der Post ­indes, einer absolut integren Frau: ihr kann man das Vertrauen gefahrlos entziehen.

So etwas nennt man ein Bauernopfer.

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