Giuseppe Gracia über das Weihnachtsfest
Weihnachten, ein Stück Himmel

Über den vielen Geschenkpäckli sollten wir das Eigentliche nicht vergessen: einander etwas von uns selber zu schenken.
Publiziert: 23.12.2018 um 22:35 Uhr
Der Churer Bischofssprecher Giuseppe Gracia verlässt das Bistum nach zehn Jahren Medienarbeit per sofort.
Giuseppe GraciaKolumnist

Die Weihnachtsgeschichte ist eine Zumutung: Gott, der Schöpfer des Alls, kommt in einem Stall irgendwo in der Provinz zur Welt, geboren von einer Jungfrau, mitgetragen von einem Esel. Eine Zumutung, dass es diesen christlichen Gott wirklich geben soll, der die Menschen derart mag, dass er sich einer Welt des Unrechts und der Gewalt ausliefert. Ja, dass er sich schon als Baby im Mutterbauch den Menschen ausliefert, was heutzutage noch viel gefährlicher wäre als damals. Kein Wunder, dass viele diese Geschichte nicht glauben.

Kreuz und Gewalt

Meine Tante Angela-Maria sagt immer, Weihnachten sei kein Märchen, kein Zuckerguss mit Lichterketten und Flötenliedern. Sondern drei Tage nach der Geburt von Jesus sei es zum grossen Massaker gekommen, weil Herodes die Tötung aller männlicher Kleinkinder in Bethlehem befohlen habe. Kreuz und Gewalt zeigten sich also bereits in der Krippe – nicht umsonst hätten die Maler des Mittelalters das Jesuskind in Windeln dargestellt, die wie ein Leichentuch aussähen.

Ich sehe es zwar nicht so drastisch, aber ich mag die Vorstellung, dass der Mensch immer auf der Suche nach Wahrheit und nach einer Person ist, der er sich anvertrauen kann. Und dass mit Jesus beides auf die Welt kommt, die Wahrheit in Person.

Geografie des Herzens

Jedenfalls sollte man Weihnachten grosszügig feiern, mit vielen Geschenken, ohne Knausrigkeit und puritanischer Verweigerung. Weihnachten ist ein Bekenntnis zum Leben, sofern wir über den vielen Geschenkpäckli das Eigentliche nicht vergessen: einander etwas von uns selber zu schenken, von unserer einmaligen und unwiederholbaren Lebenszeit.

So gesehen ist Weihnachten das Fest, an dem wir Gott nachahmen, der sich uns schenkt, frei vom Himmel herab. Oder um es mit den Worten des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu sagen: «Der Himmel gehört nicht in die Geografie des Raums, sondern in die Geografie des Herzens. Und das Herz Gottes hat sich in der Heiligen Nacht in den Stall herabgebeugt. Und wenn wir uns darauf einlassen, dann berühren wir den Himmel.»

Giuseppe Gracia (51) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Sein Buch «Das therapeutische Kalifat» ist erschienen im Fontis Verlag, Basel. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

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