Frank A. Meyer – die Kolumne
Freiheit für Feinde der Freiheit

Publiziert: 25.08.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2024 um 01:30 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Die «Neue Zürcher Zeitung» berichtet aufgebracht, ein Schweizer Publizist habe die Identifikation mit der westlich-amerikanischen Werteordnung als Verhalten von Sklaven bezeichnet. Zu den Sklaven zählt besagter Medienmensch beispielsweise Deutschland – und damit das ganze freiheitlich gestimmte Europa, inklusive der Schweiz. 

«Sklave» ist ein deftiger Begriff, das Gegenteil des freien Bürgers. Aber wie soll man jemanden nennen, der so über Demokratien und Demokraten urteilt, wenn sie sich zu Amerika als westliche Schutzmacht bekennen?


Dummkopf? Das klingt schulmeisterlich, beinahe verständnisvoll – was kann ein Dummkopf dafür, dass er ein Dummkopf ist? Auch die Bezeichnung Kindskopf wäre wohl treffend, signalisiert aber ebenfalls Nachsicht. 

Foto: Antje Berghaeuser


Im Fall des Schweizer Publizisten Nachsicht zu üben, verbietet sich, nur seinen Namen zu nennen, wäre schon zu viel der Ehre: Er ist bekennender Putinist und huldigt dem Kreml-Herrscher mit unterwürfigem Verständnis für dessen Krieg gegen die Ukraine. Mehr Antiamerikanismus geht kaum. 

Allerdings sind es mittlerweile nicht nur Einzelstimmen, die das antiamerikanische Lied anstimmen, sondern ganze Chöre rechtsaussen oder linksaussen – die grosse Mehrheit rechtspopulistisch und linkspopulistisch, hierzulande Anhänger von SVP, Linkssozialisten und Grünen. 


Ein wenig Gelassenheit vorausgesetzt, wäre all das auszuhalten. Aufschlussreich ist es zweifellos: In der freien und offenen Gesellschaft des Westens, unter dem militärischen Schutzschirm der USA, wettern Maulhelden gegen die Nation, die ihnen das Wettern überhaupt erst möglich macht – Beschimpfung, Polemik und Beleidigung gegen die Garanten einer Freiheit, der man sich bedient, um zu beschimpfen, zu polemisieren, zu beleidigen. 


So soll es sein, weil Freiheit nun einmal so ist: unteilbar. 


Aber wie sieht es im hochgelobten Putin-Reich aus, wie man Russland ja inzwischen leider bezeichnen muss? Was dürften die Amerikahasser in Moskau sagen, ausser dass sie Amerika hassen? Dürften sie, wenn es ihnen danach ist, genauso gegen die Kremlherrschaft zu Felde ziehen? 


Xenia Karelina zum Beispiel wurde wegen «Hochverrats» zu zwölf Jahren Strafkolonie verurteilt. Das Verbrechen der 32-Jährigen? Sie hatte 47 Euro an eine Hilfsorganisation zur Unterstützung der Ukraine gespendet. 

Russische Verhältnisse. 


Wie aber sieht der unsägliche Schweizer Putin-Propagandist die amerikanisch-westlichen Verhältnisse? Die «NZZ» zitiert ihn mit den Worten: «Beim Thema der westlichen Wertegemeinschaft geht mir in der Hose das Sackmesser auf.»

Der amerikafeindliche Reflex ist nicht neu. Die USA, eine mit vielen Fehlern behaftete Freiheitsmacht, steht seit je unter politischem Beschuss von Rechts- und Linksextremisten, die zu unterscheiden sich letztlich erübrigt. Es genügt die ebenso volkstümliche wie historische Einsicht: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. 

1944 opferten am Strandabschnitt «Omaha» bei der Landung in der Normandie Tausende amerikanischer Soldaten ihr Leben für die Befreiung Europas vom hitlerdeutschen Schreckensregime. Im Kalten Krieg garantierten die USA mit einer Luftbrücke die Freiheit Westberlins. Die Rüstung und Nachrüstung der Nato-Grossmacht hielt die Sowjetunion jahrzehntelang in Schach – bis die Sowjetdiktatur vom Wettrüsten erschöpft kapitulierte. 


Doch «die Amerikaner» führten auch den Krieg in Vietnam. Dies war der Anlass für den Antiamerikanismus der 68er-Linken, die mit dem Ruf «Ho-Ho-Ho-Chi-Minh» durch die Strassen der westlichen Weltstädte hüpften. Wer hätte sie nicht verstehen können? Die ikonografische Fotografie des nackten Kindes, das auf einer Strasse in Vietnam schreiend vor einem amerikanischen Napalm-Angriff flieht, bleibt unauslöschliche Mahnung der US-Geschichte. 


Dennoch ist die Frage zu stellen: Wie sähe die vietnamesisch-kommunistische Wirklichkeit aus, hätten die USA in ihrem Südostasien-Feldzug gesiegt? Vietnam wäre heute eine freie Gesellschaft, wie Südkorea, wie Taiwan, wie Japan. Es wäre Teil der westlichen Wertesphäre. 

Diese Sphäre wird gegenwärtig aggressiv bedroht, nicht nur durch Russland mit seinem Krieg gegen die freiheitsdurstige Ukraine, nicht nur durch die Putin-Putains in der westlichen Politik, nicht nur durch rechte und linke Schreihälse. Auch durch die perfektionierte Diktatur China, die eine digitale Herrschaft über ihre Bürger praktiziert, die den Stalinismus ins Zeitalter der künstlichen Intelligenz weiterentwickelt hat, die mit ihrem Amalgam von Führerstaat, Kommunismus und Kapitalismus eine Weltformel für den Faschismus verwirklicht. 

Bedroht ist Amerika. Bedroht ist der Westen.

Bedroht sind wir!

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