Frank A. Meyer – Die Kolumne
Fersengeld

Publiziert: 21.07.2024 um 00:53 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2024 um 14:09 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Thomas Straumann ist ein gewinnender Mensch, der seinem Gegenüber gerne mit verschmitztem Lächeln in die Augen blickt. Auch ist Thomas Straumann ein sogenannter Superreicher, schätzungsweise 3,8 Milliarden Franken schwer. Thomas Straumann gebietet über den Weltmarktführer für Zahnimplantate und eine Orthopädiefirma, ferner ist er Besitzer von Basels allernobelstem Hotel Les Trois Rois sowie freigiebiger Stifter von Lehrstühlen verschiedener Universitäten. Derzeit allerdings ist dem Basler Bebbi nicht nach verschmitztem Lächeln zumute. Ganz im Gegenteil, wie er verbittert klagt:

«Wenn der Bauer auf den Ochsen einprügelt, muss er sich nicht wundern, wenn dieser den Pflug plötzlich nicht mehr ziehen will.» 

Sieht Thomas Straumann sich als Ochse? Was meint er mit dem Pflug? Sein schwer auf ihm lastendes Milliardenvermögen? Und wer ist der Bauer, der auf ihn einprügelt?

Es ist eine Bäuerin: Die Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann, die mit drohend dunkel lackierten Fingernägeln ihr politisch übergriffiges Wesen signalisiert. Wer würde da nicht von Angstschaudern geschüttelt, zeigt sich die akkurat gestylte junge Frau doch finster entschlossen, Schwerreichen wie Thomas Straumann in die Familienkasse zu greifen, und zwar mittels der Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern», die endlich für mehr Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich sorgen soll.

Die Aufregung unter den Bedrohten ist gross. Mehrere Milliardäre drohen ihrerseits: mit Wegzug aus der Schweiz, im Fall von Thomas Straumann sogar auf Nimmerwiedersehen, wie er versichert. Kurzum, die Geldmächtigen suchen ihr Heil in einem klassischen Reflex:

Sie geben Fersengeld – es ist ja auch das, was sie am leichtesten zu geben vermögen.

Derweil dürfen die Kapitalismus-Killer-Kinder ihren ersten Triumph auskosten, lange bevor ihre Volksinitiative vom Volk verworfen wird. Sie haben erschüttert, was sie schon immer erschüttern wollten:

Die reichsten Reichen – demnächst auf der Flucht!

Wärs nicht zum Lachen, wärs zum Weinen: Ein erfolgreicher Unternehmer wie Thomas Straumann – nicht nur gewieft, sondern auch noch ausnehmend sympathisch – nimmt Reissaus vor Mirjam Hostetmann, einer Frau ohne jegliche Erfahrung in der Arbeitswelt, also vor einer typischen Linksgrünen, geübt im Totschlagen des Tages und des Kapitalismus.

Mit der Ankündigung solcher Panikreaktionen drohen die Herren und Damen des Geldes zugleich dem Schweizer Volk, das doch für den infantilen Unsinn der wohlstandsverwöhnten Kinder nichts kann – deren Herkunft zudem näher bei den Reichen liegt als bei den fleissigen und hoch qualifizierten Arbeitnehmern, die den weltweit bewunderten Straumann-Produkten die nötige Qualität verleihen.

Die Büezer sollen bezahlen, was die gehätschelten Knaben und Knäbinnen in ihrem uni- versitären Leichtsinn gerade anzurichten belieben: den wirtschaftlichen Schaden.

Dagegen gäbe es ein Rezept: Engagement in der Demokratie! Politik ist ja erlernbar, selbst für Geldmenschen, denen derlei praktische Bürgerlichkeit sonst eher fremd ist, weil sie sich dank ihrer Moneten das wirkliche Leben vom Leib zu halten pflegen.

Sie müssten sich endlich einen Ruck geben und eintauchen in den politischen Alltag, allwo den post-proletarisch beflügelten Prahlhänschen Paroli geboten werden kann, wo man sie «in den Senkel stellt», wie es im Volksmund heisst.

Ja, genau, auf den Volksmund kommt es an – und auf dessen bürgerliche Repräsentanten, die den Kapitalismus als Motor der Wohlhabenheit vor infantilem Sturm und Drang zu bewahren wissen. Dazu braucht es Thomas Straumann, wie es einst den wirtschaftsmächtigen Ueli Bremi brauchte, mitsamt dem bürgerlich-intellektuellen und bürgerlich-kulturellen Umfeld des damaligen freisinnigen Fraktionspräsidenten – das nonkonforme Gegengewicht zur linken Genossenwirtschaft. Was dagegen die moderne offene Gesellschaft gar nicht braucht:

Kinder hüben, Kinder drüben.

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