Frank A. Meyer – die Kolumne
Die Partei, die Partei, die Partei

Publiziert: 13.11.2022 um 01:10 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2022 um 13:50 Uhr
Frank A. Meyer

Ja, es sassen auch schon mal vier Frauen und nur drei Männer im Bundesrat. War das gut? War das schlecht? Weder noch. Es war einfach so: das Resultat von Wahlen durch die Bundesversammlung.

Jetzt geht es darum, Simonetta Sommaruga zu ersetzen. Durch eine Frau? Durch einen Mann? Durch die Wahl einer Politikerin oder eines Politikers mit Können und Charakter.

Die sozialdemokratische Parteiführung hat diese Wahl bereits eingeengt: Sie will zwei Frauen vorschlagen. Männer als Kandidaten schliesst sie aus.

Es geht ums Geschlecht – zuerst. Um Qualität – danach.

Nun kommt der Ruf nach Frauen mit Kindern hinzu: Mutterschaft als zusätzliche Qualifikation, als zusätzliche Einschränkung. Wie alt dürfen die Kinder sein? Noch klein genug zum Mitnehmen ins Bundesratszimmer, eventuell gar zum Stillen dortselbst? Es sage niemand, die Frage sei unerheblich für das Duo, das der Partei gegenwärtig das Gesicht gibt – ein sympathisches Kindergärtner*innen-Pärchen.

Weil die grosse alte Partei – die Partei grosser, alter, weisser Männer – gerade umgepolt wird auf Gender-Gerechtigkeit, darf man den dünnen roten Faden getrost weiterspinnen. Wie sehen die SPS-Kandidaten-Kriterien der Zukunft aus: Frau oder nonbinäre Person of Color plus Kind mit Migrationshintergrund?

Zum Lachen? Zum Nachdenken! Die Partei von Freiheit und Gleichheit verkümmert zur Partei der Diversität. In den Augen ihrer Spitze ist der Bundesrat Ausdruck einer Kultur der Gruppenansprüche, die vor der Wahl der Bundesversammlung durch tonangebende Genoss*innen gefiltert werden – abweichende Anwärter bleiben draussen.

Der abweichende Anwärter im aktuellen Fall heisst Daniel Jositsch – und ist ein Mann! Sogar ein sehr fähiger, sehr lebendiger, bisweilen brillanter Mann, Zürcher Ständerat überdies. Er will die autoritäre Festlegung der Partei auf zwei Kandidatinnen nicht hinnehmen. Deshalb kandidiert er selbst, vorerst in der Fraktion. Was für eine Ketzerei! Der «Tages-Anzeiger» kanzelt den Juristen in strengen Worten ab: «Mit seinem Vorpreschen brüskiert Jositsch neben den Frauen auch die Parteispitze.»

Der Mann Jositsch – der Sündenfall!

Auch der dümmste Satz dieser Debatte ist im Zürcher Leitblatt linksgrüner Lebensweisheiten zu finden: «Wir sehen hier vor allem eine bürgerliche Empörung.» Daniel Jositsch, Komplize der bürgerlichen Parteien? Schädling der SPS?

In der Tat, es gibt gute Gründe für ideologiefreie Bürgerinnen und Bürger, empört zu sein. Die Sozialdemokratie probt die Instruktionsdemokratie: Nur wer von der Partei vorgeschlagen wird, hat als Sozialdemokrat das Recht, gewählt zu werden.

Die Partei, die Partei, die hat immer recht – ein Lied in böser Erinnerung.


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