Frank A. Meyer – die Kolumne
Auf der Intensivstation

Publiziert: 12.02.2023 um 00:48 Uhr
Frank A. Meyer

Was ist das: Verantwortung? Ein Wort. Für die Krankenschwester auf der Intensivstation ist es etwas, was sie in ihrer Arbeit – und oft darüber hinaus – bei jeder Handlung begleitet, sozusagen über ihr schwebt: die falsche Spritze setzen, das falsche Mittel verabreichen, Symptome falsch deuten, den Patientenmonitor falsch ablesen, einen Arzt falsch oder gar nicht informieren – das alles kann schrecklich enden, tödlich.

Verantwortung ist im Spital das Damoklesschwert über den Köpfen der Pflegerinnen, die zudem – wie jeder weiss – selten verantwortungsgerecht entlöhnt werden. Doch sie lieben ihren Beruf. Und sie lieben die Menschen, die ihnen in schicksalsvollen Stunden anvertraut sind.

Was ist das: Verantwortung in den Führungsetagen der Banken? Ein Wort. Banker, zumal CEOs in den höchsten Gefilden, benutzen es gerne. Wenn sie damit ihre Abermillionen-Gehälter rechtfertigen, wirkt ihr Verantwortungsredefluss oft geradezu ergreifend: Wer so viel Geld verwaltet und im Interesse der Bankkunden vermehrt, also Verantwortung für Unsummen trägt, und zwar täglich und stündlich und in digitalen Zeiten sogar minütlich, der verdient es, entsprechende Unsummen zu kassieren. Oder etwa nicht?

Die Chefetage der Bank als Intensivstation des Geldes, ja: des stets irgendwie gefährdeten Geldes! So soll man das gefälligst sehen: die Topmanager der Finanzinstitute als Intensivpfleger, im schlimmsten Fall als Ärzte.

Was geschieht, wenn ein Krankenhauspatient in der Intensivstation wegen eines Fehlers der Krankenschwester in kritischen Zustand gerät? Oder sogar stirbt? Zieht die Pflegerin ihren Arbeitskittel aus und spaziert davon, unbehelligt?

Krankenschwestern und Ärzte müssen sich für Fehlleistungen verantworten, mit ihrer beruflichen Position, aber auch rechtlich. Die Folgen können verheerend in ihre Lebensumstände hineinwirken.

Was geschieht, wenn eine Bank in die Krise gerät, weil der oberste Chef Fehler gemacht hat, bisweilen jahrelang und sehenden Auges? Wenn die Bank in eine existenzielle Krise gerät, als unabhängiges Finanzinstitut gefährdet ist? Wie eben gerade die Credit Suisse? Zieht der verantwortliche CEO seine Krawatte aus und spaziert davon, unbehelligt?

Ja, das darf er: davonspazieren, ausgestattet mit den Millionen, die er als Gehalt und Boni gescheffelt hat. Wie eben gerade bei der CS – von Brady W. Dougan über Tidjane Thiam bis zu Thomas Gottstein.

Das Resultat jahrelangen Versagens jener Toptoptop-Manager: 7,3 Milliarden Verlust, dramatischer Absturz des Aktienwerts, arabische Rettungsmilliarden, Tausende Mitarbeiter vor der Entlassung, Umbau der Bank.

Verantwortung? Nur ein Wort.

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