Frank A. Meyer
Böse Clowns

Publiziert: 19.03.2017 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:15 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist
Frank A. Meyer
Foto: Antje Berghäuser

Vielleicht wird der Clown ja gewählt. Oder auch nicht. Die Wahl ist heute. Der Clown heisst Oskar Freysinger und ist Walliser Staatsrat, prominentes Mitglied der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Der ihn ­«einen Clown» nennt, heisst Peter Bodenmann, ist Hotelier und war einst Präsident der Schweizer Sozialdemokraten.

Im Zirkus ist der Clown die sympathischste Figur, die Kinder lieben ihn, ebenso die erwachsenen Kinder. Der Clown ist auch der Intellektuelle im Zirkuszelt, sein Witz steht für den Geist in der Manege. Der Mann mit der roten Nase und den langen Stolperschuhen wirkt oft intelligenter als viele seiner Zuschauer.

Ist Oskar Freysinger ein Clown?

Peter Bodenmann will ihn mit diesem Prädikat lächerlich machen – als untauglich zum Regieren abstempeln. Wird Freysinger nicht gewählt, darf sich Bodenmann auf die Brust klopfen – wie der Clown, wenn das Publikum nach einer gelungenen Pointe schallend lacht.

Im Keller von Oskar Freysinger hängt die Reichskriegsflagge. Deutsche Neonazis lieben diese Flagge. Sie ist, im Gegensatz zur Hakenkreuzflagge, nicht verboten, weshalb sie sich prächtig eignet, eine rechtsextreme Gesinnung zu demonstrieren.

Oskar Freysinger hat die Flagge, wie er beteuert, «aus rein ästhetischen Überlegungen gekauft», er fand sie «irgendwie schön». Als Lehrer weiss er, was er da ­irgendwie schön findet.

Kann eine Fahne schön sein, die den mörderischen Schrecken des Nazi­regimes symbolisiert – sechs Millionen ermordete Juden, fünfzig Millionen Tote des Zweiten Weltkriegs?

Wie kommt einer auf so was? Wovon lässt sich so einer faszinieren?

Oskar Freysinger ist kein Clown.

Oskar Freysinger ist ernst zu nehmen. Wie der Rechtspopulismus ernst zu nehmen ist. In der Schweiz. In Europa. Auch wenn der Rechtspopulist Geert Wilders die Wahlen in den Niederlanden diesmal nicht gewonnen hat.

Der linken deutschen «Tageszeitung» fiel dazu die Titelzeile ein: «Alles halb so Wilders». Darunter Wilders als Puppenkopf.

Befindet sich der Rechtspopulismus schon im Niedergang? Sind Rechtspopulisten deshalb Clowns und Witzfiguren? Die Linke scheint im Übermut zu schwelgen.

Doch Übermut tut selten gut, wie der Volksmund lakonisch sagt. Und damit auch in diesem Fall recht hat. Denn ob sie verlieren oder gewinnen – die Rechtspopulisten prägen die politische Agenda. Das ist ihre Gefährlichkeit. Und das ist manchmal sogar ihr Verdienst.

Zunächst zum Verdienst: Geert Wilders in den Niederlanden, der Front National in Frankreich, die AfD in Deutschland, die SVP in der Schweiz haben zum Beispiel die Migration als politisches ­Thema entdeckt. Die etablierten Parteien wollten davon nichts wissen. Die Linke leugnet die gesellschaftliche Sprengkraft der Einwanderung bis heute, zumal die von Millionen Menschen aus ­einer autoritären und – vor allem – frauenfeindlichen Religionskultur. Aus diesem Grund ist in den Niederlanden die einst so stolze Sozialdemokratie zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft.

Wer drängende Themen aufs Tapet bringt, der macht sich um die demokratische Debatte verdient – und sei er auch ein Rechtspopulist.

Nun zur Gefährlichkeit: Rechts­populisten leben von den Problemen, die andere Parteien ­ignorieren oder schönreden. Sie bewirtschaften, was verschwiegen werden soll. Tabuisierte Themen sind ihr Beuteschema. Sie beuten sie aus, hemmungslos, mit Polemik, mit Hass, mit Diffamierung der etablierten Politik. Bundesräte bezichtigen sie des Landesverrats, Richter verleumden sie als volksfremd, Journalisten als Lügner, Wissenschaftler als Fälscher.

Populisten betrachten den politischen Gegner als Feind. Er gehört zur «Classe politique», zum «Mainstream», zur ­«Elite» – zum Volk gehört er nicht. Zum Volk gehört allein der Populist – und das Volk gehört allein ihm.

Der Populismus zerstört mit voller Absicht die politische Kultur der Demokratie, das intellektuelle Niveau der Debatten, das kulturelle Niveau der Politiker. Das ist sein Programm. Und sein Ziel ist die Macht.

Seine Inhalte sind, was diesem Ziel gerade dient – und was die «Classe politique», was der «Mainstream», was die «Elite» nicht wahrhaben will.

Nein, die rechten Populisten sind keine Clowns.

Oder doch? Seit 2016 treiben böse Clowns ihr Unwesen: «Creepy Clowns», wie man sie in den USA nennt, wo sie erstmals gesichtet wurden. Sie stecken in Clown-Fratzen und Clown-Kostümen. Sie wollen nicht, dass man über sie lacht. Sie wollen Angst und Schrecken verbreiten. Das ist ihr grösster Spass.

Hat Peter Bodenmann solche Clowns gemeint?

Gruselclowns?

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