Editorial zur «Friedenskonferenz»
Der Etikettenschwindel des Jahres

Im besten Fall wird auf dem Bürgenstock ein Hilfspaket für die Ukraine geschnürt. Den Frieden wird die Konferenz, anders als ihre Bezeichnung vermuten lässt, leider nicht bringen können.
Publiziert: 19.05.2024 um 00:20 Uhr
Bildschirmfoto 2024-04-02 um 08.40.24.png
Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Irgendwann wurde der Hausabwart zum Facility Manager, Dicke sind heute vollschlank und die Putzfrau heisst Raumpflegerin. Mit der Sprache formen wir unser Denken und Handeln, was meistens in hehrer Absicht geschieht: Wir wollen das Ansehen von Berufen verbessern oder Mitmenschen integrieren. 

In der Politik aber verläuft ein schmaler Grat zwischen gut gemeinter Wortakrobatik und Manipulation. Bestes Beispiel ist die anstehende Ukraine-Konferenz Mitte Juni auf dem Bürgenstock. Gewiss mag das Treffen seine Dringlichkeit haben, da die Unterstützung für die Ukraine dringend nötig scheint, wo täglich russische Raketen in Schulen, Kirchen und Cafés einschlagen.

Doch worum geht es bei diesem Anlass? Im Vorfeld befeuern Politik und Medien das Label «Friedenskonferenz» – das tönt wunderbar, denn wer hätte nicht gerne Frieden in der Ukraine, Frieden in Nahost, ja Frieden auf der ganzen Welt! 

Reza Rafi, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Philippe Rossier

Der Begriff allerdings spielt in fast schon bösartiger Weise mit falschen Hoffnungen, zumal es keinen Experten für die Voraussage braucht, dass der Krieg auch nach dem Bürgenstock andauern wird. Ein Gipfel ohne beide Kriegsparteien am Tisch kann nie ein Friedensgipfel sein, und was man im Kreml vom Termin hält, ist bekannt.

Offiziell ist die Rede von der «Konferenz zum Frieden»

Im netteren Fall drückt die Bezeichnung «Friedensgipfel» eine verständliche Sehnsucht aus, im weniger netten Fall handelt es sich um einen krassen Fall von politischer Schönfärberei. Da nützt es nichts, wenn man in EDA-Kreisen auf den «Path to Peace» verweist, den Weg zum Frieden, zu dem auch der erwähnte Gipfel gehöre.

Die Bundesverwaltung ist punkto Kommunikation sowieso mit allen Wassern gewaschen, weshalb man von der ursprünglich verwendeten «Friedenskonferenz» im Februar instinktsicher zur unverfänglichen «Konferenz zum Frieden» geschwankt ist.

Die Bezeichnung Hilfskonferenz wäre treffender. Böse Zungen reden vom «Waffen-WEF», und ganz falsch liegen sie nicht, da es Selenski wohl darum geht, vom Westen endlich mehr Support für seine Streitkräfte zu erhalten. Im Idealfall werden sich die Teilnehmer im Juni auf ein gemeinsames Hilfspaket für Kiew einigen. Das ist für die Ukraine momentan vielleicht noch wichtiger als Frieden.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?