Das meint SonntagsBlick
Impft die Lehrkräfte!

Alleine an der Front. Die Schweizer Lehrkräfte fühle sich von den Behörden im Stich gelassen. Das muss sich schleunigst ändern, sagt SonntagsBlick-Reporter Sven Zaugg.
Publiziert: 07.02.2021 um 11:14 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2021 um 11:57 Uhr
Sven Zaugg

Schon an einem normalen Tag hätte die Gränicher Primar­lehrerin Barbara Seiler alle Hände voll zu tun. Doch was ist schon normal in Zeiten der Pandemie? In einem eindrücklichen Leserbrief im «Badener Tagblatt» schildert sie ihren kräfteraubenden Alltag:

«In der letzten Woche hatte ich drei Kinder in Quarantäne. Das heisst, dass dann Schule vor Ort und Fernunterricht parallel stattfinden müssen. Das ist nicht zumutbar!»

Seilers Unmut entspricht dem ­seelischen Zustand vieler Lehrerinnen und Lehrer im Land. Er ist ein weiteres Beispiel dafür, wie hart die Pandemie Berufsstände fordert, die sich nicht ins Homeoffice flüchten können: Angestellte des Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesens. Sie arbeiten an der Front.

«Die Kantone haben es versäumt, ein Screening aufzuziehen, um neue Cluster der mutierenden Variante schnell zu erkennen und effizient zu bekämpfen. Stattdessen operieren sie im Blindflug», sagt SonntagsBlick-Reporter Sven Zaugg.
Foto: Paul Seewer

Viele Lehrpersonen seien am ­Anschlag, schreibt Seiler: «Kinder der Primarschule auf Distanz zu halten, ist so gut wie unmöglich. Wir halten uns an die Regeln, fühlen uns aber vom Kanton im Stich gelassen.»

Schon seit geraumer Zeit fordern die Lehrerverbände bessere Schutzmassnahmen – vor allem auf Stufe der Primarschule: FFP2-Masken, Luft­reiniger und CO2-Messgeräte im Klassenzimmer. Sogar die Forderung nach einer vorsorglichen Impfung der Lehrkräfte wurde in den letzten Wochen laut. Ein legitimes Anliegen. Doch die Hilferufe der Schulen verhallen in den Amts­stuben ungehört.

Die Kantone haben es versäumt, ein Screening aufzuziehen, um neue Cluster der mutierenden Variante schnell zu erkennen und effizient zu bekämpfen. Stattdessen operieren sie im Blindflug.

Spätestens als sich die Schweiz in den zweiten Lockdown begab, hätten die Kantone begreifen müssen, dass Klassenzimmer nun zu den Orten ­gehören, an denen sich das Virus ­besonders schnell verbreiten kann.

Wie besorgniserregend die ­Situation ist, zeigen die Fall­zahlen bei Primarschülern – sie steigen kontinuierlich, während die der Erwachsenen ­allmählich abnehmen. Heute wissen wir: Kinder und ­Jugendliche ­stecken sich überdurchschnittlich häufig an. Sie spielen bei der Verbreitung des ­Coronavirus eine entscheidende Rolle.

Die Folgen sind im ganzen Land sichtbar: Quarantäne für Kinder, ­Eltern und Lehrkräfte. Schulschliessungen. Nun sollen Massentests dafür sorgen, dass es nicht nochmals zu ­einem landesweiten Schullockdown kommt – zum Teil präventiv, zum Teil in Notfällen. Eine gute Entwicklung!

Doch auch hier kocht jeder Kanton sein eigenes Süppchen. Während Zug verspricht, im März regelmässig präventive Massentests an allen Schulen durchzuführen, sieht man im Kanton Zürich davon ab.

Angesichts der hochansteckenden britischen Variante des Virus, die ­voraussichtlich im März etwa die Hälfte der Infektionen ausmachen dürfte, ist die Zurückhaltung einiger Kantone beim Testen nach fast einem Jahr Pan­demie, sehr vorsichtig formuliert, erstaunlich.

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