Berner Platte – die SonntagsBlick-Kolumne
Biodiversitäts-Domino

Aline Trede über das grosse Artensterben – und die Bürgerlichen, die nicht handeln.
Publiziert: 28.07.2024 um 11:34 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2024 um 16:35 Uhr

Vorgestern hat meine Tochter mit ihrer Cousine das Dominospiel entdeckt. Sie legten die flachen Holzklötzchen in der ganzen Wohnung aus. Über Brücken mit Glöckchen, durch Tunnels, Gänge und um Stuhlbeine ging die Fahrt. Bei zu engen Kurven stoppte die Bewegung und die beiden mussten nachhelfen, damit alles wieder in Fluss kommt.

Es erinnerte mich an die Biodiversität. Sterben Arten aus oder werden weniger, hat dies einen grossen Dominoeffekt auf andere Lebewesen. Auf die, die den Lebensraum mit ihnen teilen, auf die, die sie als Nahrungsgrundlage brauchen.

Beispiel Insekten: 70 Prozent sind bereits verschwunden in der Schweiz. Das grösste Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier ist in vollem Gange. Weniger Insekten bedeutet weniger Nahrung beispielsweise für Vögel, Amphibien und viele kleinere Tierarten. Es bedeutet aber auch weniger Bestäubung der Blüten und somit weniger Nahrung für uns alle.

Die Biodiversität ist bedroht.
Foto: Getty Images
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Die Bürgerlichen sperren sich

Politisch wird der Handlungsbedarf anerkannt, aber es wird nicht gehandelt. Sogar bei den Datenerhebungen sperrt sich die bürgerliche Mehrheit.

Wir werden nun im September über die Biodiversitäts-Initiative abstimmen. Es ist eine moderate Initiative, die den Schutz der Biodiversität, also unserer Lebensgrundlage, in der Verfassung verankern will. Die Polemik ist gross, der Bauernverband ist dagegen, genauso wie die bürgerlichen Parteien. Viele sagen hinter vorgehaltener Hand, sie wären für den Gegenvorschlag gewesen. Doch jegliche Versuche, einen Gegenvorschlag auf die Beine zu stellen, sind im Parlament gescheitert. Sogar der Vorschlag, dass die gesamte Landwirtschaft ausgenommen und nur die Städte in den Fokus rücken, wurde abgelehnt. Das zeigt: Der Wille zum Schutz der Biodiversität fehlt.

Wir müssen das Artensterben stoppen

SVP-Bundesrat Albert Rösti vertröstet alle, die sich Sorgen machen. Es komme jetzt dann wieder ein Aktionsplan Biodiversität, und es werde schon viel gemacht. Nur leider sieht es in der Realität anders aus. Oder hören Sie noch viele Grillen und Heuschrecken? In der Stadt ist die Artenvielfalt mittlerweile grösser als in ländlichen Regionen.

Das können und wollen wir ändern. Wie beim Domino, wenn wir einen Stein herausnehmen. Wir müssen das Artensterben stoppen.

* Aline Trede ist Fraktionschefin der Grünen im Nationalrat und Umweltwissenschaftlerin. Sie schreibt jeden zweiten Sonntag für uns – im Turnus mit SVP-Nationalrat Alfred Heer.


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