Trotz Heimweh in der Ferne
Schweizerin findet in den USA ein neues Zuhause

Als junge Frau ist Ruth McCaffrey (60) in die USA gereist, um Englisch zu lernen. Über 40 Jahre später lebt die Zürcherin immer noch in Amerika. Trotz Heimweh möchte sie in ihrer zweiten Heimat bleiben.
Publiziert: 30.01.2021 um 13:21 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2021 um 10:21 Uhr
Corine Turrini Flury

Bei Minus 15 Grad wärmt sich Ruth McCaffrey (60) in ihrem kleinen Häuschen im US-Bundeststaat Vermont bei einem Tee auf und erzählt BLICK am Telefon von ihrem Leben in den USA. Momentan habe sie das Schneeschuhlaufen für sich entdeckt. Schnee hat es genug in der ländlichen Gegend rund um das Städtchen Whitingham.

Hier im Nordosten der USA lebt die gebürtige Zürcherin zusammen mit ihrem Partner Marshall Hammond (65) und Hündin Izzy seit fünf Jahren. «Ich bin eigentlich ein Landei und die Gegend mit den vielen Seen, Wiesen und Bergen erinnert mich an die Schweiz», erzählt McCaffrey.

Das kleine Haus hat das Paar nach dem Kauf umgebaut. Seit zwei Jahren bieten sie über Airbnb ein Zimmer mit separatem Eingang, eigener Küche und Bad für Feriengäste an. «Es macht mir Spass, wenn wir Leute von überall hier haben und ich ihnen auch unsere schöne Gegend zeigen kann», so die kontaktfreudige Frau.

In Vermont hat Ruth McCaffrey nach der Scheidung einen Neuanfang gewagt und mit ihrem neuen Partner Marshall Hammond noch einmal Liebesglück gefunden.
Foto: zVg
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Als junge Frau ausgewandert

Neugierig und offen war Ruth McCaffrey schon in jungen Jahren und wollte die Welt entdecken. Das war einer der Gründe, warum sie mit 19 Jahren nach der Ausbildung zur Floristin Geld sparte und mit einer Freundin für sechs Wochen in die USA reiste.

«Wir waren mit dem Rucksack unterwegs und hatten wenig Geld, aber ich war so begeistert, dass ich kaum zurück in Zürich schon wusste, dass ich wieder in die USA möchte», erinnert sie sich

Ein Cousin ihres damaligen Freundes aus der Schweiz lebte in den USA und so konnte die junge Ruth bei dessen Eltern in New Jersey wohnen, arbeiten und Englisch lernen.

Durch die Familie lernte sie dann auch ihren ersten Ehemann kennen und zog schon bald zu ihm. «Mit den US-Behörden war es aber extrem mühsam mit der Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Als dann meine Schwester in der Schweiz an Krebs erkrankte, reiste ich zurück in die Schweiz.»

Heiratsantrag in der Schweiz

Ein halbes Jahr später tauchte der junge Amerikaner in der Schweiz auf und machte McCaffrey einen Heiratsantrag. «Da habe ich mich für ihn und ein Leben in Amerika entschieden.»

Es sei für ihre Familie und für sie kein leichter Abschied gewesen und das Heimweh habe sie immer wieder geplagt, erzählt sie weiter. Das Ehepaar lebte damals im Bundesstaat New Jersey mit ihren vier Kindern, Michelle (36), John (33), James (28) und Patrick (26).

Ruth war vorwiegend für die Kinder zuständig und verdiente sich einen Zustupf als Altenpflegerin oder Schulassistentin. Ihr Ehemann hatte ein eigenes Gartenbaugeschäft und arbeitete sieben Tage die Woche.

«Mein Geld gab ich vor allem für die Flüge und Besuche in der Schweiz aus», erzählt die Auswanderin. Auch seien damals die Telefongespräche in die Heimat noch sehr teuer und mühsam gewesen. «Das machte das Heimweh nicht besser. Mit den Handys heute geht das zum Glück einfacher.»

«In meiner Brust schlagen zwei Herzen»

Etwa zweimal pro Jahr besuchte McCaffrey mit den Kindern für mehrere Wochen die Schweiz und lebte bei ihren Eltern oder der jüngsten Schwester in Zürich. «In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Wenn ich in der Schweiz war, hatte ich immer Heimweh nach den USA und in Amerika Heimweh nach der Schweiz.»

Nicht zuletzt, weil sie wegen der Schule und der Arbeit, selten mit allen vier Kindern und dem Ehemann in die Schweiz reisen konnte. Bei all dem Heimweh hat sich die Schweizerin daher immer über Besuche ihrer Familie und Freunden in den USA gefreut.

Später zog Familie McCaffrey in eine abgelegene Farm. «Dort liessen sich manchmal Rehkitze blicken», erinnert sich McCaffrey. Für rund ein Jahr lebten noch drei Pflegekinder bei der Familie, die wegen häuslicher Gewalt fremdplatziert werden mussten.

«Ich liebe Kinder und ich freue mich, dass es ihnen wieder gut geht und wir noch heute Kontakt haben.» Diese tragische Episode hat die Zürcherin, die seit 2012 auch die US-Staatsbürgerschaft hat, inspiriert, ein Kinderbilderbuch zu gestalten.

Neuanfang nach Scheidung

Kurz darauf trennte sich das Ehepaar. Die beiden älteren Kinder waren da bereits ausgezogen und die beiden Jüngeren blieben beim Vater, damit sie ihre Highschool-Abschlüsse absolvieren und in der gewohnten Umgebung bleiben konnten. «Ich bin zu einer Kollegin nur fünf Minuten entfernt weggezogen und habe mein Leben neu organisiert.»

Leicht sei es ihr nicht gefallen, allein einen Neustart zu wagen, zumal sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Pflege arbeiten konnte. Tochter Michelle, die inzwischen mit ihrem Freund nach Vermont gezogen war und bei der Ruth McCaffrey oft zu Besuch war, liess schliesslich den Gedanken reifen, einen Neuanfang im Nordosten der USA zu starten.

Eine definitive Rückkehr in die Schweiz kam für die Doppelbürgerin trotz allem Heimweh nie infrage. «Wegen meinen vier Kindern war das nie eine Option.» Bis zur Corona-Pandemie traf sich die Mutter auch oft mit ihren drei Söhnen. «Momentan ist es schwierig, weil sie in anderen Bundesstaaten leben und wir in Quarantäne müssten.»

Täglicher Austausch über Facetime

Der Neustart in Vermont hat sich für die 60-Jährige in jeder Beziehung gelohnt. Beruflich und privat. Auf einer Onlineplattform lernte sie ihren neuen Partner kennen und hat nach einer Umschulung auch eine Anstellung als Schulbusfahrerin gefunden.

Wann sie das nächste Mal in die Schweiz reisen kann, ist wegen der Pandemie noch offen. Bis dahin kocht sie öfters Schweizer Gerichte, wie Geschnetzeltes oder Raclette und tauscht sich mit ihrer Familie in der Schweiz täglich über Facetime aus.

Und wenn sie aus dem Fenster schaut oder mit Marshall und Izzy in der Natur bewegt, hat sie in Vermont tatsächlich ein bisschen so etwas wie die Schweiz vor Augen. Einfach im Grossformat.

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