Rentnerpaar zeigt sein 340-PS-Ungetüm
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Im «Expi» um die Welt:Rentnerpaar zeigt sein 340-PS-Ungetüm

Rentnerpaar lebt in LKW
Mit rollendem Zuhause auf der ganzen Welt unterwegs

Silvia (66) und Werner Berger (68) reisen seit rund zehn Jahren um die Welt. Das Rentnerpaar lebt in einem Expeditionsfahrzeug auf gerade mal 18 Quadratmetern. Ihre Wohnung in Weggis LU benutzen sie nur noch als Feriendomizil.
Publiziert: 02.10.2022 um 17:30 Uhr
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Aktualisiert: 11.11.2022 um 22:16 Uhr
Corine Turrini Flury

Schon in jungen Jahren war Reisen die grosse Leidenschaft von Silvia (66) und Werner Berger (68) aus Weggis LU. Die beiden sind seit 42 Jahren verheiratet. Kennengelernt haben sie sich bei der Arbeit in einem Pharmakonzern in Basel. «Unser Traum von einer Familie mit Kindern ging nicht in Erfüllung. Das Reisen wurde für uns zum Ersatz», erzählt Werner Berger.

Früher war das Paar mit dem Velo, dem Zug und einem alten Toyota jeweils für ein paar Wochen oder Monate unterwegs. Seit rund acht Jahren reist es mit seinem eigenen, komfortabel ausgestatteten Expeditionsfahrzeug durch die Welt.

Das Paar zog es bereits in die Wüsten Afrikas, nach Kanada, Südamerika, Asien und durch Europa. «Die Natur mit Pflanzen und Tieren, die Landschaften abseits der Touristenströme und die Begegnungen und Bekanntschaften mit Menschen begeistern uns auf unseren Reisen immer wieder», so Silvia Berger.

Schon in jungen Jahren sind Silvia und Werner Berger gern abseits der Touristenmassen und ohne Plan gereist. Hier bei einer Reise nach Korsika mit ihrem alten Toyota. Die Übernachtungen waren noch wesentlich weniger komfortabel. Silvia scheint es nicht zu stören.
Foto: Zvg
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2019 beschloss das Paar, seine Beratungsfirma ganz an seine Mitarbeiter zu übergeben, um ohne Verpflichtungen auf unbestimmte Zeit in seinem Expeditionsfahrzeug umherzureisen. «Wir werden auch nicht mehr jünger und wir möchten so lange wie möglich neue Ecken auf der Welt entdecken», erzählt Silvia Berger.

Ein Expeditionsfahrzeug zum Geburtstag

Zum 60. Geburtstag von Werner Berger haben sich die beiden den eigenen Traum auf Rädern erfüllt. «Unser autarkes «Expi» ist seither unser Zuhause. Darum war uns auch eine gute Ausstattung wichtig», sagt der Rentner.

Normalerweise kostet ein solcher MAN-Lastwagen in der Basic-Version rund 200’000 Franken. Bergers haben aber noch einiges mehr in ihr speziell angefertigtes Expeditionsfahrzeug investiert. Dafür verkauften sie ihr Einfamilienhaus und zogen in eine kleinere Wohnung in Weggis LU.

«Das ist jetzt unsere Ferienwohnung, wenn wir in die Schweiz kommen. Die Schweiz ist unsere Heimat, aber wir fühlen uns mit dem Expi überall auf der Welt zu Hause», erzählt Werner Berger.

Ausgewanderte sind Bergers definitiv nicht. Sie bleiben in Weggis angemeldet und sind gegen Unfall und Krankheit in der Schweiz versichert. Gesundheits-Checks machen sie immer in der Schweiz, und sie geniessen hier auch Zeit mit Familie und Freunden. Silvia Berger: «Wir haben unsere Wurzeln in der schönen Schweiz, aber das Fernweh zieht uns immer wieder fort.»

Verweilen, wo es einem gefällt

Vom Induktionsherd, Backofen, einem speziell angefertigten Kühlschrank und Tiefkühler, Dusche und WC – dem Ehepaar fehlt es an nichts in seinem rollenden Heim. «Unser Fahrzeug ist so ausgestattet, dass wir mit eigenem Solarstrom und Frischwassertank wochenlang in der Abgeschiedenheit zurechtkommen», erklärt Werner Berger.

Aufhalten tun sich Bergers jeweils dort, wo es ihnen gerade gefällt. Am liebsten sind sie allein unterwegs. Über die Jahre haben sie aber auch Freundschaften mit anderen Langzeit-Reisenden aus der ganzen Welt geschlossen, die sie unterwegs kennengelernt und teils auch für einige Etappen begleitet haben.

«Wenn es schwierige Routen sind, wie zum Beispiel durch Argentinien oder Chile, mit Routen auf Höhen von teilweise über 5000 Metern Höhe, ist es sicherer, wenn jemand in einem anderen Fahrzeug dabei ist», weiss Werner Berger.

Services am Fahrzeug lässt das Ehepaar regelmässig unterwegs machen. «So ist die Sicherheit des Fahrzeugs und uns beiden gewährleistet und das Strassenverkehrsamt erlaubt die längeren Inspektions-Intervalle», erklärt er.

Persönliche Eindrücke von Land und Leuten

Bevor Bergers mit ihrem eigenen Expi erstmals auf eine grosse Tour gehen konnten, mussten sie im Alter von 58 bzw. 60 Jahren noch die Lastwagenprüfung absolvieren.

Sie wechseln sich am Steuer des LKWs ab, wenn sie tausende Kilometer auf oft abenteuerlichen Strecken zurücklegen.

Fragt man sie nach ihren Reise-Highlights, schwärmen sie von den vielen Orten und Menschen, die sie getroffen haben. Südafrika hat es ihnen besonders angetan. Dort hatten sie über Jahre eine Lodge als Homebase und unternahmen von dort aus wochenlange Touren.

«Wir haben aber gemerkt, dass es noch so viele schöne Länder und Ecken auf der Welt zu entdecken gibt und haben die Lodge nach Jahren wieder verkauft, um noch andere Kontinente zu bereisen», sagt Silvia Berger.

Auch vom Iran und der Gastfreundschaft dort schwärmt das Paar. «Ist man selber vor Ort und lernt Menschen persönlich kennen, gibt das ein anderes Bild als aus den Medien.»

Die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft von Einheimischen in allen bereisten Ländern erwähnen Bergers immer wieder. «Da könnten noch einige Schweizer etwas lernen», meint Werner Berger. Nie seien sie irgendwo in brenzlige Situationen geraten oder hätten sich unwohl gefühlt. Im Gegenteil. «Wo immer wir mit dem Expi auftauchten, fragten uns Einheimische, ob sie uns behilflich sein können und haben uns zu sich nach Hause eingeladen.»

Aus manchen Begegnungen mit Einheimischen auf der ganzen Welt wurden Freundschaften und Kontakte, die Bergers zum Teil seit Jahren weiterhin pflegen.

Eingeschränktes Reisen während der Pandemie

Die erste lange Reise mit ihrem eigenen Expi führte das Ehepaar Berger 2018 durch Kanada. Die letzte grosse Tour haben Bergers von Anfang Dezember 2021 bis Ende Frühling 2022 auf der arabischen Halbinsel bis in die Türkei unternommen.

«Wegen Corona war das Reisen die letzten Jahre schwieriger und wir hatten kaum andere Optionen, als in Europa zu reisen. Darum haben wir erstmals diese organisierte Tour mit einem erfahrenen Veranstalter unternommen, der sich um die Bewilligungen kümmerte.»

Neue Reisepläne mit «alten» Reisefreunden

Ihr nächstes Abenteuer ist bereits geplant. Im Oktober wird ihr Expi von Hamburg nach Uruguay verschifft. Im Dezember fliegen Silvia und Werner Berger dann ebenfalls nach Uruguay, wo sie ihr Expi in Empfang nehmen und Richtung Norden nach Bolivien und weiter nach Argentinien fahren. Dort werden sie auf das befreundete Schweizer Ehepaar Renate und Bruno Furer treffen, das schon seit über 20 Jahren mit seinem LKW unterwegs ist.

Gemeinsam werden die befreundeten Schweizer Paare einen Teil der Reise unternehmen, bis sie sich ihre Wege wieder trennen. «Das letzte Mal, als wir in Argentinien unterwegs waren, mussten wir wegen der Pandemie das Land vorzeitig verlassen. Die geschlossenen Grenzen und Flughäfen waren ein aussergewöhnliches und unerfreuliches Abenteuer.»

Umso mehr freuen sich Bergers jetzt, dass sie mit ihrem Expi das Land noch einmal zu bereisen und neue Gegenden in aller Ruhe entdecken können. Silvia Berger: «Zu reisen, ohne jeden nächsten Schritt zu planen, ist ein Privileg der Langzeitreisenden und wir sind uns dessen bewusst. Es heisst aber auch verzichten zu lernen. Wir haben lange darauf hingearbeitet.»

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