Zürcher Vermieter nutzt Wohnungsnot mit dreister Forderung aus
27'000 Franken Kaution in bar!

Als Vermieter kann man sich in den Städten fast alles erlauben, Wohnungsnot sei Dank. Ein Zürcher Vermieter hat den Bogen nun aber eindeutig überspannt. Er verlangt von einer Familie fast 27'000 Franken Kaution – bar auf die Hand.
Publiziert: 02.04.2018 um 23:25 Uhr
|
Aktualisiert: 17.01.2024 um 14:03 Uhr
Michael Sahli

Der Schweizer Mietwohnungsmarkt ist aus dem Gleichgewicht. Auf dem Land suchen Immobilienfirmen händeringend nach Bewohnern für Neubausiedlungen. Interessenten werden mit Gratis-Flachbildschirmen und Mieterlass geködert. Ganz anders das Bild in den grossen Zentren. Dort sind die Vermieter die Könige, die Mieter die Bittsteller, die sich alles bieten lassen müssen. Um in einer Stadt wie Zürich an eine Wohnung zu kommen, müssen Mieter alles offenlegen: Arbeitszeugnisse, Leumund, Steuererklärung. Doch manchen Vermietern genügt das nicht. Sie verlangen horrende Kautionen.

Das musste nun auch Familie D.* aus Zürich schmerzlich erfahren. Weil das aktuelle 70-Quadratmeter-Zuhause für die Eltern mit drei Kindern zu klein geworden ist, sucht Mutter Fiona* (48) seit einiger Zeit eine bezahlbare Wohnung in der Stadt.

Nun dachte die Familie, endlich fündig geworden zu sein. «Die Wohnung ist mit knapp 3000 Franken Monatsmiete zwar am oberen Limit dessen, was wir bezahlen können.» Aber: «Meine drei Jungs – der jüngste im Kindergarten, der älteste in der ersten Sek. – müssen sich momentan ein Zimmer teilen. Langsam sind sie in einem Alter, wo das nicht mehr geht», so die Tessinerin.

Knapp 3000 Franken Miete würde die Wohnung am Stadtrand von Zürich kosten.
Foto: Philippe Rossier
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«Wären Sie bereit, neun Monatsmieten Kaution zu zahlen?»

D. bewirbt sich also für die Soussol-Wohnung mit vier Zimmern am Zürcher Stadtrand. «Der Vermieter hat viele Auskünfte verlangt, was ich auch verstehe.» BLICK liegt die Korrespondenz vor. Das Ehepaar D. – der aus Kuba stammende Mann ist zu 100 Prozent arbeitstätig, die Mutter bleibt bei den Kindern zu Hause – gibt offen Auskunft. Arbeitszeugnisse, Betreibungsregisterauszug, Lebenslauf: alles im grünen Bereich. Nebst den Einkünften des Ehemanns kommen noch Einkünfte von einer Ferienwohnung im Tessin dazu, welche die Familie vermietet.

Das reicht dem Vermieter, einer Privatperson, als Einkommen aber noch nicht. Deshalb fordert er: «Wären Sie bereit, Ihre Steuererklärung offenzulegen, damit wir Ihre Vermögenslage einschätzen können?»

Dann kommt der Hammer. «Vorausgesetzt, wir kommen zum Schluss, dass Sie Vermögen haben: Wären Sie bereit, eine Mietkaution von neun Monatsmieten zu zahlen (direkt cash bei uns als Vermieter zu deponieren)?» Konkret: Familie D. soll dem Vermieter fast 27'000 Franken auf den Tisch legen – nicht wie üblich auf ein Sperrkonto, sondern direkt. Ansonsten könne er die Bewerbung nicht «bis zum Schluss im Rennen lassen», droht der Vermieter.

Der Vermieter weiss eigentlich, dass die Kaution illegal ist

Darauf kann das Ehepaar D. nicht eingehen: «Die absurde Kaution ist ja das eine – aber dann noch bar und direkt an den Vermieter? Das können und wollen wir nicht.»

Der Vermieter selber sieht sich tatsächlich im Recht: «Ich hätte der Familie auch einfach eine neutral formulierte Absage schicken können.» Er habe ihr, weil er selber Familienvater sei, mit der Kaution gar entgegenkommen wollen. BLICK hakt nach: Wieso soll die Kaution «direkt cash» an den Vermieter überwiesen werden? «Ich habe kein Kautionskonto eröffnet, weil ich weiss, dass neun Monatsmieten als Kaution nicht erlaubt sind», gibt er freimütig an.

Was haben Sie erlebt?

Monsterkautionen, schräge Extrawünsche und kurzfristige Rauswürfe: Hatten Sie als Mieter ähnliche Erlebnisse? Mussten auch Sie intime Daten preisgeben? Welchen Aufwand mussten Sie betreiben, um als Mieter auserwählt zu werden? Melden Sie sich bei redaktion@blick.ch oder per Whatsapp auf der Nummer 079 813 80 41.

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Die erstaunlich offene Einschätzung teilt auch der Schweizerische Mieterverband. «Diese Praxis ist klar illegal», fasst es Rechtsberater Ruedi Spöndlin (65) zusammen. «Maximal erlaubt sind drei Monatsmieten – überwiesen auf ein Kautionskonto.» Auch ist dem Mietrechts-Experten kein ähnlicher Fall bekannt. «Dass sich der Vermieter die Kaution auf ein Privatkonto überweisen lässt, kommt ab und zu noch vor. An einen Fall, wo neun Monatsmieten verlangt wurden, kann ich mich aber nicht erinnern.»

Dazu kommt: Theoretisch hätte die Familie den Vertrag einfach unterzeichnen – und die Kaution danach zurückfordern können. «Wäre der Vermieter darauf nicht eingegangen, hätte man das bereits überwiesene Geld sogar als Mietvorschuss abrechnen können.»

Ob sich mittlerweile jemand fand, der die Monsterkaution auf den Tisch legte, ist nicht bekannt.

* Name geändert 

Das sind Ihre Rechte

Wer sich in der Schweiz eine begehrte Wohnung ergattern will, durchläuft nicht selten eine Tortur. Neben überrissenen Kautionsforderungen nimmt die Datensammelwut der Vermieter stetig zu. Oft gehen die Anforderungen weit über das Vorlegen eines Betreibungsregisterauszugs, wie es der Hauseigentümerverband empfiehlt, hinaus.

Wem und unter welchen Umständen ein Vermieter den Zuschlag erteilt, bleibt seine Sache. Wer das Spielchen nicht mitspielt, kann von Mitbewerbern ausgestochen werden. Ein weiteres Problem: Häufig nutzen Hausbesitzer nach dem Auszug des Vormieters die Gelegenheit, um den Mietzins in die Höhe zu schrauben. Eine Obergrenze gibt es dafür nämlich nicht.

«Grundsätzlich darf der Vermieter den Mietzins aber nur erhöhen, wenn er entsprechend in die Wohnung investiert und damit auch ihren Wert vermehrt hat», erklärt Mietrechtsexperte Tobias Bonnevie-Svendsen. Ist dies nicht der Fall, lässt sich die Miete anfechten.

Auch im laufenden Mietverhältnis kann der Vermieter mehr Mietzins einfordern. Er muss dafür aber die Kündigungsfristen wahren und ein vom Kanton genehmigtes Formular vorlegen. Regelmässig wird bei Nebenkostenabrechnungen geschummelt. Denn nur selten werden die exakten Kosten transparent ausgewiesen. Im Zweifelsfall hat der Mieter aber das Recht, eine detaillierte Auflistung anzufordern.

Darüber hinaus sind auch Reparaturen ein heisses Eisen: Bis zu einem Betrag von 200 Franken hat der Mieter dafür aufzukommen, erst danach steht der Vermieter in der Pflicht.

Mietrechtsexperte Tobias Bonnevie-Svendsen
Mietrechtsexperte Tobias Bonnevie-Svendsen
ZVG

Wer sich in der Schweiz eine begehrte Wohnung ergattern will, durchläuft nicht selten eine Tortur. Neben überrissenen Kautionsforderungen nimmt die Datensammelwut der Vermieter stetig zu. Oft gehen die Anforderungen weit über das Vorlegen eines Betreibungsregisterauszugs, wie es der Hauseigentümerverband empfiehlt, hinaus.

Wem und unter welchen Umständen ein Vermieter den Zuschlag erteilt, bleibt seine Sache. Wer das Spielchen nicht mitspielt, kann von Mitbewerbern ausgestochen werden. Ein weiteres Problem: Häufig nutzen Hausbesitzer nach dem Auszug des Vormieters die Gelegenheit, um den Mietzins in die Höhe zu schrauben. Eine Obergrenze gibt es dafür nämlich nicht.

«Grundsätzlich darf der Vermieter den Mietzins aber nur erhöhen, wenn er entsprechend in die Wohnung investiert und damit auch ihren Wert vermehrt hat», erklärt Mietrechtsexperte Tobias Bonnevie-Svendsen. Ist dies nicht der Fall, lässt sich die Miete anfechten.

Auch im laufenden Mietverhältnis kann der Vermieter mehr Mietzins einfordern. Er muss dafür aber die Kündigungsfristen wahren und ein vom Kanton genehmigtes Formular vorlegen. Regelmässig wird bei Nebenkostenabrechnungen geschummelt. Denn nur selten werden die exakten Kosten transparent ausgewiesen. Im Zweifelsfall hat der Mieter aber das Recht, eine detaillierte Auflistung anzufordern.

Darüber hinaus sind auch Reparaturen ein heisses Eisen: Bis zu einem Betrag von 200 Franken hat der Mieter dafür aufzukommen, erst danach steht der Vermieter in der Pflicht.

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