«Wir mussten 9 Jahre auf unsere Betriebsbewilligung warten»
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Auswanderer-Traum in Spanien:«Wir mussten 9 Jahre auf unsere Betriebsbewilligung warten»

Auswanderer-Traum in Spanien
Schweizer Paar baut altes Gebäude zum Traumhaus um

2007 haben Thomy Schallenberger (57) und Jean-Philippe Dousse (54) ihre Zelte in der Schweiz abgebrochen und sich in Spanien eine neue Existenz aufgebaut. In einem Landhaus bei Alicante haben sie sich ihren Traum verwirklicht.
Publiziert: 04.07.2021 um 13:25 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2021 um 16:01 Uhr
Corine Turrini Flury

«Auswandern war eigentlich nicht geplant. Das hat sich einfach so ergeben», erzählt Thomy Schallenberger (57). Er und sein Partner Jean-Philippe Dousse hätten sich auch vorstellen können, ein Bed and Breakfast im Tessin oder in der Westschweiz zu eröffnen. «Diesen Traum konnten wir uns in der Schweiz aber nicht leisten», so Dousse.

Thomy Schallenberger, ehemaliger Zürcher Gastronom und Inhaber der Szene-Bar Pigalle im Zürcher Niederdorf, hatte genug von der Nachtarbeit. Mit seinem Partner war er schon länger auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung.

Im Pigalle haben sich die beiden 2005 kennengelernt und verliebt. «Zwei Jahre haben wir gemeinsam in der Bar gearbeitet und in Zürich zusammen gelebt, bevor wir uns nach Spanien wagten.»

Dieses kleine Paradies haben sich die Schweizer Thomy Schallenberg und Jean-Philippe Dousse in Barbarroja, im Hinterland von Elche geschaffen. Das über 200-jährige Landhaus haben die Schweizer mit lokalen Handwerkern und Unterstützung von Freunden in ihrer neuen Heimat Spanien umgebaut.
Foto: zVg
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Wenig Geld aber viel Mut

In Algueña, in der Nähe von Alicante, kauften die beiden 2007 ein kleines Gästehaus. «Ich kannte ausser Ibiza und Gran Canaria nichts in Spanien, und darum haben wir uns das zuerst einmal vor Ort angeschaut», erzählt Schallenberger.

Kein Jahr später waren die Koffer gepackt. «Unser neues Leben begann in einem kleinen, spanischen Dorf, ohne Sprachkenntnisse, ohne Geld und mit viel Mut.»

Im Dorf wurden die Schweizer herzlich aufgenommen und hatten auch als schwules Paar nie Probleme. «Wir leben in einer Gegend, in der sich viele Ausländer aus ganz Europa niedergelassen haben. Hauptsächlich aus England, Holland oder Belgien. Das macht das Leben abwechslungsreich und farbig, was wir sehr lieben», so Dousse.

Trauung durch die Bürgermeisterin

2010 gaben sich Schallenberger und Dousse unter der spanischen Sonne das Ja-Wort. Getraut wurden sie von der Bürgermeisterin persönlich. «Es war ein sehr schönes Fest mit über 100 Personen», erzählt Schellenberger.

In den ersten Jahren lebte das Paar mehrheitlich von Feriengästen aus dem Freundes- und Familienkreis. «Ohne diese Starthilfe hätte unser Abenteuer wohl nach ein bis zwei Jahren ein jähes Ende genommen.» Inzwischen konnten sich die Schweizer etablieren und haben viele Stammgäste aus unterschiedlichen Ländern für sich gewonnen.

Historisches Haus fortlaufend umgebaut

2011 kauften sich Schallenberg und Dousse ein Grundstück von 2600 Quadratmetern mit einem über 200-jähriges Landhaus in Barbarroja, im Hinterland von Elche. Mit lokalen Handwerkern und Unterstützung von Freunden bauten sie es um.

Das kleine und abgelegene Gästehaus mit Restaurant lief so gut, dass die beiden Schweizer zeitweise am Rande eines Burnouts standen und darum beschlossen, das Restaurant zu schliessen und nur noch für ihre Feriengäste zu betreiben.

Gekocht oder grilliert wird seither in Absprache mit den Feriengästen jeweils ein Menü pro Tag. Oliven, Granatäpfel, Trauben Feigen und vieles mehr, wachsen auf dem eigenen Grundstück und werden frisch verwendet. «Bei uns geht es sehr familiär zu und her. Bei der Olivenernte helfen auch unsere Gäste manchmal mit und erhalten als ‹Lohn› frisch gepresstes Olivenöl.»

Gesundheitliche Probleme und Ärger mit der Bürokratie

Im Lauf der Jahre gab es für das Paar aber auch Tiefschläge. So erkrankte Thomy Schallenberger an Krebs. «Das Gesundheitssystem in Valencia möchte ich aber loben. Mir geht es wieder gut.»

Auch mit den Behörden hatte das Paar zu kämpfen. Für die definitive Betriebsbewilligung mussten Schallenberger und Dousse sich neun Jahre gedulden. Die provisorische Bewilligung wurde ihnen von einem Tag auf den anderen entzogen, was zwischenzeitlich zur Schliessung ihres Betriebs führte.

«Wir lernten das spanische Bürokratensystem in voller Breitseite kennen. Erst mit Vitamin B und Hilfe von Anwälten haben wir unsere Betriebsbewilligung endlich bekommen», so der Zürcher.

Buchungen ziehen wieder an

Den Entschluss zur Auswanderung haben die beiden aber bis jetzt nicht bereut, auch wenn sie die Corona-Pandemie ohne finanzielle Unterstützung von Familie und Freunden wohl kaum überstanden hätten.

Inzwischen kommen wieder mehr Buchungen rein. Die Region Alicante an der Costa Blanca bietet viel Abwechslung und ist beliebt. Das Haus der Schweizer ist etwa 40 Autominuten vom Meer entfernt. «Die meisten Gäste geniessen vor allem die Ruhe hier im Hinterland und verbringen die Tage und Nächte bei uns am Pool, unternehmen Wanderungen, reiten oder degustieren Weine aus der Gegend in nahen Bodegas.»

Neben der schönen Gegend, dem Wetter und der Selbstständigkeit schätzt das Schweizer Paar vor allem die Lebensqualität in ihrer neuen Heimat. «An die späten Essenszeiten am Abend haben wir uns noch immer nicht gewöhnt, aber eine tolle Erfindung der Spanier ist die Siesta», so Schallenberger lachend. Sagts und verabschiedet sich zur Mittagspause im Schatten.

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