Schweizer Teleskop
«Solar Orbiter» auf dem Weg zur Sonne

Zum ersten Mal soll eine Raumsonde die bislang unbekannten Polregionen der Sonne beobachten. Mit an Bord des «Solar Orbiter» ist auch ein an der FHNW entwickeltes Röntgenteleskop. Die Mission ist am frühen Montagmorgen erfolgreich gestartet.
Publiziert: 10.02.2020 um 15:53 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2020 um 10:02 Uhr

«Solar Orbiter» hob an Bord einer «Atlas V»-Rakete kurz nach 5.00 Uhr (MEZ) von Cape Canaveral ab. Ziel der auf sieben Jahre angelegten Mission ist es, Sonneneruptionen, das davon bestimmte Weltraumwetter und die Auswirkungen auf die Erde besser zu verstehen. Auch die bisher kaum erforschten Polarregionen der Sonne stehen im Fokus.

Mithilfe der Anziehungskräfte von Erde und Venus soll sich der «Solar Orbiter» aus der Ekliptikebene herausschwingen, auf der mehr oder weniger alle Planeten um unser Zentralgestirn kreisen, und die Sonne aus einer neuen Perspektive betrachten: von oben und von unten. Die Mission steht unter der Federführung der europäischen Raumfahrtagentur Esa, mit starker Beteiligung des US-amerikanischen Pendants Nasa.

Wie funktioniert das Teleskop?

Die Raumsonde «Solar Orbiter» muss auf der zur Sonne gewandten Seite über 500 Grad Celsius aushalten. Ein massiver Hitzeschild aus Titan mit einer speziellen Schutzschicht bewahrt die Instrumente an Bord vor Schaden. Durch «Gucklöcher» können jedoch fünf davon einen direkten Blick auf die Sonne richten.

Mit dieser Atlas V Rakete ist der «Solar Orbiter» am Montag Morgen 5:00 Uhr (MEZ) in Richtung Sonne gestartet.
Foto: imago images/UPI Photo
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Durch eines dieser Löcher, geschützt durch eine für Röntgenstrahlen durchlässige Metallscheibe, soll STIX (Spectrometer Telescope for Imaging X-rays) Röntgenbilder der Sonne aufnehmen. Die Metallscheibe des STIX-Gucklochs hält den Grossteil der Hitze zurück: Nur noch etwa 50 Grad erreichen das Teleskop.

Aufgebaut ist das Teleskop aus 32 Röntgendetektoren, vor die je zwei Metallgitter aus Wolfram montiert sind. «Die Gitter werfen quasi Schatten auf die Detektoren. Und weil wir für jeden Detektor eine andere Konfiguration der Gitter gewählt haben, können wir aus den Schatten das Röntgenbild errechnen», erklärte Säm Krucker von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

10 Jahre Konstruktion und Bau

Die Idee für das Röntgenteleskop hatte Krucker bereits vor 18 Jahren. Während der letzten zehn Jahre bereitete er mit seinem Team und in Zusammenarbeit mit Industriepartnern die Hard- und Software für STIX vor. Mit seiner Gruppe leitet Krucker auch die Analyse der Daten, die STIX, beziehungsweise die Raumsonde «Solar Orbiter», zur Erde zurück funken wird. Mit den ersten wissenschaftlichen Daten ist Ende 2021 zu rechnen.

Wie nahe kommt «Solar Orbiter» der Sonne?

Die Nasa erforscht derzeit mit ihrer «Parker Solar Probe» die Sonne aus bisher unerreichter Nähe. Das bedeutet jedoch auch Einschränkungen: Die Nasa-Sonde kann keine Kameras direkt auf unser Zentralgestirn richten, wie Mark McCaughrean, Leitender Berater für Wissenschaft und Erforschung bei der Esa, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte. «Solar Orbiter» komme der Sonne nicht ganz so nah, könne dafür aber Kameras auf sie richten. Und habe ein breiteres Spektrum an Instrumenten an Bord.

Zehn Instrumente trägt der «Solar Orbiter» bis auf etwa 45 Millionen Kilometer an die Sonne heran. Das ist rund ein Viertel der Sonne-Erden-Distanz und näher als der sonnennächste Planet Merkur um unser Zentralgestirn kreist.

Was soll die «Solar Orbiter»-Mission erforschen?

Im Fokus steht dabei die Frage, wie sich bei Sonneneruptionen grosse Mengen geladener Teilchen auf sehr hohe Geschwindigkeiten beschleunigen und im Weltraum ausbreiten, sagte Krucker gegenüber Keystone-SDA. Der Sonnenwind - der stetige Strom geladener Teilchen, den die Sonne ins All entlässt - wird in solchen Fällen zu einem Sonnensturm. Das kann sich einerseits in ausgeprägten Polarlichtern äussern, andererseits können solche Sonnenstürme auch Störungen an Satelliten, Flugzeugen oder auch Stromnetzen bewirken, wie die FHNW in einer Mitteilung festhielt.

Forschende beobachten das Magnetfeld der Sonne genau, um das Weltraumwetter vorherzusagen. Weil jedoch der Blick auf die Polregionen bisher fehlte, bestehen Lücken in den Vorhersage-Modellen. Die Daten des Solar Orbiter sollen diese Lücken schliessen helfen. «Wir wissen nicht, wie Nord- und Südpol der Sonne aussehen», so McCaughrean. Die Pole von Jupiter und Saturn seien sehr seltsam, vielleicht sei dies auch bei der Sonne der Fall.

Erste Messungen in 2021

Hinter der 1,5 Milliarden Euro-Mission steckt aber auch die Suche nach Antworten auf eines der grossen Rätsel der Sonnenphysik: Die Oberfläche der Sonne ist nur etwa 6000 Grad heiss, die Sonnenatmosphäre hingegen weist mehrere Millionen Grad auf.

Dieses paradox erscheinende Phänomen geht darauf zurück, dass die Sonne ein Dynamo ist und ein Magnetfeld erzeugt, wie Krucker gegenüber Keystone-SDA erklärte. «Wenn magnetische Energie in kinetische Energie umgewandelt wird, kann man heizen.» Noch sei allerdings unklar, wie diese Umwandlung geschehe. Hierzu soll STIX gemeinsam mit den anderen Instrumenten wertvolle Daten liefern, darunter ein Magnetometer, Teilchendetektoren, eine Extrem-Ultraviolett-Kamera und weitere Bildgebungsinstrumente.

Bis dahin muss die Sonde jedoch noch einen weiten Weg zurücklegen: Knapp zwei Jahre braucht «Solar Orbiter» für den Flug inklusive Swing-By-Manövern, um den geplanten Orbit um die Sonne zu erreichen. Unterwegs sollen die Instrumente jedoch bereits aktiv sein und Tests durchlaufen. Voraussichtlich im November 2021 sollen die wissenschaftlichen Messungen beginnen. (SDA)

Meilensteine der Raumfahrtgeschichte

Satelliten, die um die Erde kreisen, und Menschen auf dem Mond: Die Eroberung des Weltraums war immer auch ein Wettlauf der Supermächte um Prestige und militärische Vorherrschaft.

  • Oktober 1957: Mit «Sputnik 1» schiesst die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten ins All. Die USA sind geschockt.
  • November 1957: Die Hündin «Laika» ist das erste Lebewesen in der Umlaufbahn. An Bord von «Sputnik 2» umkreist sie die Erde.
  • April 1960: Die USA starten den ersten Wettersatelliten.
  • April 1961: Der Russe Juri Gagarin ist der erste Mensch im All.
  • Juni 1963: Die Russin Valentina Tereschkowa ist die erste Frau im Weltraum.
  • März 1965: Als erster Mensch verlässt der Russe Alexej Leonow sein Raumfahrzeug und schwebt zehn Minuten frei im All.
  • Juli 1969: Neil Armstrong (USA) betritt als erster Mensch den Mond.
  • April 1971: Die Sowjets errichten die erste Raumstation «Saljut 1».
  • Mai 1973: Die USA nehmen die Raumstation «Skylab» in Betrieb.
  • Juli 1976: Die erste «Viking»-Sonde der NASA landet auf dem Mars.
  • April 1981: Mit «Columbia» fliegt von Cape Canaveral aus die erste wiederverwendbare Raumfähre in den Weltraum.
  • Januar 1986: Kurz nach dem Start explodiert die US-Raumfähre «Challenger». Sieben Menschen an Bord sterben.
  • April 1990: Eine Raumfähre bringt das Weltraum-Teleskop «Hubble» in eine Umlaufbahn um die Erde, um entfernte Galaxien zu erforschen.
  • Juli 1992: Als erster und bisher einziger Schweizer Astronaut startet Claude Nicollier zu einer Mission ins All.
  • November 1998: Der Bau der Raumstation ISS wird begonnen. 16 Länder sind an dem Projekt beteiligt.
  • April 2001: Der US-Millionär Dennis Tito fliegt als erster Weltraum-Tourist zur ISS.
  • Februar 2003: «Columbia» zerbricht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Die sieben Astronauten sterben.
  • Juli 2011: Mit dem Flug der Raumfähre «Atlantis» endet eine Ära. Die NASA stoppt das Programm, die Space Shuttles wandern ins Museum.
  • Januar 2019: Erstmals in der Geschichte ist eine Raumsonde auf der Rückseite des Mondes gelandet. Die chinesische «Chang'e 4» führt mit sich ein Roboterfahrzeug, das das Terrain erkunden soll.
  • Februar 2019: Israel hat erstmals eine Raumsonde zum Mond geschickt. Das kleine Israel will nach den Grossmächten USA, Russland und China das vierte Land werden, das mit einem Raumschiff auf dem Mond landet. Bei einer erfolgreichen Landung wäre «Beresheet» zudem das erste privat finanzierte Mini-Raumschiff, das die Oberfläche eines anderen Himmelskörpers erreicht.
  • März 2019: Die Raumkapsel «Crew Dragon» von Elon Musks SpaceX dockt erfolgreich an der ISS an. Es ist das erste Mal, dass ein privat gebauter und betriebener Crew-Transporter von US-Boden zur ISS fliegt. Musks Firma ebnet somit den Weg für zukünftige Passagierflüge ins Weltall
  • Mai 2020: Erstmals seit neun Jahren sind wieder Astronauten von den USA aus zur Raumstation ISS gestartet – und erstmals mithilfe eines privaten Raumfahrtunternehmens. Die US-Raumfahrer Robert Behnken und Douglas Hurley hoben am Samstag in einer «Crew Dragon»-Raumkapsel mit einer «Falcon 9»-Rakete von SpaceX vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab.

Satelliten, die um die Erde kreisen, und Menschen auf dem Mond: Die Eroberung des Weltraums war immer auch ein Wettlauf der Supermächte um Prestige und militärische Vorherrschaft.

  • Oktober 1957: Mit «Sputnik 1» schiesst die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten ins All. Die USA sind geschockt.
  • November 1957: Die Hündin «Laika» ist das erste Lebewesen in der Umlaufbahn. An Bord von «Sputnik 2» umkreist sie die Erde.
  • April 1960: Die USA starten den ersten Wettersatelliten.
  • April 1961: Der Russe Juri Gagarin ist der erste Mensch im All.
  • Juni 1963: Die Russin Valentina Tereschkowa ist die erste Frau im Weltraum.
  • März 1965: Als erster Mensch verlässt der Russe Alexej Leonow sein Raumfahrzeug und schwebt zehn Minuten frei im All.
  • Juli 1969: Neil Armstrong (USA) betritt als erster Mensch den Mond.
  • April 1971: Die Sowjets errichten die erste Raumstation «Saljut 1».
  • Mai 1973: Die USA nehmen die Raumstation «Skylab» in Betrieb.
  • Juli 1976: Die erste «Viking»-Sonde der NASA landet auf dem Mars.
  • April 1981: Mit «Columbia» fliegt von Cape Canaveral aus die erste wiederverwendbare Raumfähre in den Weltraum.
  • Januar 1986: Kurz nach dem Start explodiert die US-Raumfähre «Challenger». Sieben Menschen an Bord sterben.
  • April 1990: Eine Raumfähre bringt das Weltraum-Teleskop «Hubble» in eine Umlaufbahn um die Erde, um entfernte Galaxien zu erforschen.
  • Juli 1992: Als erster und bisher einziger Schweizer Astronaut startet Claude Nicollier zu einer Mission ins All.
  • November 1998: Der Bau der Raumstation ISS wird begonnen. 16 Länder sind an dem Projekt beteiligt.
  • April 2001: Der US-Millionär Dennis Tito fliegt als erster Weltraum-Tourist zur ISS.
  • Februar 2003: «Columbia» zerbricht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Die sieben Astronauten sterben.
  • Juli 2011: Mit dem Flug der Raumfähre «Atlantis» endet eine Ära. Die NASA stoppt das Programm, die Space Shuttles wandern ins Museum.
  • Januar 2019: Erstmals in der Geschichte ist eine Raumsonde auf der Rückseite des Mondes gelandet. Die chinesische «Chang'e 4» führt mit sich ein Roboterfahrzeug, das das Terrain erkunden soll.
  • Februar 2019: Israel hat erstmals eine Raumsonde zum Mond geschickt. Das kleine Israel will nach den Grossmächten USA, Russland und China das vierte Land werden, das mit einem Raumschiff auf dem Mond landet. Bei einer erfolgreichen Landung wäre «Beresheet» zudem das erste privat finanzierte Mini-Raumschiff, das die Oberfläche eines anderen Himmelskörpers erreicht.
  • März 2019: Die Raumkapsel «Crew Dragon» von Elon Musks SpaceX dockt erfolgreich an der ISS an. Es ist das erste Mal, dass ein privat gebauter und betriebener Crew-Transporter von US-Boden zur ISS fliegt. Musks Firma ebnet somit den Weg für zukünftige Passagierflüge ins Weltall
  • Mai 2020: Erstmals seit neun Jahren sind wieder Astronauten von den USA aus zur Raumstation ISS gestartet – und erstmals mithilfe eines privaten Raumfahrtunternehmens. Die US-Raumfahrer Robert Behnken und Douglas Hurley hoben am Samstag in einer «Crew Dragon»-Raumkapsel mit einer «Falcon 9»-Rakete von SpaceX vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab.
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