Hashtag #NazisRaus
Auf ein Tweet gegen Rechts folgt ein Shitstorm

Eine ZDF-Reporterin twittert «Nazis raus» und erntet dafür einen Shitstorm. Rechte decken sie mit Drohungen ein, Medien und Politiker solidarisieren sich mit ihr. Der Fall zeigt: Der sicher geglaubte demokratische Konsens in Deutschland bröckelt.
Publiziert: 12.01.2019 um 19:16 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2019 um 16:34 Uhr
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Zwei Worte spalten Deutschland. Grosse Medien wie der «Spiegel» oder die ARD twitterten sie, genauso wie Boris Becker, Aussenminister Heiko Maas und etliche Bundesliga-Klubs: «Nazis raus». Die Parole war vergan­gene Woche der meistgebrauchte Hashtag im deutschsprachigen Raum.

Hintergrund ist eine Welle der Solidarität mit ZDF-Reporterin Nicole Diekmann. Sie schrieb die zwei Worte am Neujahrstag auf dem Kurznachrichtendienst und erntete dafür einen Shitstorm. Auf die Nachfrage «Wer ist denn für Sie ein Nazi?» antwortete sie ironisch: «Jeder, der nicht die Grünen wählt.»

Plötzlich steht die Demokratie wieder zur Debatte

Seitdem wird sie unter einer Hass-lawine begraben. Rechte werfen ihr Hetze gegen «Andersdenkende» vor. Wünschen ihr, sie möge vergewaltigt, verstümmelt, erschossen werden. Gemässigtere nennen sie «Abfall», der entsorgt werden müsse.

Foto: Dieser Tweet brachte der ZDF-Jorunalistin Nicole Diekmann einen Shitstorm und Drohungen von Rechten ein.
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Die übliche Empörungslogik in sozialen Medien? Mitnichten.
Dass heutzutage gar diese zwei Worte in den Ohren vieler eine Provokation darstellen, zeigt, wie der gesellschaftliche Konsens bröckelt. Im Jahr 2019 diskutiert der Nachfolgestaat des Dritten Reichs darüber, ob man «Nazis raus» noch sagen darf.

Da hat sich der öffentliche Diskurs in Teilen der Gesellschaft offensichtlich so weit nach rechts verschoben, dass die Demokratie plötzlich wieder zur Debatte steht.

Der Ausdruck steht schlicht für eine Selbstverständlichkeit: Den Nationalsozialismus und seine Ideologie wollen wir hier nicht. Eine Ideologie, so viel sei in Erinnerung gerufen, die für Diktatur steht, für Diskriminierung und den ­millionenfachen Mord an den ­Juden – das schlimmste Verbrechen der Neuzeit.

Besonders umstritten ist – und das weit ins bürgerliche Lager hinein –, dass auch grosse Medienmarken sich an der Solidaritätskampagne für Nicole Diekmann beteiligen. Dass von der ARD-Tagesschau bis hin zum TV-Sender Vox alle das Gleiche twittern: «Nazis raus.»

Der Shitstorm richtet sich deshalb auch gegen sie, die «Systempresse», wie es viele Rechte schreiben. Eine Wortschöpfung der 
Nationalsozialisten. Die Medien würden rückgratlos nur einer einzigen politischen Meinung nachrennen.

Mitten in die Debatte um den Tweet von Diekmann platzte vergangene Woche auch noch der mutmasslich politisch motivierte Angriff auf den AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz in Bremen. Drei Vermummte schlugen diesen mitten auf der Strasse zusammen, er landete schwer verletzt im Spital.

Die Polarisierung der Gesellschaft schreitet voran. Es scheint, als würden sich zwei politische Lager immer unversöhnlicher gegenüberstehen. Doch dabei geht vergessen: Mit links oder rechts hat das alles wenig zu tun. Vielmehr geht es um Haltung. Um ein Bekenntnis zum Rechtsstaat, gegen Menschenverachtung und eben: für die Demokratie. Nationalsozialismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Genauso wie der feige Übergriff auf den AfD-Politiker 
Magnitz.

Das ZDF stellt sich 
hinter seine Reporterin

Eine Stütze der Demokratie ist Toleranz. Diese sollte nicht so weit überdehnt werden, dass man Leute toleriert, die die Toleranz abschaffen wollen.

Das ZDF stellte sich denn auch hinter seine Reporterin. Der öffentlich-rechtliche Sender liess verlauten: «Die Äusserungen von Frau Diekmann sind durch die Meinungsfreiheit geschützt und rechtfertigen in keiner Weise die Drohungen, denen unsere Mitarbeiterin ausgesetzt ist.» Gut so.
Zuletzt sei folgende Frage erlaubt: Wer bitte schön fühlt sich von einem «Nazis raus» persönlich angegriffen? Eigentlich doch nur Nazis selbst.

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