Meeressäuger unter Beschuss
Wie sich die Waljagd in Japan auswirken wird

Japan startet den kommerziellen Walfang nach 30 Jahren erneut. 227 Wale stehen auf der Todesliste – doch nicht bei allen muss das problematisch sein.
Publiziert: 06.07.2019 um 14:29 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2019 um 10:45 Uhr
Katrin Schregenberger @higgsmag

Japan tat es zwar schon länger, nun ist es aber offiziell: Wale jagen. Das Land ist seit Sonntag nicht mehr Teil der Internationalen Walfangkommission (IWC) und muss sich deshalb auch nicht mehr an das Moratorium halten, das die Meeressäuger unter Schutz stellt. Für Japan heisst das lediglich, dass es die Waljagd nicht mehr unter dem Deckmäntelchen der Forschung verstecken muss. Gejagt wird nicht mehr in der Antarktis, sondern an den eigenen Küsten.

227 Wale hat das Fischereiministerium freigeben – die «Wissenschaftler» durften jeweils 330 Wale erlegen. Auf der Todesliste stehen 25 Seiwale, 52 Zwergwale und 150 Brydewale. Als vom Aussterben bedroht gilt allein der Seiwal, 50'000 Exemplare soll es laut Zählungen noch geben. Die Bestände der anderen beiden Arten sind stabil oder gar ansteigend.

Drei Fakten zum Walfang in Japan
  • 30 Jahre kein kommerzieller Walfang in Japan
    Letzten Montag startete Japan wieder mit dem kommerziellen Walfang. Bis dahin wurden Wale zu «wissenschaftlichen Zwecken» getötet, das Fleisch dennoch verzehrt. Nun stieg Japan aus der internationalen Walfangkommission aus. Begründung: Die Bestände hätten sich erholt.
  • 227 Wale soll Japan dieses Jahr töten dürfen
    Das Fischereiministerium erliess für das laufende Jahr eine Fangquote
    für drei Walarten (Zwergwale, Seiwale, Brydewale). Das ist weniger als zuvor, zudem ist das Fanggebiet auf die japanische Küste beschränkt. So sehen manche im kommerziellen Walfang einen Fortschritt.
  • 200 000 Tonnen Walfleisch assen Japaner im Jahr
    Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Japan Nahrungsmittelknappheit, das Fleisch der Meeressäuger war eine wichtige Proteinquelle. In letzter Zeit lag der Jahreskonsum noch bei 5000 Tonnen, das Fleisch ist nicht mehr beliebt. Sinkt die Nachfrage weiter, naht das Ende der Industrie sowieso.
  • 30 Jahre kein kommerzieller Walfang in Japan
    Letzten Montag startete Japan wieder mit dem kommerziellen Walfang. Bis dahin wurden Wale zu «wissenschaftlichen Zwecken» getötet, das Fleisch dennoch verzehrt. Nun stieg Japan aus der internationalen Walfangkommission aus. Begründung: Die Bestände hätten sich erholt.
  • 227 Wale soll Japan dieses Jahr töten dürfen
    Das Fischereiministerium erliess für das laufende Jahr eine Fangquote
    für drei Walarten (Zwergwale, Seiwale, Brydewale). Das ist weniger als zuvor, zudem ist das Fanggebiet auf die japanische Küste beschränkt. So sehen manche im kommerziellen Walfang einen Fortschritt.
  • 200 000 Tonnen Walfleisch assen Japaner im Jahr
    Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Japan Nahrungsmittelknappheit, das Fleisch der Meeressäuger war eine wichtige Proteinquelle. In letzter Zeit lag der Jahreskonsum noch bei 5000 Tonnen, das Fleisch ist nicht mehr beliebt. Sinkt die Nachfrage weiter, naht das Ende der Industrie sowieso.
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Der Zwergwal gehört zu den Arten, die als nicht gefährdet gelten.
Foto: Flickr/Wade Lehmann
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Die Jagd könnte das Ökosystem komplett verändern

Stimmt es also, wie Japan propagiert, dass die Waljagd kein Problem darstellt? Holger Auel, Meeresbiologe am Marine Ecology Center for Research der Universität Bremen, relativiert. Ob die Jagd die Tiere gefährde, hänge von zwei Faktoren ab. Erstens von der Reproduktionsrate einer Art: Bei Säugetieren ist diese generell tief. Der Seiwal zum Beispiel bringt alle zwei oder drei Jahre ein Jungtier zur Welt. Im Vergleich zu Fischen, die Millionen von Eiern legen, ist das ein Schneckentempo. Zudem müssen andere Todesursachen bedacht werden: Wale kommen bei Kollisionen mit Schiffen um oder werden von Krankheiten dahingerafft. Um die Wale nicht zu gefährden, muss die Fangquote also weit unter ihrer Reproduktionsrate liegen.

Zweitens kommt es darauf an, ob man die globalen oder lokalen Populationen im Blick hat. «Es kann sein, dass ein globaler Bestand die Jagd tolerieren könnte, ein lokaler aber nicht.» Die Jagd könnte also dazu führen, dass die Populationen in gewissen Gebieten aussterben – was das Ökosystem komplett verändern würde. Und die Geschichte zeigt, dass dezimierte Bestände Jahrzehnte brauchen, um sich zu regenerieren. Gewisse Arten und Populationen haben sich von den Walfangorgien des 20. Jahrhunderts bis heute nicht erholt. Allerdings ist die Jagd angesichts Überfischung, Lärmverschmutzung und Klimawandel nicht die grösste Gefahr für die Meeressäuger.

Dänemark und Norwegen schlachten die meisten Wale

Wenn aber nachhaltig gejagt würde – also wenn die Fangquote weit unter der Reproduktionsrate liegt –, dann spreche aus wissenschaftlicher Sicht grundsätzlich nichts gegen Walfang. Ob es ethisch vertretbar sei und wirtschaftlich Sinn mache, sei allerdings eine andere Frage. Beim japanischen Walfang geht es jedoch kaum ums Geschäft, sondern um die Rückbesinnung auf Traditionen.

Was in der hitzigen Diskussion um den Walfang sowieso oft vergessen geht: Nicht Japan ist die gefährlichste Nation für Wale, sondern Dänemark. Auf den autonomen Färöern werden jährlich rund 800 Wale geschlachtet. Noch mehr Wale gibt die norwegische Regierung jeweils zur Jagd frei: 1278 Tiere pro Saison. Dass in Norwegen letztes Jahr aber nur 434 Tiere tatsächlich erlegt wurden, zeigt vor allem eines: Auch Traditionen können aussterben.

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