«Ich war naiv»
Schweizer baut nachhaltigen Kaffee in Peru an

Fairer Kaffee, faire Löhne: Der Zürcher Thomas Schwegler (45) und seine Frau Gisella (34) bauen nachhaltigen Kaffee in Peru an, der in der Schweiz verkauft wird. Die Arbeit stellt sich als schwieriger heraus, als gedacht.
Publiziert: 31.12.2020 um 17:48 Uhr
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Aktualisiert: 08.04.2021 um 18:07 Uhr
Barbara Ehrensperger

Eine Stunde den Berg hochlaufen, um im Wald die Rechnungen via E-Banking zu bezahlen: So sah der Alltag von Kaffeebauer Thomas Schwegler (45) aus, als er mit seiner Frau Gisella (34) mit dem Kaffeeanbau in Peru begann.

«Ich würde Freunden eher nicht empfehlen, eine eigene Kaffeefarm zu eröffnen. Wir haben vier, fünf Jahre heftig gekämpft – und tun dies heute noch. Ich habe meine Frau seit über einem Jahr nicht mehr gesehen», erzählt Schwegler aus Itschnach ZH im Gespräch mit BLICK.

«Aber als positiver Mensch wollte ich es einfach wagen, aber ich war auch etwas naiv», meint er lachend. Seine Frau Gisella Schwegler hat er so lange nicht mehr gesehen, weil er sich hier in der Schweiz um den Verkauf kümmert und sie in Peru um den Anbau. Doch zu Weihnachten hat das Wiedersehen endlich geklappt.

Thomas Schwegler (45) mit seinem Kaffee.
Foto: Stefan Kaiser
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Nachhaltig anbauen hat seine Tücken

Unter dem Namen «Tropical Mountains» kann man hier in der Schweiz die Kaffee-Produkte des Ehepaars Schwegler kaufen. Schon länger sind diese in kleinen Läden mit Sinn für Nachhaltigkeit erhältlich und seit ein paar Wochen auch in grossen Coop-Filialen zu kaufen.

«Wir haben uns lange gegen Kaffee in Kapseln gewehrt», erzählt Schwegler. «Zu wenig Kaffee drin, nicht nachhaltig». Als sie dann auf kompostierbare Kapseln aus Lignin (auch «Leim des Holzes» genannt) stiessen, haben sie es gewagt. Weil ihnen die Umwelt wichtig ist, geben sie eine genau Anleitung, wie sich die Kapsel am besten abbauen lassen: Man soll die gebrauchten Kapseln in kleine Stücke schneiden und erst dann in den Kompost geben.

Die Natur und die Menschen liegen Schweglers am Herzen. 2012 starten sie mit dem Anbau von zwei Hektaren Kaffee auf den 72 Hektaren Land in der Provinz Chanchamayo – zwölf Fahrstunden nordöstlich von Lima. Das steile Gebiet liegt zwischen 1300 und 1800 Meter über Meer. Von Anfang an haben sie alles nur biologisch angebaut. «Ein Kaffeepilz zerstörte uns mal fast die komplette Ernte», erzählt er.

Das spornte sie eher noch mehr an, es zu schaffen. Denn sie verstehen sich nicht als Firma, die den Bauern Arbeit gibt, sondern als Gemeinschaft. So arbeiten Antonio und seine Frau Carmen seit Jahren mit ihnen.

Ein anderes Beispiel sind die Stoffsäcke, in denen man die Kaffeekapseln bestellen kann: Diese lassen sie von einem Familienunternehmen in Lima herstellen. «Zuerst waren es nur ein paar wenige Säcke, die wir brauchten. Heute nähen sie für uns 6'000 Säcke», sagt Schwegler. Denn mit den Stoffsäcken hat die Näherei ein Auskommen, die Kunden weniger Abfall und die Umwelt wird geschont, da man die Säcke wiederverwenden kann.

Eistee aus Abfall

Schweglers denken aber bereits weiter. Für den Kaffee werden nur die Samen der Kirsche verwendet, die Cascara (spanisch für Schale) wird weggeworfen oder allenfalls als Dünger gebraucht. In Bolivien allerdings wird die Schale getrocknet und als Tee aufgebrüht. Diesen Cascara-Tee bieten die Schweglers nun auch in der Schweiz an. Für die Kaffeebauern bedeutet das ein wertvolles Zusatzeinkommen.

Ab Januar 2021 ist der koffeninhaltige Eistee aus Cascara hier erhältlich: «Seit ein paar Monaten ist er in der Schweiz zugelassen. Wir werden wahrscheinlich die ersten sein, die das feine Getränk in der Deutschschweiz anbieten können», freut sich Thomas Schwegler.

Viel Arbeit, die sich für andere lohnt

Die Ernte-Saison bei Schweglers in Peru ist von Ende Mai bis Oktober, da ihr Kaffee auf unterschiedlichen Höhen wächst. Sieben bis acht Mal müssen sie zu Fuss über ihr ganzes Land gehen, um alle Kaffeebohnen zu ernten. Das schaffen die Schweglers und ihre drei festangestellten Mitarbeitenden nicht. Via Radiostation in Chanchamayo sucht Gisella Schwegler jeweils weitere Helfende – bis zu zwanzig Mitarbeitende arbeiten sich dann auf der Kaffeefarm in vielen Stunden durch die Pflanzen und von 1300 auf 1800 Meter hoch.

Ein Kaffeebauer bekommt heute auf dem Weltmarkt je nach Qualität und Zertifizierung für ein Kilo Kaffeebohnen zwischen 2.50 und 6 Franken. «Aus einem Kilo Kaffee kann man 100 bis 120 Tassen Kaffee machen», rechnet Thomas Schwegler vor. «Ein Restaurant macht also fast 500 Franken Umsatz mit diesem Kilo Kaffee».

Der «Tropical Mountains»-Kaffee kostet aufs Kilo umgerechnet fast 30 Franken. «So können wir unseren Mitarbeitenden anständige Löhne bezahlen», sagt er. Aber ihre Farm sei eigentlich noch lange nicht rentabel, wenn man mit normalen Preisen rechnen würde. Dies, obwohl der Umsatz auf 22 Tonnen Kaffee für dieses Jahr gestiegen ist.

Die Kosten und nötigen Investitionen sind zu hoch und Kaffee werde nach wie vor als billiger Rohstoff gehandelt, anstatt ihm den Wert beizumessen, den der Kaffee verdiene. 20 Millionen Bauern weltweit leben von der Kaffeeproduktion, können aber oft nicht mal ihre Kosten decken.

Klimawandel und Kokain

«Kaffee wird zum Luxusgut», ist Schwegler überzeugt. Denn der Kaffee-Gürtel wird wegen des Klimawandels immer kleiner. «Darum lieber weniger, aber dafür richtig guten Kaffee trinken», meint er.

Auch andere Faktoren, machen das Kaffee-Geschäft nicht immer einfach. So wurde auf einem Containerschiff, auf dem der Kaffee von Schwegler Richtung Europa fuhr, Kokain gefunden. Das Schiff wurde also im Hafen blockiert. Und nichts ging mehr. Telefonieren, herumfragen und vieles mehr half nichts. Zum Glück waren die Abnehmer geduldig. Nach sechs Wochen konnte der Container genommen werden und der Kaffee schaffte es in die Schweiz.

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