50 Jahre Prager Frühling
Als der Sozialismus demokratisiert werden sollte

Die Ereignisse des Jahres 1968 in West- und Osteuropa haben grosse Auswirkungen für die Entwicklung der liberalen Demokratie bis in die Gegenwart.
Publiziert: 21.08.2018 um 11:06 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2018 um 19:11 Uhr

Das trifft sowohl für die Studentenunruhen als auch für den «Prager Frühling» zu, der im August vor 50 Jahren gewaltsam niedergeschlagen wurde. Die Grundidee seiner Betreiber war es, einen «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» zu schaffen.

Der sowjetische Diktator Josef Stalin regierte die Sowjetunion mit eiserner Hand. Auch sein Einfluss auf die Ostblockstaaten war gross. Denn diese hatten in der Regel nur wenig eigene Macht und mussten sich nach der Sowjetunion richten. Das galt natürlich auch für die damalige Tschechoslowakei (CSSR).

Beginn des «Prager Frühlings»

Nach dem Tod Stalins im Jahre 1953 wurden zu Beginn der 1960er-Jahre vorsichtige Wirtschaftsreformen durchgeführt. Zudem wagten es Journalisten und Künstler immer öfter, die Kommunistische Partei und ihre Alleinherrschaft zu kritisieren.

Wütende Jugendliche klettern in Prag auf einen sowjetischen Panzer. Die Bevölkerung demonstrierte gegen den Einmarsch polnischer, bulgarischer, sowjetischer und ungarischer Truppen in die Tschechoslowakei. (Archiv)
Foto: Getty Images / Reg Lancaster
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Unter diesen Vorzeichen wurde Alexander Dubcek im Januar des Jahres 1968 zum Vorsitzenden der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei bestimmt. Mit dem Aufstieg Dubceks begann der so genannte «Prager Frühling».

Es war der Versuch, den Sozialismus zu reformieren und zu demokratisieren. Medien durften wieder frei berichten, Meinungsfreiheit war wieder erlaubt, ebenso waren es Reisen aus der Tschechoslowakei in westliche Länder. Das Machtmonopol der Kommunistischen Partei (KSC) blieb jedoch erhalten; andere Parteien hatten sich unter dem Dach der «Nationalen Front» der Dominanz der KSC zu beugen.

Ein Höhepunkt des Reformprogramms des Prager Frühlings war das «Manifest der 2000 Worte» im Juni 1968. Tschechische Schriftsteller stellten darin den Sozialismus als System und die führende Rolle der Kommunistischen Partei infrage. Die KSC um Dubcek distanzierte sich vom Manifest, ging aber nicht gegen dessen Verfasser vor. Die Partei weigerte sich auch, dem wachsenden Druck der anderen sozialistischen Staaten nachzugeben.

Militärische Intervention in der Tschechoslowakei

So beschlossen fünf Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes - Sowjetunion, Polen, Ungarn, die DDR und Bulgarien - letztlich, den Reformkurs in der Tschechoslowakei militärisch zu beenden.

In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 begann der Einmarsch sowjetischer, polnischer, bulgarischer und ungarischer Truppen in die Tschechoslowakei. Die tschechoslowakische Armee leistete keinen Widerstand, als wichtige Einrichtungen, Radiostationen und Zeitungsredaktionen besetzt wurden.

Hingegen kletterten Menschen auf Panzer, übermalten Strassenschilder, um den Soldaten die Orientierung zu erschweren, und errichteten Barrikaden. Unzählige Radiosender halfen dabei, den Widerstand zu organisieren. Bei Auseinandersetzungen zwischen Soldaten und der Bevölkerung kamen dennoch mehr als 100 Menschen ums Leben. Hunderte wurden schwerer verletzt.

Zerschlagung der Reformbemühungen

Aufgrund der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Truppen der Staaten des Warschauer Paktes verliessen zehntausende Menschen das Land - in erster Linie Facharbeiter und Intellektuelle. Gemäss dem Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) kamen 1968 rund 13'000 Tschechoslowaken in die Schweiz.

Unwiderruflich beendet war der Prager Frühling, nachdem Dubcek Ende August aus Moskau zurückgekehrt war. Am 26. August hatte die sowjetische Führung um Parteichef Leonid Breschnew die Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei zur Unterzeichnung des Moskauer Protokolls gezwungen. Damit sollten Reformen wie Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit wieder rückgängig gemacht werden.

Dubcek wurde als Generalsekretär der Kommunistischen Partei abgesetzt - Gustav Husak wurde sein Nachfolger. Im Zuge der von Husak initiierten Säuberungen innerhalb der Partei wurde als erster Schritt knapp einer halben Million Parteimitgliedern das Parteibuch entzogen. Die neu bestimmte Führung der KSC machte die Reformen Schritt für Schritt wieder rückgängig.

Die Proteste gegen die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit flammten mit der «Charta 77» wieder auf. Die Erklärung wurde 1977 veröffentlicht und zeigte auf, wie Grund- und Freiheitsrechte in der Tschechoslowakei unterdrückt wurden.

Die Bewegung, die hinter der Charta 77 stand, spielte eine wichtige Rolle beim Wandel der Tschechoslowakei von einer sozialistischen Herrschaftsform hin zu einer Demokratie, der mit der «Samtenen Revolution» im Jahr 1989 seinen Abschluss fand. (SDA)

Die wichtigsten Daten des «Prager Frühlings»

In der Tschechoslowakei gipfelten die Bemühungen um eine Liberalisierung und Demokratisierung des Sozialismus 1968 im «Prager Frühling». Doch die Staaten des Warschauer Paktes bereiteten diesen Plänen mit ihrem Einmarsch am 20. August ein abruptes Ende. Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse:

  • 5. Januar 1968:
    Alexander Dubcek wird Generalsekretär der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Er propagiert einen «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» und wird zur Symbolfigur des Prager Frühlings. Politische und wirtschaftliche Reformen werden eingeleitet.
     
  • 22. März:
    Antonin Novotny, der eine stalinistische Linie des Kommunismus' vertrat, wird zum Rücktritt als Staatspräsident gezwungen. Der ehemalige General Ludvik Svoboda wird sein Nachfolger. Es entsteht die Parole «Dubcek-Svoboda, to je nase obroda», das soviel wie «Dubcek-Svoboda, das ist unsere Erneuerung» heisst.
     
  • 23. Juli:
    Beginn von Manövern in der UdSSR, später in Polen, der DDR und Ungarn.
     
  • 20. August:
    Der Prager Frühling wird von Warschauer-Pakt-Truppen gewaltsam beendet. Rund 700'000 Soldaten aus der Sowjetunion, Polen, Ungarn und Bulgarien besetzen die Tschechoslowakei. Die politische Führung um Dubcek wird gefangen genommen und später nach Moskau geflogen.
     
  • 26. August:
    Die Tschechoslowakei unterzeichnet das «Moskauer Protokoll", das unter anderem die Rücknahme der Reformen, Wiedereinführung der Zensur und Stationierung sowjetischer Truppen in der Tschechoslowakei festlegt.

In der Tschechoslowakei gipfelten die Bemühungen um eine Liberalisierung und Demokratisierung des Sozialismus 1968 im «Prager Frühling». Doch die Staaten des Warschauer Paktes bereiteten diesen Plänen mit ihrem Einmarsch am 20. August ein abruptes Ende. Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse:

  • 5. Januar 1968:
    Alexander Dubcek wird Generalsekretär der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Er propagiert einen «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» und wird zur Symbolfigur des Prager Frühlings. Politische und wirtschaftliche Reformen werden eingeleitet.
     
  • 22. März:
    Antonin Novotny, der eine stalinistische Linie des Kommunismus' vertrat, wird zum Rücktritt als Staatspräsident gezwungen. Der ehemalige General Ludvik Svoboda wird sein Nachfolger. Es entsteht die Parole «Dubcek-Svoboda, to je nase obroda», das soviel wie «Dubcek-Svoboda, das ist unsere Erneuerung» heisst.
     
  • 23. Juli:
    Beginn von Manövern in der UdSSR, später in Polen, der DDR und Ungarn.
     
  • 20. August:
    Der Prager Frühling wird von Warschauer-Pakt-Truppen gewaltsam beendet. Rund 700'000 Soldaten aus der Sowjetunion, Polen, Ungarn und Bulgarien besetzen die Tschechoslowakei. Die politische Führung um Dubcek wird gefangen genommen und später nach Moskau geflogen.
     
  • 26. August:
    Die Tschechoslowakei unterzeichnet das «Moskauer Protokoll", das unter anderem die Rücknahme der Reformen, Wiedereinführung der Zensur und Stationierung sowjetischer Truppen in der Tschechoslowakei festlegt.
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