Das Weihnachtsgeschäft wird immer unchristlicher
Die Krippe ist jetzt ein Grand Hotel

Engel und Eseli sind passé. Heute hängt man sich Austern an den Tannenbaum.
Publiziert: 06.11.2017 um 23:44 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:43 Uhr
Christiane Binder

In der Zürcher City überboten sich am Samstag die Läden darin, Weihnachts-Kauflaune zu zaubern. Mit «festlichen» Angeboten, Smokings für den Herrn, teuren Fleischwaren, Schmuck in allen Glitzer- und Preislagen. Frappierend: Man kann die halbe Stadt abgrasen – und keinen Engel, kein Eseli, keinen einzigen Stern von Bethlehem erblicken. Der seit Jahren zu beobachtende Trend setzt sich fest: Weihnachten wird, zumindest im urbanen Milieu, zum sinnentleerten Verwöhn-Anlass. In Samt und Seide, mit erlesenem Essen, Gold und Silber. Aber ohne jeglichen christlichen Bezug. Auch Nicht-Jugendfreies hat seinen Platz: Adventskalender mit erotischem Inhalt – Love Toys, Gleitgels, Kondomen – laufen seit Jahren, und Lingerie-Hersteller bringen sexy «weihnächtliche» Dessous auf den Markt. Das macht aus ihrer Sicht Sinn: Männer legen der Liebsten gerne Wäsche untern Baum.

Weihnachtsdeko-Trend 2017

Als Dekor für Tannenbaum und Festtafel hält alles her, was in der Lifestyle-Welt das Jahr über in war: Einhorn und Flamingo, Südseefisch und Giraffe, bunte Cup-Cakes, goldschimmernde Hunde. Hauptsache, es glänzt hübsch und lässt sich mit gehobener Laune assoziieren.

Ein neuer Höhepunkt ist das Motto bei Globus. In Sachen Weihnachtsdeko reklamiert die Kaufhauskette «Kernkompetenz». Jedes Jahr bringt sie ihre Produkte unter einem anderen Thema heraus, ein Muss-Termin für Deko-Enthusiastinnen. Dieses Jahr ist es: «Grand Hotel». Anspruch: die «Grand-Hotel-Grandezza ins eigene Zuhause zu holen» – in Form von güldenen Schosshunden, silbernen Schampus-Kübelchen oder lebensecht wirkenden Austern samt Perle. Animiert vom Gratis-Prosecco, den das Personal herumreicht, frönen die mehrheitlich weiblichen Kunden dem Konsum. «So herzig!» Das Publikum ist so entzückt, wie die Schlangen an der Kasse lang sind.

Passé: Engelsschmuck.
Foto: Getty Images
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«Luxus und Weihnachten sind Gegensätze»

Doch was hat Fünf-Sterne-Wollleben für die Reichen mit dem wackligen Stall in Bethlehem zu tun? Andrea Marco Bianca (56), Kirchenrat des Kantons Zürich und Pfarrer in der reformiertem Kirchgemeinde Küsnacht, ist irritiert. Luxus-Hotel und Ur-Weihnachten seien «zu grosse Gegensätze». Denn was erfülle eigentlich die wahren Wünsche der Menschen? Das Fünf-Sterne-Hotel «oder der 1-Stern-Stall mit Hirten»?

Für Gunther Hirschfelder (56), Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Regensburg, manifestiert sich in der Profanisierung des grössten christlichen Festes des Abendlandes der Zeitgeist. Weihnachten «hat keinen christlichen Sinngehalt mehr». Aber als Anlass zum Feiern wollen wir es uns erhalten. So werde es einfach «umgewidmet». Mit anderen Worten: Wer nicht weiss, was das Kind in der Krippe bedeutet, für den ist der Champagner als Christbaumschmuck kein Tabu-Bruch.

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