So ticken sie im Bett
Was Sie schon immer über Männer und Sex wissen wollten

Sie bricht mit Stereotypen und fragt Männer: Was wollt ihr wirklich? Die Autorin Katja Lewina (37) schrieb ein Buch über die Männlichkeit in der Krise und beschreibt für uns die wichtigsten Themen des männlichen Geschlechts.
Publiziert: 28.08.2021 um 21:15 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2021 um 21:35 Uhr
Katja Richard

Kann eine Frau ein Buch über männliche Sexualität schreiben? Ja, sie kann: Autorin Katja Lewina (37) sorgte letztes Jahr mit «Sie hat Bock» für Aufsehen, darin räumte sie mit Klischees über weibliche Lust auf. Jetzt bricht sie in «Bock. Männer und Sex» mit männlichen Stereotypen, dazu hat sie mit knapp 30 Männern gesprochen. Mit normalen Männern, die anonym bleiben wollen, aber auch mit Paar- und Sexualtherapeuten, einem Philosophen, einem Priester, einem Orgasmus-Coach. Die Kolumnistin («Die Zeit», «Brigitte») wollte wissen, was in ihrem Kopf vorgeht und was ihre Bedürfnisse im Bett sind. Das herkömmliche Bild der Männlichkeit übe einen wahnsinnigen Druck aus, wie jeder der Männer im Gespräch bestätigt. Sie zeigt auf, wie viele Ängste und Verunsicherungen Männer durch die gesellschaftlichen Erfahrungen haben. Dabei lässt die Kolumnistin die Erfahrungen der Befragten wie auch eigene einfliessen. Lewina führt eine offene Beziehung, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Gefühle – die Lücke zwischen Herz und Sex

Männer sind stark, dominant, aktiv, hart und allzeit bereit, so das Bild in vielen Köpfen in unserer Gesellschaft. Jungs werden noch immer anders erzogen als Mädchen. Mag sein, dass man in den ersten Jahren noch weicher ist mit ihnen und sie auch mit sich: Mein Sohn wollte als Dreijähriger Röcke tragen, aber in der Grundschule war Schluss damit. Oft werden Jungs auf klischeehaftes Verhalten wie nicht weinen, sich durchsetzen, führen und gestalten zugeschnitten. Mit Buben spricht man weniger über Gefühle, und man bringt ihnen bei, keine Schwächen zu zeigen. Darum neigen Männer eher dazu, Emotionen zu verdrängen.

Pornos – warum Männer darauf stehen

Einem Paar beim Sex zuzuschauen, das erregt auch eine Frau. Schwierig ist die Hierarchie in den meisten Pornos: der Mann oben, die Frau unten – das ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Wir leben noch immer im Patriarchat – auch wenn wir vor dem Gesetz gleich sind. Die Pornografie nimmt dem Mann für eine Weile die Angst vor der realen Frau, die Forderungen und Bedürfnisse hat. Sexuell über die Frau verfügen zu können, ohne emotionale Bindung oder ohne etwas leisten zu müssen, das ist für viele eine entspannte Version von Sex. Kritisch hinterfragt wird das von den meisten Männern kaum – zwei Drittel halten ihren Pornokonsum gar geheim. Das perfide am Porno: Trotz Menge macht es auf Dauer nicht satt. Ohne kommt man vielleicht nicht so schnell, dafür besser.

Grösse – warum sie so wichtig ist

Die Grossartigkeit des männlichen Glieds wurde mir bewusst, als ich meine schwangere Mutter zum Ultraschall begleiten durfte. Nie vergessen habe ich die Worte des Gynäkologen: «Da sind die Ärmchen, Beinchen – und hier haben wir den kleinen Leuchtturm.» Der Penis bewegt den Mann ein Leben lang. Er steht für Identität, Potenz, mit ihm vergleicht man die Rangordnung. Viele der Männer, die ich fürs Buch interviewt habe, erzählten mir, dass auf dem Pissoir heimlich geschielt und verglichen wird. Zur Beruhigung: Die meisten Frauen interessiert die Grösse nicht die Bohne.

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Konkurrenz – Leistung zählt

Denkt jetzt bloss nicht, dass Mannsein nur cool wäre. Evolutionsgeschichtlich ist es eine Herausforderung. Nur jeder dritte Mann in der Menschheitsgeschichte war mit Nachkommen gesegnet, dafür doppelt so viele Frauen. Männer mussten sich stärker für ihre Fortpflanzung bemühen, Frauen haben selektiert. In unserem kapitalistischen, von Männern geschaffenen System läuft es noch immer so: Dabei geht es weniger um die brachiale Kraft, sondern um Macht, Geld und Intelligenz – je mehr davon, desto mehr Partnerinnen stehen zur Verfügung.

Selbstbefriedigung – mehr als ein Trieb

Der Griff zwischen die Beine fällt Männern leichter als Frauen, laut Statistik befriedigen sich Männer signifikant häufiger. Masturbation ist für Jungs nicht nur Triebbefriedigung, sondern Teil von Mut- und Männlichkeitsproben zur männlichen Sozialisierung. Die Lust ist weniger schambehaftet, sich anzufassen oder anzuschauen, ist kein Tabu. Schliesslich geniesst das Prachtstück zwischen den Beinen von klein auf Aufmerksamkeit. Zudem geniesst die Sexualität der Männer eine grössere gesellschaftliche Akzeptanz. Wohl mit ein Grund, dass die Selbstliebe den meisten Männern bis ins hohe Alter wichtig bleibt.

Orgasmus – zwölf Sekunden reichen nicht

Wo bei den meisten Männern schon nach zwölf Sekunden Schluss ist, können Frauen bis zu einer halben Minute in Ekstase verweilen. Allerdings brauchen sie keinen Orgasmus, um schwanger zu werden. Eigentlich eine unfaire Einrichtung der Natur, aber was zählt, ist die Fortpflanzung. Viele Männer beneiden die Frau um ihre Orgasmus-Intensität, vor allem, weil sie danach nicht «leer» ist. Multiples Vergnügen ist auch für Männer möglich, allerdings ohne Ejakulation und mit Training. Der Wunsch laut den befragten Männern: beim Sex mehr Herz und Ekstase verspüren.

Lustlücke – wer kommt zuerst

Es ist leider so: Männer kommen fast jedes Mal beim Paarsex, aber nur zwei Dritteln aller Frauen ist das auch vergönnt. Der Orgasmus-Gap existiert. Es ist nicht so, dass Männer uns das Vergnügen nicht gönnen, sie schieben es aber ab. Ihr Wunsch ist, dass Frauen ihre Bedürfnisse selbstbewusst und klar einfordern. Nur leider sind die meisten von uns so sozialisiert, dass sein Vergnügen wichtiger ist als das eigene. Das abzulegen, bedeutet Höllenarbeit. Und die wollen wir nicht allein erledigen müssen. Vor allem, wenn Männer bis jetzt davon profitiert haben. Abgesehen davon: Männliche Orgasmen sind keine Naturgewalt, sondern durchaus steuerbar, was die Dynamik beim Sex kolossal verändern kann.

Sexmüde – der Schlummer danach

Nach dem Aktionismus kippen die Hormone, der Adrenalinspiegel fällt ab, während Oxytocin- und Prolaktinspiegel steigen. Das Ergebnis ist die postkoitale Müdigkeit. Die kennen wir alle: Der Typ liegt da und kann sich nicht rühren, als ob man ihm ein Beruhigungsmittel gespritzt hätte. Wenn er also nur noch schlafen und kuscheln will, kann er nichts dafür – die Ampel geht tatsächlich aus.

Babypause – auch beim Vater sinkt die Lust

Jeder halbwegs ehrliche Elternteil gibt es zu: Sobald das erste Kind das Licht der Welt erblickt, geht es bergab mit der Lust, und zwar in ungeahnte Tiefen. Schlafmangel, Stress, Finanzen, weniger Freiraum und weniger Sex. Lust ist stressanfällig, zudem verändern sich die Hormone. Auch bei Vätern kann der Testosteronspiegel um einen Drittel sinken.

Verbindlichkeit – Heiraten lohnt sich

Männer zögern länger, wenn es ums Heiraten und Kinderkriegen geht. Das war aber nicht immer so, im klassischen Patriarchat stehen Männer genauso unter Erwartungsdruck, Haus und Hof zu gründen. Bis ins 19. Jahrhundert durften Männer beim Werben mehr Gefühle zeigen, weiblich war es hingegen, sich emotional nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen und ein bisschen Zweifel am Bindungswunsch zu lassen. Je weniger Druck da ist, solche Rollenbilder zu erfüllen, desto freier werden Männer. Heute steht für sie die Selbstverwirklichung im Vordergrund. Und viele wollen sich durchaus binden. Heiraten lohnt sich: In der Ehe haben Männer mehr Sex, werden bis neun Jahre älter und verdienen besser.

Mami – manchmal zu viel davon

Es ist die erste Liebe: die zur Mutter. Manchmal kann es auch zu viel Liebe sein, etwa wenn sie übergriffig ist, also wenn sie dem Kind seinen Raum nicht lässt. Damit ist kein Missbrauch gemeint, es kann schon reichen, wenn Mami unangemeldet ins Zimmer kommt. Dadurch kann es einem Mann später schwerfallen, sich abzugrenzen und er lässt kein weibliches Wesen mehr richtig nahe. Mir als Frau fällt es schwer, in der Mutter das Übel zu sehen. Tatsache ist, dass die Kindererziehung heute hauptsächlich den Müttern zufällt. Da machen wir auch mal was falsch.

Muskeln – Hauptsache mehr

Kaum Bartstoppeln und schon trainieren sie hart am Bizeps und Waschbrettbauch. Männer stehen heute fast genauso unter Druck, einen perfekten Body vorzuführen, wie Frauen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Schliesslich sind es immer noch Männer, die völlig komplexbefreit ihre fetten Bäuche am Strand spazieren tragen, während wir schon ab einer Viertel-Speckfalte in Panik geraten. Ein Trost aber doch: Laut Internetrecherche stehen Frauen auf normale Männer mit etwas Speck auf den Rippen. Mit denen ist nicht nur gut kuscheln, als Frau fühlt man sich daneben auch hübscher, schlanker und entspannter als an der Seite von einem durchtrainierten Schnicker.

Dreier – flott ist es nur in der Fantasie

Wohl jeder hat sich schon gefragt, ob Sex zu dritt womöglich schärfer wäre. Aber Dreier ist nicht gleich Dreier. Als Mann die Frau mit einem anderen Kerl zu teilen, ist eine völlig andere Nummer, als sich zwei Häschen ins Bett zu holen. Zwei Frauen gleichzeitig glücklich zu machen, das ist ein Ego-Boost, auch wenn es meist bei der Fantasie bleibt. Ein Dreier mit einem weiteren Mann ist schwieriger, denn es geht um Konkurrenz und Männlichkeit – die definiert sich als Abgrenzung zum Weiblichen. Schwule sind inzwischen akzeptiert, aber während Bisexualität bei Frauen okay ist, ist sie für Männer oft noch ein Tabu.

Dominanz – wer ist oben?

Frauen sind es gewohnt, sich mit der Rolle der Dominierten zu identifizieren. Das passt für 60 Prozent der Männer, die beim Sex gerne die Zügel in der Hand haben. Aber fast genauso viele Männer wünschen sich laut Umfragen das Gegenteil. Der Wunsch, einfach mal die Kontrolle abzugeben, sich fallenzulassen, scheint verbreitet, bloss behalten sie solche Fantasien oft für sich, sogar der Partnerin gegenüber. Da hilft nur eins: das Loslassen von stereotypen männlichen oder weiblichen Rollenbildern. Und das einvernehmliche Ausprobieren von Machtumkehr – auch im Sinne von Geschlechtergerechtigkeit.

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