Darum verreisen Eltern alleine
Ferien, in denen ihr Kinder vergessen könnt

Mal nur zu zweit in die Ferien fahren und die Kids woanders unterbringen – immer mehr Eltern nehmen sich mal eine Auszeit. Sie sind keine Rabeneltern, sagen Fachleute.
Publiziert: 05.05.2023 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2023 um 13:02 Uhr
Elisabeth Zirk, Larissa Jurczek

«Ferien, in denen Sie alles vergessen» – der Werbeslogan des Schweizer Ferienanbieters Kuoni hat längst Kultcharakter. So weit muss es ja nicht gehen, wenn Eltern einmal ohne ihre Kinder verreisen. Das tun sie nämlich immer öfter, wie Erziehungsfachleute feststellen. Und die finden es überhaupt nicht falsch.

Geben Eltern den Nachwuchs in den Ferien zu Verwandten, können beide Seiten profitieren, sagt Elterncoach Anna Flury Sorgo (63) aus Chur. Für die Sprösslinge, weil sie «Erfahrungen mit anderen Leuten machen können». Für die Eltern, weil sie «die Zeit zu zweit geniessen, sich der Partnerschaft widmen und sich erholen» können.

Selbständigkeit fördern

Die Familienpsychologin Irene Fleischmann (59) aus Winterthur ZH sieht sogar einen pädagogischen Wert: «Die Kinder lernen, sich an anderen Orten als daheim wohlzufühlen. Ihnen wird bewusst, dass nicht alle Bedürfnisse von den Eltern allein erfüllt werden müssen.» Bekommt ein Kind beispielsweise gerne Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen und die Eltern machen das nicht so gern, könne es auch in der Verwandtschaft jemand übernehmen.

Ferien ohne die Kleinen – das kann für beide Seiten positiv sein, sagen Experten.
Foto: Getty Images
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Einzelkinder profitieren besonders von Ferienlagern, wo sie soziale Fähigkeiten lernen. «Es tut ihnen gut, einmal nicht das einzige Kind zu sein und neue Freunde kennenzulernen», sagt Claudia Haag (39), Psychotherapeutin in Zürich. So lernten Kinder Selbständigkeit.

Zwang ist aber keine Lösung

Anders ist es allerdings, wenn das Kind partout weder zu den Grosseltern noch ins Pfadilager will. Dann gibts Stress – der aber kein Drama sein muss, sagt Anna Flury Sorgo. Meist finde sich das Kind nach dem Abschied schnell ohne Eltern zurecht und finde Ferien ohne Eltern sogar super.

Kompromiss Kinderhotel

Eltern, die nicht ohne Kinder verreisen und trotzdem die Ferien zu zweit geniessen wollen, setzen auf die Kompromisslösung Kinderhotel, wie zum Beispiel das Märchenhotel Bellevue in Braunwald GL. Auch viele Reiseveranstalter bieten eigentliche Familienprogramme an. Bei «Best Family» von Tui gibts für Kinder ab drei Jahren 5,5 Stunden Betreuung an sechs Tagen pro Woche. Für Teenager zwischen 13 und 17 Jahren gibt es zwei Stunden Betreuung pro Tag. Hotelplan bietet Familienhotels mit Miniclubs für Kinder von vier bis zwölf Jahren an, an manchen Orten kann auch eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung angefragt werden.

Schweiz Tourismus empfiehlt die Premium Swiss Family Hotels. Dort gebe es Kinderbetreuung die ganze Woche, manchmal bis 22 Uhr. Das professionelle Animations- und Kinderbetreuungsprogramm wird von Hotelleriesuisse geprüft und mit dem Label «Top Familienhotels» ausgewiesen. Christian Maurer

Eltern, die nicht ohne Kinder verreisen und trotzdem die Ferien zu zweit geniessen wollen, setzen auf die Kompromisslösung Kinderhotel, wie zum Beispiel das Märchenhotel Bellevue in Braunwald GL. Auch viele Reiseveranstalter bieten eigentliche Familienprogramme an. Bei «Best Family» von Tui gibts für Kinder ab drei Jahren 5,5 Stunden Betreuung an sechs Tagen pro Woche. Für Teenager zwischen 13 und 17 Jahren gibt es zwei Stunden Betreuung pro Tag. Hotelplan bietet Familienhotels mit Miniclubs für Kinder von vier bis zwölf Jahren an, an manchen Orten kann auch eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung angefragt werden.

Schweiz Tourismus empfiehlt die Premium Swiss Family Hotels. Dort gebe es Kinderbetreuung die ganze Woche, manchmal bis 22 Uhr. Das professionelle Animations- und Kinderbetreuungsprogramm wird von Hotelleriesuisse geprüft und mit dem Label «Top Familienhotels» ausgewiesen. Christian Maurer

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Ab welchem Alter man das Kind abgebe, solle man nach Gefühl entscheiden. «Ein- bis Zweijährige können ruhig mehrere Tage bei einer vertrauten Bezugsperson sein. Vier- bis fünfjährige Kinder sehen die Grosseltern, Gotti oder Onkel wahrscheinlich sowieso schon regelmässig und wollen von sich aus bei ihnen übernachten», so Flury Sorgo.

Die Expertinnen betonen aber auch: Wehrt sich das Kind mit Händen und Füssen, dann müssen Eltern dies ernst nehmen und herausfinden, warum es so ist. Vielleicht mag das Kind die Person nicht, zu der es in die Ferien soll. Oder es hat generell Mühe mit Abschiednehmen und Loslassen.

Das Kind zu zwingen, sei keine Lösung, betont Claudia Haag. Aber ab einem gewissen Alter könne man gegen den Willen des Kindes entscheiden. «Es muss lernen, selbständig zu werden. Und es kann auch nicht sein, dass die Pläne der Familie vom Kind kommandiert und bestimmt werden.»

Kinderferien

«Fürs Kind erreichbar bleiben und fixe Anrufzeiten ausmachen», rät Claudia Haag (34), Psychotherapeutin, den Eltern, die ihre Kinder in die Ferien schicken. Kenne man die Ängste des Kindes, könne man sich Lösungen ausdenken: «Süssigkeiten als ‹Mamiwehtabletten› oder Notfalltröpfli in Form von Saft können helfen.» Will man das Kind für längere Zeit bei Verwandten lassen, hilft es laut Familiencoach Irene Fleischmann (54), wenn man es vorher probeweise übernachten lässt. Dann könne man die Dauer ausdehnen. «Es ist wichtig, dass das Kind in einer solchen Probephase die Möglichkeit hat, die Übung abzubrechen und die Eltern zu sehen, falls es nicht geht.»

«Fürs Kind erreichbar bleiben und fixe Anrufzeiten ausmachen», rät Claudia Haag (34), Psychotherapeutin, den Eltern, die ihre Kinder in die Ferien schicken. Kenne man die Ängste des Kindes, könne man sich Lösungen ausdenken: «Süssigkeiten als ‹Mamiwehtabletten› oder Notfalltröpfli in Form von Saft können helfen.» Will man das Kind für längere Zeit bei Verwandten lassen, hilft es laut Familiencoach Irene Fleischmann (54), wenn man es vorher probeweise übernachten lässt. Dann könne man die Dauer ausdehnen. «Es ist wichtig, dass das Kind in einer solchen Probephase die Möglichkeit hat, die Übung abzubrechen und die Eltern zu sehen, falls es nicht geht.»

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