Unterwegs auf Kuba
Ein Paradies für Vintage-Fans

Farbige Oldtimer, Zigarren und Kolonialbauten: Noch ist Kuba ein begehbares Museum. Doch der Sprung in die Moderne steht unmittelbar bevor. Zu Besuch in einer der faszinierendsten Destinationen der Welt.
Publiziert: 02.04.2015 um 16:28 Uhr
|
Aktualisiert: 09.09.2018 um 15:40 Uhr
Havanna ist ein Paradies für Oldtimer-Fans.
Foto: Christian Bauer
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Von Christian Bauer

Das kubanische Dornröschen erwacht. Nach fast 60 Jahren Tiefschlaf hält der Wandel auf der Zuckerinsel allmählich Einzug. Doch noch fühlt man sich hier wie an einem Filmset: Ein Chevrolet Bel Air Cabriolet aus den fünfziger Jahren ­zockelt altersschwach durch die Gassen von Alt-Havanna. Männer mit vom Schicksal gefurchten Gesichtern paffen eine Cohiba – die Lieblingszigarre Fidel Castros. Schulkinder turnen auf der Stras­se, und natürlich wehen Son-Rhythmen herbei.

Was wie abgedroschene Klischees in einem schlechten Reiseführer klingt, ist hier Realität. Havanna ist eine bezaubernde Zeitkapsel aus den Fünfzigerjahren. Ein Paradies für Vintage-Fans und Retro-Fetischisten. Wo sonst sehen die Coiffeursalons aus wie zu Grossmutters Zeiten und wo sonst stehen Mafia-­Hotels, in denen man sich fühlt wie der Schriftsteller Ernest Hemingway? Und all dies in wunderwarmem, tropischem Klima.

Kein Wunder, dass der Tourismus hier boomt: 2014 stiegen die Touristenzahlen um über 20 Prozent – davon können andere Destinationen nur träumen. Seit Fidel Castros sozialistischer Revolution Ende der Fünfzigerjahre, dem prompten Handelsembargo der USA und der schlechten Zentralwirtschaft ist Kuba konserviert – und verrottet. Die einstige Perle der Karibik mit ihren Prachtbauten und Art-déco-Häusern modert in der salzigen Meeresluft vor sich hin. Havanna, das ist bittersüsse ­Romantik des Verfalls. Dennoch ist die kubanische Hauptstadt mit ihren zwei Millionen Einwohnern die derzeit interessanteste und schönste Städtedestination der Welt. Ein Relikt einer vergangenen Ära, deren Zauber man sich nicht entziehen kann.

Doch die Tage des alten Charmes sind gezählt. Fidels Bruder Raúl, der 2006 die Staatsgeschäfte übernahm, öffnet das Land zaghaft gen Westen. Seit Dezember 2014 laufen Gespräche mit dem Erzfeind USA. Erste Lockerungen des ­Embargos sind bereits in Kraft getreten, bald soll eine US-Botschaft in Havanna eröffnen.

Eine Änderung der Politik ist längst überfällig. Das Leben im sozialistischen Kuba ist sehr hart – trotz freier Gesundheitsvorsorge und kostenloser Bildung. Die staatlichen Lebensmittelmarken und der Mindestlohn reichen kaum für das Nötigste. Kinder fragen auf der Strasse nach Buntstiften. Rentner, die für ein Foto posieren, wollen einen Peso Convertible, die harte Touristenwährung. Gut leben kann nur, wer mit Peso Convertible einkaufen kann. Klar, dass sich die Kubaner mit mehreren Jobs und kreativen Ideen durchschlagen. Den Arzt als Kofferträger, der auf Trinkgeld hofft, den gibt es hier wirklich.

«Wir Kubaner erfinden uns immer wieder neu», sagt der Künstler Pedro, der in seiner Küche Schaufensterpuppen aus Pappmaché herstellt. Aus Mangel an Leim verwendet er aufgelöste Spaghetti. Die Menschen sind durch die neue Politik euphorisiert. Sie träumen von Reisen, neuen Autos und der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.

«Es wird Zeit, dass sich etwas ändert», sagt Elektroingenieur José in fliessendem Deutsch. «Fast 60 Jahre Isolation waren ein ­gros­ser Fehler.» José lebt wie viele Kubaner mit drei Generationen in einer beengten Altstadtwohnung.

«Im Kopf von el Jefe herrscht nur Salsa», macht er seinem Ärger über Fidel Castro Luft. Die Kritik am System wird heftiger. Da helfen auch die markigen Durchhalteparolen nichts, die tausendfach an Wänden und Plakaten prangen. «Die kubanische Revolution war eine Utopie, nun müssen wir mit den Füssen auf den Boden kommen», fasst Reiseführer Rafael die letzten 60 Jahre zusammen. Wie dieser Wandel aussehen soll, ist vielen ein Rätsel. Aber eines ist klar: «Wir wollen, dass Kuba weiterhin von Kubanern regiert wird», sagt Rafael. Die Angst ist gross, dass sich die übermächtige USA den kleinen Inselstaat unter den Nagel reisst – wie es unter dem Marionetten-Präsident Fulgencio Batista vor der Revolution der Fall war.

Wenn das Handelsembargo und das Reiseverbot der Amerikaner fallen, ist die Amerikanisierung Havannas nur eine Frage der Zeit. Auch wenn auf der ­renovierten Plaza Vieja schon ein «Pepe Jeans»-Laden geöffnet hat, sucht man in Havanna vergebens nach seelenlosen internationalen Modelabels, austauschbaren Cafés und geschmacksneutralen Fast-Food-Ketten. Doch all das wird Einzug halten und Teile ­Havannas in ­einen Touristen-Freizeitpark mit Retro-Chic verwandeln – so wie es vielen Städten der Welt ergangen ist.

Ob es die Politik schafft, das Leben der Bevölkerung zu verbessern, ohne die eigene Identität für schnelle Dollars zu verkaufen, bleibt nur zu hoffen. Wer das authentische Kuba mit seinen lebensfrohen Menschen erleben möchte, der sollte sich bald auf den Weg machen, bevor das erste goldene Fast-Food-M in Havanna prangt. Noch hat Kuba-Entdecker Christoph Kolumbus recht: «Es ist das herrlichste Land, das Menschenaugen je ­erblickt haben. Man möchte sein ganzes Leben bleiben.»

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Kubas Revolution(en)

Hasta la victoria siempre – bis zum immerwährenden Sieg! Die berühmten Worte von Freiheitskämpfer Che Guevara sind nicht Wirklichkeit geworden. Kubas ­Revolution sollte den Menschen Glück und Wohlstand bringen. Doch was 1958 so glühend begann, endete in Misswirtschaft und ideologischer ­Isolation.

Die Anfänge der Revolution formierten sich schon 1953, als der Anwalt Fidel Castro eine militante Opposition gegen die korrupte, amerikatreue Regierung von Präsident Fulgencio Batista anführte. Casto scheiterte und musste das Land verlassen. 1956 setzte er per Boot nach Kuba über, mit dabei der argentinische Arzt Ernesto Che Guevara, der weltweit zum Idol werden sollte. 1958 errang Che den entscheidenden Sieg gegen die Regierungstruppen. Als eine der ersten Handlungen verstaatlichte Castro die Betriebe, stärkte die Rechte der Kleinbauern und schmiss US-Firmen aus Kuba. Amerika reagierte mit dem längsten Handelsembargo der Geschichte.

Die folgenden 60 Jahre waren geprägt von grossen Widersprüchen: Zum einen schaffte das sozialistische Kuba ein aussergewöhnliches Sozialsystem und senkte die Kindersterblichkeit auf europäisches Niveau. Zum anderen herrscht durch Misswirtschaft eine desolate Versorgungssituation. Kritisch bewertet wurde auch die Menschenrechtssituation auf Kuba. Zu Beginn der Revolution wurden politische Gegner in Arbeitslager verfrachtet oder exekutiert. Übrigens auch vom Freiheitsidol Che Guevara!

Noch immer ist die Meinungsfreiheit eingeschränkt (alle Medien sind in staatlicher Hand). Doch die Menschenrechtssituation hat sich jüngst verbessert. Seit 2006 setzt Raúl Castro ein grosses Reformprogramm um. Kubanern ist es nun etwa erlaubt, private Geschäfte zu eröffnen oder neue Autos zu importieren. Grund zur Hoffnung gibt auch die Annäherung an die USA. Die Öffnung ist freilich ein Lichtschimmer für die brachliegende kubanische Wirtschaft. Angst haben die Kubaner dennoch, dass die politische Wende das Sozialsystem negativ verändern wird.

Hasta la victoria siempre – bis zum immerwährenden Sieg! Die berühmten Worte von Freiheitskämpfer Che Guevara sind nicht Wirklichkeit geworden. Kubas ­Revolution sollte den Menschen Glück und Wohlstand bringen. Doch was 1958 so glühend begann, endete in Misswirtschaft und ideologischer ­Isolation.

Die Anfänge der Revolution formierten sich schon 1953, als der Anwalt Fidel Castro eine militante Opposition gegen die korrupte, amerikatreue Regierung von Präsident Fulgencio Batista anführte. Casto scheiterte und musste das Land verlassen. 1956 setzte er per Boot nach Kuba über, mit dabei der argentinische Arzt Ernesto Che Guevara, der weltweit zum Idol werden sollte. 1958 errang Che den entscheidenden Sieg gegen die Regierungstruppen. Als eine der ersten Handlungen verstaatlichte Castro die Betriebe, stärkte die Rechte der Kleinbauern und schmiss US-Firmen aus Kuba. Amerika reagierte mit dem längsten Handelsembargo der Geschichte.

Die folgenden 60 Jahre waren geprägt von grossen Widersprüchen: Zum einen schaffte das sozialistische Kuba ein aussergewöhnliches Sozialsystem und senkte die Kindersterblichkeit auf europäisches Niveau. Zum anderen herrscht durch Misswirtschaft eine desolate Versorgungssituation. Kritisch bewertet wurde auch die Menschenrechtssituation auf Kuba. Zu Beginn der Revolution wurden politische Gegner in Arbeitslager verfrachtet oder exekutiert. Übrigens auch vom Freiheitsidol Che Guevara!

Noch immer ist die Meinungsfreiheit eingeschränkt (alle Medien sind in staatlicher Hand). Doch die Menschenrechtssituation hat sich jüngst verbessert. Seit 2006 setzt Raúl Castro ein grosses Reformprogramm um. Kubanern ist es nun etwa erlaubt, private Geschäfte zu eröffnen oder neue Autos zu importieren. Grund zur Hoffnung gibt auch die Annäherung an die USA. Die Öffnung ist freilich ein Lichtschimmer für die brachliegende kubanische Wirtschaft. Angst haben die Kubaner dennoch, dass die politische Wende das Sozialsystem negativ verändern wird.

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Kuba Inside

Edelweiss-Flugbegleiterin Stéphanie Veliz Humara ist mit einem ­Kubaner verheiratet und bezeichnet Havanna als ihre zweite Heimat.

Ihr Tipp: «Nach einem Spaziergang an der Uferpromenade Malecón kann man vom Hafen aus die Fähre nach Casa­blanca nehmen, zur Cristo-Statue raufspazieren und die schönste Sicht sowie einen atemberaubenden Sonnenuntergang geniessen. Typisch kubanisch isst man in der Casa del Habano an der 5Ta y 16, meist spielt dort eine tolle Live-band. Unbedingt besuchen sollte man am Dienstag- oder Sonntagabend die Casa de la Musica in Miramar, wo man sich mit den Bands Habana D’Primera oder Pupy y Los que Son Son die Seele aus dem Leib tanzt!»

Edelweiss-Flugbegleiterin Stéphanie Veliz Humara ist mit einem ­Kubaner verheiratet und bezeichnet Havanna als ihre zweite Heimat.

Ihr Tipp: «Nach einem Spaziergang an der Uferpromenade Malecón kann man vom Hafen aus die Fähre nach Casa­blanca nehmen, zur Cristo-Statue raufspazieren und die schönste Sicht sowie einen atemberaubenden Sonnenuntergang geniessen. Typisch kubanisch isst man in der Casa del Habano an der 5Ta y 16, meist spielt dort eine tolle Live-band. Unbedingt besuchen sollte man am Dienstag- oder Sonntagabend die Casa de la Musica in Miramar, wo man sich mit den Bands Habana D’Primera oder Pupy y Los que Son Son die Seele aus dem Leib tanzt!»

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