So weit die Füsse tragen: Christian Bauer auf dem Jakobsweg – durch endlose Landschaften, zu verwunschenen Klöstern, als Gast in fremden Küchen, mit den Stempeln im Pilgerpass, der Einsamkeit und der stillen Einkehr.

Unterwegs auf dem Jakobsweg
3000 Kilometer zu Fuss zum Glück

Stau auf dem Jakobsweg: Sinnsucher, Powerwalker, E-Biker stehen Schlange auf dem alten Fussweg durch Nordspanien. Christian Bauer nahm den Umweg über Rom – und fand am Ende Sinn und Glück.
Publiziert: 17.04.2019 um 08:56 Uhr
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Aktualisiert: 17.06.2019 um 10:37 Uhr
Helmut-Maria Glogger

Für die einen ist der Jakobsweg der fromme Fussmarsch der Superlative, die mobile Form einer Art geistlicher Krötenwanderung – oder eben das, was der deutsche Comedian Hape Kerkeling seinem Wanderbuch als Titel gab: «Ich bin dann mal weg».

Der Jakobsweg
Der Jakobsweg ist einer der wichtigsten und ältesten Pilgerstrecken des Christentums. Ziel ist das Grab des Apostels Jacobus in der Kathedrale in Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens. Zweige des Jakobswegs laufen auch durch die Schweiz: von Schaffhausen oder dem Bodensee über Einsiedeln SZ, weiter über Luzern oder den Brünig nach Genf. Von da gehts durch Frankreich weiter zur Hauptstrecke nach Spanien. Als Nachweis für den zurückgelegten Weg erhalten Pilger Stempel in ihren Pilgerausweis.
Der Jakobsweg ist einer der wichtigsten und ältesten Pilgerstrecken des Christentums. Ziel ist das Grab des Apostels Jacobus in der Kathedrale in Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens. Zweige des Jakobswegs laufen auch durch die Schweiz: von Schaffhausen oder dem Bodensee über Einsiedeln SZ, weiter über Luzern oder den Brünig nach Genf. Von da gehts durch Frankreich weiter zur Hauptstrecke nach Spanien. Als Nachweis für den zurückgelegten Weg erhalten Pilger Stempel in ihren Pilgerausweis.
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Jakobsweg – 3000 Kilometer durch Italien, Frankreich und Spanien

War es bei Hape Kerkeling eine Lebens­krise mit Hörsturz und Gallenoperation, kam Christian Bauer die Idee zur Wallfahrt zum eigenen Ich in Thailand: Da hat er an ­einem Traumstrand eine innere Stimme gehört, die ihm zuflüsterte: «Du musst jetzt nach Rom fliegen und nach Santiago de Compostela laufen.» Zum Pilgerziel des Jakobswegs – 3000 Kilometer durch Italien, Frankreich und Spanien.

Ziel der Jakobsweg-Pilger - Santiago de Compostela
Foto: Keystone

Bauer: «Ich kaufte ein Flugticket von Bangkok nach Rom. Mein Hab und Gut verschenkte ich. Übrig blieb: ein Tagesrucksack, zwei Hosen, zwei Hemden, zweimal Unterwäsche/Socken, ein Paar Wanderschuhe, ein Bauwollschlafsack, Handtuch, Seife, Zahnbürste, Zahnpasta, ein Tagebuch, ein Stift. Das Nötigste auf sechs Kilogramm.»

Reisedauer von 120 Tagen

Doch vor der Erlösung haben die Götter nicht nur den Schweiss gesetzt – heute gehört eine Kreditkarte dazu. Genau die versagte. In Rom. Beim Kauf einer Winterjacke: «Jetzt besass ich nur noch Bargeld und Travellerschecks im Wert von etwa 1800 Euro. Mein letztes Geld. Bei einer geschätzten Reisedauer von 120 Tagen waren das 15 Euro pro Tag für Übernachtung und Verpflegung. Unmöglich. Mein Unternehmen war zum Scheitern verurteilt.»

Doch Gott hatte ein Einsehen: «Ich fand eine 2-Euro-Münze zwischen dem Kopfsteinpflaster in der Nähe des Vatikans. Ich nahm es als Zeichen, dass mein Weg nicht am Geld scheitern würde.»

Start auf der Via Francigena

Am 15. März schulterte Bauer seinen Rucksack. Von Rom führte der Weg in Gegenrichtung zum alten Pilgerweg Via Francigena. Diese, auch als «Frankenweg» bezeichnete Fernroute, gab den Weg vor, den die Pilger von Franken nach Rom zur Grabstätte der Apostel Petrus und Paulus nutzten.

Bauer nahm den Weg in umgekehrter Richtung – via Siena, Lucca, Piacenza und Turin hinüber nach Frankreich. Weiter über die Seealpen durch die Provence nach Arles, wo der südliche Jakobsweg als Via Tolosana beginnt: Der führt als «Weltkulturerbe» der Unesco nach Montpellier, der Airbus-Stadt Toulouse und nach Lourdes. Wo 1858 der jungen Bernadette Soubirous nahe der Grotte Massabielle die Jungfrau Maria erschienen sein soll.

Wo der spanische Jakobsweg beginnt, weisst keiner

Nach den steinigen Pyrenäen beginnt der spanische Jakobsweg. Wo der genau beginnt, weiss niemand – ausser die spanische Weisheit: «El camino comienza en su casa» (Der Weg beginnt in Ihrem Haus).

Nicht das Ziel, der Weg nach Santiago de Compostela ist der Weg zu neuer Innerlichkeit. Denn das Ziel ist nicht wirklich verlockend: Es sind die Gebeine von Apostel Jakobus. Der in der Kathedrale auch als Sitzfigur lockt, die der Pilger als Zeichen der Ehrerbietung umarmt und küsst.

Tatsächlich soll Jakobus der Ältere einer der Jünger Jesu gewesen sein. Der Legende nach ging er gleich nach Christi Himmelfahrt auf Missionstour ins heutige Spanien. Erfolglos kehrte er nach Palästina zurück, wo er von König Herodes im Jahr 43 geköpft wurde.

Das Leben as Pilger

Doch bis zu Jakobus ist es noch ein weiter Weg. Bauer: «Hotels oder Pensionen konnte ich mir nicht leisten. Ich klopfte wie ein echter Pilger bei Pfarrern, Klöstern und Bürgermeistern an. Die Hilfsbereitschaft der Menschen war ergreifend. Überall fand sich ein Bett, ob im Gemeindehaus, im Sportheim, in der städtischen Altkleiderkammer oder in kleinen, leer stehenden Wohnungen, die für Pilger reserviert sind.»

Bauer hatte Glück: «Ich klopfte an einer Klosterpforte an, ass mit den Mönchen, übernachtete in einer Zelle. Manchmal schenkte man mir sogar Geld fürs Abend­essen, sonst ernährte ich mich von Wurst, Käse und Sardinen aus dem Supermarkt.»

Jakobsweg - Der Weg zum Glück

Den leichten Rucksack auf dem Rücken, die letzten Euros in der Tasche – und plötzlich fühlt man sich leicht, frei, glücklich. Ein Leben ohne Ballast. Bauer entdeckt einen neuen Reichtum: Er hat Zeit, er ist gesund, er ist zufrieden – und glücklich. All dies kann man, so trivial es klingt, nicht kaufen. Es geht nicht um die Suche nach einer gött­lichen Instanz wie früher – es geht um etwas ganz anderes: Um die Suche in sich und das Finden des eigenen Ichs.

Und wie in Rom wartete auch in Santiago ein Wink des Schicksals auf Bauer: Vor der Kathedrale sprach ihn ein Priester an. «Erkennst du mich?», fragte er. «Du hast in Rom mit mir gesprochen.» Eine Pause: «Du hast glückliche Augen.»

3 Fakten zu Jakobsweg

  1. In Santiago de Compostela befindet sich der Legende nach das Grab des Apostels Jakob (spanisch: Santiago). Wenn sein Namenstag am 25. Juli auf einen Sonntag fällt, feiern die Christen ein Heiliges Jahr (Xacobeo). Das nächste findet erst 2021 statt.
     
  2. Nach kirchlicher Tradition erhalten alle Katholiken, die im Jakobsjahr zum Grab des Apostels in der Kathedrale pilgern und die Beichte ablegen, einen vollständigen Sündenablass.
     
  3. Der eigentliche Jakobsweg beginnt an der spanisch-französischen Grenze und ist rund 800 Kilometer lang. Um die «Compostela» genannte Urkunde zu erhalten, die die Wallfahrt bescheinigt, reicht es aber, die letzten 100 Kilometer zu Fuss oder zu Pferd beziehungsweise die letzten 200 Kilometer per Fahrrad zurückzulegen. Als Beleg dient der Pilgerausweis, der entlang der Strecke in Herbergen und Kirchen abgestempelt wird.
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Lese auf Losada: Auf dem Jakobsweg fliegen die Trauben.
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Alain Kunz

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