Birding-Boom
Die Schweiz im Vogel-Fieber

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer haben ein neues Hobby: Vögel beobachten. Für die Hobby-Ornithologen ist die Schweiz ein Paradies. Für die Vögel eher weniger.
Publiziert: 12.05.2022 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2022 um 08:26 Uhr
Lea Ernst

Oberholz, Aargau: eine Nachtigall. Aesch, Luzern: zwei Weissstörche. Jona, St. Gallen: zwei Schnatterenten und ein Austernfischer. Schon frühmorgens herrscht auf ornitho.ch Hochbetrieb. Auf der Meldeplattform der Schweizerischen Vogelwarte Sempach tragen User die Vögel ein, die sie soeben in freier Wildbahn gesichtet haben.

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer greifen in ihrer Freizeit zum Fernglas. Bereits in den frühen Morgenstunden stehen sie mitten in der Natur – weil die Vögel dann besonders intensiv trällern. Die Vogelbeobachtung, das sogenannte Birding, ist beliebter als je zuvor.

Rekordanzahl Vogelfans zählt mit

Amseln, Kohlmeisen, Buchfinken: Sobald die ersten Frühlingstage Wälder, Moore, Parks und Gärten wärmen, ist auch ihr Gezwitscher nicht weit. Dass das Interesse an Vögeln in den letzten Jahren zugenommen hat, bestätigt der Verband BirdLife Schweiz.

Die Schweiz ist auf den Vogel gekommen: Die Vogelbeobachtung boomt. Auf einem Bird Race im September 2021 versuchen die Teilnehmenden, in 24 Stunden so viele Vogelarten wie möglich zu sichten.
Foto: BirdLife Schweiz
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Die Mitgliederzahlen seien angestiegen, immer mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen bei den Exkursionen und Anlässen dabei sein. Bei der von BirdLife organisierten nationalen Vogelzählung im Mai zählten über 4500 Freiwillige aus der ganzen Schweiz mit.

Die besten 7 Spots für Vogelbeobachtungen in der Schweiz

Auch bei der Vogelwarte Sempach wachse die Anzahl User, die auf ornitho.ch ihre Vogelbeobachtungen eintragen, stetig an. Die auf der Beobachtungsplattform gesammelten Daten werden unter anderem für Vogelzählungen und die Artenförderung genutzt, schreibt die Vogelwarte.

Trend auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen spürbar

Verantwortlich dafür, dass immer mehr Hobby-Ornithologen auf den Vogel gekommen sind, sei unter anderem der Corona-Lockdown gewesen, sagt Stefan Bachmann (51) von BirdLife Schweiz. So habe die Pandemie dazu beigetragen, dass sich die Leute vermehrt draussen aufgehalten haben. Zudem wächst auch die Anzahl Birding-Kurse und Exkursionen schweizweit stetig an.

Was auffällt: Auch bei jüngeren Generationen seien die Vögel ein immer grösseres Thema. «Bei Jugendlichen steht eher das Birdwatching, also die Vogelbeobachtung, im Vordergrund», sagt Bachmann. «Bei den jungen Erwachsenen wird dann vermehrt auch der Schutz der Vögel und der Natur wichtig.»

Die Anlaufstelle für Naturfans

Stefan Bachmann (51) ist Biologe und Medienverantwortlicher von Birdlife Schweiz. Die Naturschutzorganisation engagiert sich für den Erhalt und die Förderung der Natur, insbesondere für Vögel und ihre Lebensräume. Ihre 450 lokalen Sektionen und Kantonalverbände bieten regelmässig Kurse für angehende und fortgeschrittene Hobby-Ornithologen an. Alle Infos auf birdlife.ch.

zVg

Stefan Bachmann (51) ist Biologe und Medienverantwortlicher von Birdlife Schweiz. Die Naturschutzorganisation engagiert sich für den Erhalt und die Förderung der Natur, insbesondere für Vögel und ihre Lebensräume. Ihre 450 lokalen Sektionen und Kantonalverbände bieten regelmässig Kurse für angehende und fortgeschrittene Hobby-Ornithologen an. Alle Infos auf birdlife.ch.

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Shazam für Vogelgezwitscher

Altbacken? Von wegen: Den Vogelbeobachtern von heute steht eine ganze Palette technischer Hilfsmittel zur Verfügung. Neben den Online-Meldestellen kann das Handbuch zur Vogelbestimmung durch zahlreiche Birding-Apps ergänzt oder ersetzt werden.

Tausende Vogel-Fotos flattern durch die Birding-Gruppen der sozialen Medien. In der Facebook-Gruppe «Birding Schweiz» posten über 3000 User Bilder ihrer Beobachtungen, helfen einander liebevoll bei der Bestimmung der Vogelarten.

Auch die Vogelstimmen, die uns durch den Alltag begleiten, können unterdessen per App dem jeweiligen Vogel zugeordnet werden. So zum Beispiel mit BirdNET, das auf dieselbe Art funktioniert wie Shazam – also die App, die Musikstücke erkennt.

40 Prozent der Schweizer Vogelarten sind gefährdet

Die Schweiz ist ein Paradies für Vogelbeobachter: In unterschiedlichsten Lebensräumen brüten hier um die 200 Vogelarten. Zählt man die Zugvögel dazu, verdoppelt sich die Zahl sogar. Ausserdem sind viele Birding-Hotspots in kurzer Zeit und ohne Auto zu erreichen.

Für die Vögel selbst ist die Schweiz jedoch alles andere als paradiesisch: Rund 40 Prozent der Schweizer Vogelarten sind bedroht, wie die Rote Liste der Brutvögel des Bundesamts für Umwelt 2021 zeigt. Die Hauptgründe dafür: die Entwässerung vieler Feuchtgebiete und die intensiv betriebene Landwirtschaft, die zum starken Rückgang der Insekten führt – Nahrungsquelle vieler Vögel.

Abstand, Ruhezonen und Schutzgebiete

Sobald im Frühling bei den meisten Vögeln die Brutzeit beginnt, sind sie besonders verletzlich, schreibt die Vogelwarte in einer Medienmitteilung zur Vogelbeobachtung. So können Störungen rasch gravierende Auswirkungen haben, und der Vogel etwa seine Brut verlassen.

«Störungen müssen dabei nicht unbedingt auffällig oder laut sein», schreibt die Vogelwarte. Bereits die reine Anwesenheit von Spaziergängern könne langfristige Auswirkungen haben. Die wichtigsten Regeln seien deshalb: Abstand halten, Wildruhezonen und Schutzgebiete respektieren und auf Wegen bleiben.

Dass Birding immer beliebter werde, sei erfreulich, schreibt Martina Schybli (37) von der Schweizerischen Vogelwarte: Der Grundstein für ein späteres Natur- und Umweltbewusstsein werde gelegt. «Trotzdem sollten wir uns stets vergegenwärtigen, dass wir im Lebensraum der Vögel unterwegs sind.»

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