Kompostierbare Schuhe
Schweizer Tänzer (33) entwickelt Öko-Schuh

Ein Schuh, der absolut ökologisch ist und den man quasi kompostieren kann? Genau das entwickelten der Tänzer Kilian Haselbeck (33) aus Schaffhausen und der Umweltbotschafter Marco Reinard (62) aus Luxemburg.
Publiziert: 07.10.2019 um 11:26 Uhr
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Aktualisiert: 11.06.2020 um 10:53 Uhr

50'000 Franken müssen Kilian Haselbeck (33) und Marco Reinard (62) auftreiben, um die Produktion ihres biologisch abbaubaren Schuhs zu bevorschussen. Ecofreaks nennen sie den Schuh. Und auch sich selbst. Denn der Schuh ist für sie eine Botschaft: «Helft uns, die Natur zu bewahren und zu schützen.»

Prototypen des Schuhs tragen sie bereits. Das Geld benötigen sie, um eine Produktion des Sneakers aus Hanf, Kautschuk und organischem Schaum zu bezahlen. Die Käufer sollen dank diesen Schuhen den Müllberg nicht vergrössern. Wenn der Schuh ausgetragen ist, kann man ihn einfach auf den Komposthaufen werfen. In fünf bis sieben Jahren sei der Schuh ohne Hinterlassenschaften abgebaut. Weil sich der Schuh nicht innert sechs Monaten zersetzt, spricht man von biologisch abbaubar. «Keine Angst, an den Füssen passiert das nicht», sagt Haselbeck im Gespräch mit BLICK lachend. Erst, wenn der Schuh auf dem Kompost liegt, beginnt die Zersetzung.

Zufälle als Inspiration

Vor vier Jahren reiste Kilian nach Indonesien. «Wegen zu hoher Wellen fuhr keine Fähre mehr von einer kleinen Insel weg. Dort traf ich Marco, der mit dem Velo von China nach Bali unterwegs war», erzählt Haselbeck. Marco Reinard, der in den Achtzigerjahren Surfkleider in Kalifornien (USA) herstellte und nun als Umweltbotschafter durch die Welt reist, erzählte ihm von seiner Idee, einen biologischen Schuh herzustellen. «Mich hat die Idee sofort gepackt. Da ich auf einem Hof aufgewachsen bin und sehr naturverbunden bin, war das einfach die perfekte Sache», meint Haselbeck.

Marco Reinard wurde mit 15 Jahren zum Umweltaktivist: Als er sich weigerte, den Müll von einem Handelsschiff in den Atlantik zu kippen.
Foto: Ecofreaks
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Und so machten sich die beiden ohne gross abzuwarten ans Werk: Sie gründeten den Verein Ecofreaks und nutzen die jahrelangen Recherchen von Marco. «Wir legten einfach mal los. Wir wollten nicht mehr viel Zeit verlieren», erzählt Haselbeck euphorisch. Sie fanden eine Firma in Frankreich, die seit über vierzig Jahren Sohlen aus Kautschuk ohne Chemikalien produziert. «Als wir die Sohle hatten, wussten wir, dass wir Hanf als weiteres Material verwenden wollen, weil beim Anbau keine Pestizide nötig sind und die Pflanze viel C02 absorbiert», erklärt Haselbeck. Auch die Schweizer Firma Freitag verwendet Hanf für ihre kompostierbaren Kleider.

Bereits Vorbestellungen

Doch wer könnte ihnen aus diesen beiden Rohstoffen einen Schuh herstellen? Sie hatten keine Ahnung. Also erzählten sie es all ihren Freunden. Eine Kollegin eines Kollegen schickte ihnen den Link zu einem Familienbetrieb in Portugal. Sie schauten sich die Handwerkerfirma online an, telefonierten, reisten dorthin, merkten, dass sie die gleichen Interessen haben. Für die beiden war klar, dort zu produzieren.

Weil ihnen die Sneakers so wichtig sind, haben sie bis jetzt alles aus eigener Tasche bezahlt. Das Geld aus dem Crowdfunding benötigen sie nun, um die Handwerker für die Produktion der Schuhe zu bezahlen. Was, wenn sie die Hürde der Finanzierung nicht schaffen? «Dann finden wir einen anderen Weg», meint Haselbeck. Denn sechzig Personen hätten schon Schuhe bestellt, und diesen möchten sie sie unbedingt ausliefern.

Schweizer Postauto statt Segelschiff

Um mit den Schuhen auf Umweltanliegen aufmerksam zu machen, plante Reinard, ein Segelschiff zu nutzen. Das Schiff sollte ein Treffpunkt für Umweltaktivisten, Künstler und Wissenschaftler werden. Der Zufall brachte sie jedoch zu einem Schweizer Postauto!

Dieses in den Neunzigerjahren zu einem Wohnwagen umgebaute Postauto war in Berlin zum Verkauf ausgeschrieben. Die Ecofreaks wurden zufällig auf den Bus aufmerksam. Als sie in Berlin ankamen, fand der Besitzer die Idee – mit dem Bus durch Europa zu touren und auf Umweltprobleme aufmerksam zu machen – so toll, dass sie nur die Hälfte des Preises bezahlen mussten. «Den Rest bezahlt ihr mir, wenn es dann läuft, meinte der Besitzer», erzählt Haselbeck.

Noch mehr Zufälle

Doch wie sollte der Bus von Berlin nach Freiburg in das Innovationsquartier Bluefactory kommen, wo sie ihn umbauen wollten? Denn fahren konnte ihn damals noch keiner von ihnen. Zum Glück blieb der Bus mitten in Berlin stehen, als sie parkierten. Die Bremsen waren verklemmt. Dann kam ein junger Typ vorbei, schaute interessiert und fragte, ob er sich den Bus ansehen dürfte. Natürlich durfte er! Es stellte sich heraus, dass es ein Genfer Student war, der ein ähnliches Modell selbst besass. Und er fuhr den Bus für sie, nach der Reparatur, von Berlin nach Freiburg.

Nun steht der Bus in der Bluefactory, wird von Reinard umgebaut (er hat früher Segelschiffe restauriert) und soll bald mit Kochöl und Solarstrom funktionieren. Und Haselbeck schaut für die Finanzierung.

Sollte alles klappen, wären sie schon bald gemeinsam unterwegs, um im Schweizer Postauto für die Umwelt zu werben und ihre Schuhe als Werbeträger zu nutzen.

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