Tipps von Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs, damit es im Bett (und anderswo) nicht langweilig wird
«Haben Sie schon von einem Penis gehört, der vibriert?»

Wie Sex in langjährigen Beziehungen aufregend bleibt? Weshalb sich Frauen im Bett schneller langweilen? Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs erklärt, wie sich die neuen Geschlechterrollen auf unsere Sexualität auswirken.
Publiziert: 31.03.2022 um 09:54 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2022 um 17:18 Uhr
Lea Ernst

Weshalb Frauen schneller keine Lust mehr haben

«Ganz einfach: Jahrhundertelang war die Sexualität männlich geprägt. Durch das Rein und Raus der Penetration gelangt der Mann in der Regel schnell zum Orgasmus. Für die Tiefenrezeptoren der Vagina ist das aber eher uninteressant. Viele Frauen kommen durch die Stimulation der Klitorisperle und entdecken ihre Vaginalität gar nie – ein total unterschätztes Organ. Dabei kann schon eine leicht veränderte Stosstechnik einen ganz guten Orgasmus generieren, zum Beispiel durch leichtes Kreisen oder Drücken.

Viele Frauen stehen heute mehr dafür ein, was sie im Bett brauchen. Der klassische Penetrationssex wird öfters nicht mehr gewollt. Viele Frauen – gerade die jüngeren – sagen mir, dass sie einfach keinen Bock mehr haben auf die schnelle Welle. Dass Frauen schneller keine Lust mehr haben, liegt also oft daran, dass sie einfach keine Lust auf den Sex haben, der zu Hause auf sie wartet.

Diese neuere Erscheinung in der Paarsexualität erlebe ich bei meiner Arbeit viel häufiger als früher. Für Männer eine Herausforderung: Meist haben sie sich den schnellen Reibungssex beigebracht. Erschwerend kommt der Konsum von meist klassisch penetrativen Pornos dazu.»

Sexualtherapeutin und klinische Sexologin Katrin Hinrichs aus Hamburg behandelt in ihrer Praxis Menschen, die unter Sexualstörungen leiden.
Foto: Gerrit Meier
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Weibliche Lust versus männliche Lust

«Es ist ein Mythos, dass es da heute noch grosse Unterschiede gibt. In meiner Praxis sitzen Männer, die keine Lust haben, sowie Frauen, die sehr viel Lust auf Sex haben. Das Lustzentrum von Mann und Frau funktioniert ja gleich – nur wird davon entweder die Vagina feucht oder der Penis hart. Ein kleiner Unterschied: Bei vielen Frauen wird die Lust durch den Monatszyklus beeinträchtigt. Um den Eisprung herum wollen sie für gewöhnlich mehr Sex.»

Zur Person

Die Sexualtherapeutin und klinische Sexologin Katrin Hinrichs aus Hamburg behandelt in ihrer Praxis Menschen, die unter Sexualstörungen leiden. Im Podcast «Ich frage für einen Freund» beantwortet sie Fragen rund ums Thema Sex. Hinrichs ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Die Sexualtherapeutin und klinische Sexologin Katrin Hinrichs aus Hamburg behandelt in ihrer Praxis Menschen, die unter Sexualstörungen leiden. Im Podcast «Ich frage für einen Freund» beantwortet sie Fragen rund ums Thema Sex. Hinrichs ist verheiratet und hat zwei Töchter.

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So lernen wir Lust

«Noch heute ist die Sexualität von Mädchen und jungen Frauen ein viel grösseres Tabu. Dadurch haben sie es schwerer, ihr Geschlecht zu entdecken und zu geniessen. Das bräuchte es jedoch für eine gesunde Sexualität. Männer haben ihren Penis ja schon als Kinder ständig in der Hand. Ebenso selbstverständlich sollte es für Frauen werden, sich zu berühren und zu begreifen, im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht gerade an der Aldi-Kasse, sondern im eigenen Zimmer.

Sexualität ist ein erlernter Prozess, der nicht einfach vom Himmel fällt, sobald wir in die Pubertät kommen. Sie entwickelt sich von Geburt an, je nachdem, wie wir unseren Körper berühren und was uns vorgelebt wird. Drehen die eigenen Eltern schon bei der kleinsten Kussszene den Fernseher um, wird man sich auch später nicht trauen, etwas zu dem Thema zu fragen.

Aus Studien wissen wir, dass die meisten Frauen, die ihre Sexualität gesund ausleben können, aus offeneren Haushalten stammen, in denen Sexualität nicht dermassen tabuisiert wurde. Zu diesem Selbstverständnis gehört auch nur schon, als Kind auf der Sachebene zu lernen, wie man sein eigenes Geschlecht überhaupt richtig benennt.»

Wie wir besseren Sex haben können

«Eine wichtige Rolle bei der eigenen Sexualität spielt, wie man gelernt hat, sich zu befriedigen. Presse ich mein Geschlecht mit Druck gegen eine Matratze, um zu kommen? Hole ich mir, auf Deutsch gesagt, einfach einmal schnell mit der Hand einen runter? Bei Frauen sowie Männern ist die Stimulation durch Vibration extrem angesagt. Eine meist zielführende Methode, doch kann sie in der Paarsexualität zur Herausforderung werden. Oder haben Sie schon einmal von einem Penis gehört, der vibriert?

Es ist deshalb extrem wichtig, die eigene Sexualität ständig zu erweitern, neu zu entdecken, sich weiterzuentwickeln. Also nicht immer einfach das zu tun, was man halt schon immer so gemacht hat. Um das eigene Körpergefühl zu verändern, kann man zum Beispiel die Beckenschaukel ausprobieren, das ist eine Bewegungsübung. Des Weiteren sollte gleichzeitig auch versucht werden, die Atmung zu verändern, um mehr Raum einzunehmen, andere Bewegungen und Berührungen auszuprobieren, um dadurch wieder mehr ins Spüren zu gelangen.»

So funktioniert Sex auch in langjährigen Beziehungen

«Sind wir frisch verliebt, schlafen wir ständig miteinander. Sogar schlechter Sex ist in dieser Phase toll. Kommt im Laufe der Zeit nichts Neues dazu, hat man irgendwann weniger Lust aufeinander. Neues und Verbotenes triggert schliesslich unser Lustzentrum. Die eigene Sexualität verändert sich ständig, so wie sich nun mal alles im Leben ständig weiterentwickelt.

Deshalb gehen viele Menschen fremd, weil sie sich diesen Kick von aussen wieder holen wollen. Dabei würde das auch in der eigenen Beziehung gut gehen – dort erfordert es jedoch etwas Arbeit. Das kann nur schon heissen, mal wieder an einem anderen Ort, zum Beispiel auf dem Sofa, in der Küche oder im Badezimmer Sex zu haben. Oder für einmal die Penetration wegzulassen, um den Körper des anderen neu zu entdecken. Vor allem, wenn man Kinder hat und beide Partner Jobs haben, kommt die Zeit zu zweit viel zu kurz.

Dann frage ich die Paare in meiner Praxis: Wie oft sitzt ihr ausgeschlafen nebeneinander auf dem Sofa und schenkt euch eure volle Aufmerksamkeit, ohne das Smartphone in den Händen zu halten? Es geht um Intimität, um emotionale Kontaktpunkte. Ohne Einsatz und etwas Arbeit ist guter Sex in längerfristigen Beziehungen oft schwierig oder gar nicht mehr vorhanden. Doch Sexualität hat kein Verfallsdatum. Sie kann fast immer wiederbelebt werden. Und je mehr Lust wir generieren, desto mehr Lust haben wir auf eine Wiederholung.»

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