Für Chuwy beginnt ein neues Hundeleben
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Haustierboom in der Pandemie:Für Chuwy beginnt ein neues Hundeleben

In der Pandemie waren Haustiere so begehrt wie nie zuvor. Doch die Liebe ist nicht immer von Dauer
Für Chuwy beginnt ein neues Hundeleben

Unüberlegt angeschafft und nach zwei Wochen ins Tierheim abgeschoben: Der Lagotto Chuwy ist ein typischer Corona-Hund. Jetzt bekommt er ein richtiges Zuhause.
Publiziert: 31.12.2021 um 12:30 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2021 um 16:12 Uhr
Katja Richard

Heute beginnt für Chuwy (11 Monate) ein neues Hundeleben: Der Lagotto darf aus dem Tierheim und verbringt einen Tag mit seiner neuen Familie – fürs gegenseitige Kennenlernen, nach Silvester zieht er dann für immer ein. «Bei der Knallerei ist er im Tierheim besser aufgehoben, es ist etwas abseits gelegenen», sagt Cony Vollenweider. Chuwys Freude ist offensichtlich, schwanzwedelnd begrüsst er seine neue Besitzerin: «Er ist sehr offen und lässt sich gerne streicheln. Vielleicht ist er ja bei allen so – aber für uns ist Chuwy einmalig.»

Für den weissen Trüffelhund gingen über 15 ernstzunehmende Anfragen im Tierheim Paradiesli ein, fünf der Bewerber konnten Chuwy besuchen, die Wahl fiel schliesslich auf Familie Vollenweider, denn sie haben schon Erfahrung mit Hunden und vor allem auch Zeit. «Es ist ein richtiges Adoptionsverfahren», sagt Cony Vollenweider. «Aber ich finde es wichtig und richtig, dass Tierheime diesen Prozess so seriös durchführen.» Für sie macht es Sinn, einen Hund zu adoptieren: «Es gibt hier im Heim so viele Tiere, die auf einen Platz warten.» Und Welpen seien ohnehin schwer zu bekommen, zumindest in der Schweiz: «Und für uns kommt es nicht infrage, einen jungen Hund im Internet zu bestellen.»

Hundeboom in der Pandemie

In der Pandemie ist ein regelrechter Hundeboom ausgebrochen: Weil es hierzulande nicht genug Welpen zu kaufen gibt, nahmen im vergangenen Jahr die Importe zu: 10 Prozent mehr Hunde aus dem Ausland wurden registriert. Seit dem ersten Lockdown im März 2020 wurden fast 30'000 Hunde mehr angemeldet, total leben 544'000 Hunde in der Schweiz. Der Trend zur steigenden Population zeigt sich gemäss der Hunde-Datenbank Amicus bei der Registrierung von neuen Hunden: Während in der Vergangenheit jährlich zwischen 5000 und 6000 neue Hunde angemeldet wurden, hat sich diese Zunahme mit rund 11'000 Tieren verdoppelt, man spricht dabei vom «Covid-Heimtiereffekt».

Chuwy bekommt endlich ein richtiges Zuhause: Seine neue Besitzerin Cony Vollenweider holt den Lagotto zum Probetag ab.
Foto: Nathalie Taiana
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Chuwy ist ein typischer Pandemie-Hund – im doppelten Sinne: Zuerst erwünscht, denn in der sozialen Isolation sehnen sich viele nach einem treuen Vierbeiner an ihrer Seite, als Stimmungsaufheller, für mehr Struktur im Alltag und um regelmässig rauszukommen. Dabei wird oft unterschätzt, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit ein Hund braucht. Die Reise von Chuwy in die Schweiz begann im September mit der Übergabe in einem Hotel nahe an der Grenze in Italien: Der Lagotto war zu der Zeit 8 Monate alt, die damalige Besitzerin war mit dem Junghund rasch überfordert. Zwar konnte sie ihn mit zur Arbeit nehmen, aber dort musste er allein in einem Raum bleiben. Zwei Wochen später landete er im Tierheim Paradiesli – der Züchter aus Italien ging nicht mal mehr ans Telefon.

Vorsicht beim Hundekauf

Von solchen Hundekäufen raten Tierschützer und Tierheime dringend ab: «Man kann nicht wissen, was so ein Hund für eine Vorgeschichte hat, man kennt seinen Charakter nicht oder wie es um seine Gesundheit steht», sagt Flavia Purtschert (25) vom Tierheim Paradiesli in Ennetmoos NW. Chuwy sei zwar ein liebevoller Hund, aber unsicher und null erzogen: «Er testet seine Grenzen aus und frisst alles, was auf dem Boden liegt.» Zudem ist Chuwy entgegen den Angaben des italienischen Züchters noch nicht mal stubenrein und hat Durchfall. «Es ist gut, dass die ehemalige Besitzerin den Hund zu uns gebracht hat, so hat er eine Chance auf ein Platz, wo man genug Zeit für ihn hat und seine Erziehung nachholen kann.»

Für einen Rüden wird eine Schutzgebühr von 600 Franken verrechnet, damit wird ein Teil der Kosten des Tierheims gedeckt. Zudem unterschreiben die neuen Besitzer einen Vertrag: Falls sie Chuwy nicht mehr behalten wollen oder können, geht er zurück ins Tierheim. Das wird kaum der Fall sein. «Wir sind uns bewusst, dass Chuwy auch eine Herausforderung ist. Aber er hat einen tollen Charakter und wir nehmen uns die Zeit, ihm alles beizubringen, damit er ein schönes und hundegerechtes Leben führen kann», sagt Cony Vollenweider. Die Familie liest schon fleissig Ratgeber und wird sich, wenn nötig, von einer Hundetrainerin beraten lassen: «Lagottos sind Arbeitshunde und brauchen Beschäftigung, aber auch Ruhe. Das passt zu uns, wir sind sehr aktiv und sind gerne in der Natur.» Da sei es wichtig, dass Chuwy überall mit kann und keine Angst hat, in eine Bahn einzusteigen oder eine Metalltreppe runterzugehen. Trüffel muss der Lagotto keine finden: «Nehmen würden wir die natürlich schon. Aber das üben wir dann später.»

So viel Glück wie Chuwy haben nicht alle seiner Schicksalsgenossen: Überall in den Schweizer Tierheimen warten Vierbeiner sehnsüchtig auf ein neues Daheim. «Kleine, mittelgrosse und vor allem unkomplizierte Hunde finden oftmals innert weniger Wochen einen Platz», sagt Rommy Los. Der Geschäftsführer vom Tierheim des Zürcher Tierschutzes am Zürichberg fasst das Dilemma zusammen: «Sitzenbleiben tun die grossen und anspruchsvollen Hunde.» Darunter können auch beschlagnahmte Tiere aus problematischer Haltung sein. «Für solche Fälle haben wir mittlerweile eine Warteliste», sagt Los.

Das war anfangs der Pandemie im Frühling 2020 noch anders: Die Hundeboxen am Zürichberg waren teilweise leer: «Damals hatten wir sehr viele Anfragen und kaum Hunde, die abgegeben wurden», so Los. Dennoch sei der Covid-Heimtiereffekt bis heute spürbar: «Normalerweise nehmen wir jährlich knapp über 400 Tiere bei uns auf, darunter sind auch viele Katzen, Kleinnager und besonders Exoten. In den letzten beiden Jahren waren es noch 300.» Derzeit würden noch immer weniger Verzichtstiere abgegeben. Für Los liegt der Grund auf der Hand: «Die Pandemie ist noch nicht vorüber, viele sind weiterhin im Homeoffice.» Er hofft, dass danach die Tierheime nicht plötzlich überfüllt sind.

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