Wissenschaftspreis geht an Psychologieprofessor Thomas Berger
Er hilft Patienten online bei Angst und Trauer

Der Schweizer Professor für Psychologie Thomas Berger hat den Schweizer Wissenschaftspreis gewonnen. Seine Arbeit den Menschen helfen, die unter Ängsten und Depressionen leiden.
Publiziert: 19.09.2021 um 17:00 Uhr
Silvia Tschui

Von zehn Menschen leidet in der Schweiz jeder dritte unter einer psychischen Erkrankung. Das können solche Ängste sein, dass man kaum aus dem Haus kann, das können Depressionen oder Schlafstörungen sein. Soziale Angsterkrankungen, Einsamkeit und Depressionen sind die Volkskrankheiten Nummer eins in westlichen Gesellschaften – und schaden der ganzen Gesellschaft, da psychisch erkrankte Menschen oft ausfallen. Dies galt bereits vor Pandemiezeiten und gilt jetzt noch verstärkt.

Schweizer Wissenschaftspreis

All diesen Menschen, also gut einem Zehntel unserer Gesellschaft, kann die Forschung von Thomas Berger (50) helfen. Der Professor für Psychologie von der Universität Bern erforscht und entwickelt Online-Programme und Apps, die mit Unterstützung von Fachpersonen und in Ergänzung mit einer klassischen Psychotherapie bei häufigen psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen sehr gut wirken – und wurde für seine Forschung soeben mit dem Schweizer Wissenschaftspreis ausgezeichnet, sozusagen dem Nobelpreis der Schweiz. Den Anstoss dazu fand Berger vor zwanzig Jahren während seiner Ausbildung zum Psychotherapeuten. Er bemerkte, dass insbesondere Personen mit einer sozialen Angststörung so nervös waren, ihm gegenüberzusitzen, dass sie Gesprochenes kaum aufnehmen konnten. «Dabei ist die sogenannte Psychoedukation sehr wichtig», sagt Berger und meint damit, dass Patienten zunächst verstehen müssen, was mit ihnen los ist und welche Verhaltensweisen ihre Störung automatisch verfestigen und aufrechterhalten, bevor man sie behandeln kann.

Zürcher Musikerin Joana Maria Aderi vertont psychische Störungen

Wer wissen möchte, wie sich Angsterkrankungen und Depressionen anfühlen, oder vergleichen möchte, ob das, was er fühlt, vielleicht eine Angsterkrankung oder eine Depression sein könnte, kann dies nachhören. Die Zürcher Musikerin und Kulturvermittlerin Joana Maria Aderi hat in ihrem Onlineprojekt «Störungsmusik» die Geschichten Betroffener vertont – und so sehr eingängig erfahrbar gemacht. Unter anderem erzählt ein Schlagzeuglehrer von seiner Depression oder eine leitende Angestellte im Sozialbereich über ihre Angststörung. Weitere Informationen: stoerungsmusik.com

Wer wissen möchte, wie sich Angsterkrankungen und Depressionen anfühlen, oder vergleichen möchte, ob das, was er fühlt, vielleicht eine Angsterkrankung oder eine Depression sein könnte, kann dies nachhören. Die Zürcher Musikerin und Kulturvermittlerin Joana Maria Aderi hat in ihrem Onlineprojekt «Störungsmusik» die Geschichten Betroffener vertont – und so sehr eingängig erfahrbar gemacht. Unter anderem erzählt ein Schlagzeuglehrer von seiner Depression oder eine leitende Angestellte im Sozialbereich über ihre Angststörung. Weitere Informationen: stoerungsmusik.com

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Die Lösung dieses Problems lag mit dem Aufkommen des Internets ums Jahr 2005 auf der Hand: die Patienten zunächst zu Hause online zu begleiten, damit sie die Wissensvermittlung ohne angstauslösenden persönlichen Kontakt aufnehmen und verarbeiten können. Und da Thomas Berger auch programmiert, hat er diese Online-Hilfestellungen gleich selbst entwickelt, samt Chatfunktion, die eine Rückmeldung und positive Verstärkung seitens des Therapeuten erlaubt, etwa ein Lob, wenn sich ein Patient einer für ihn schwierigen Situation ausgesetzt hat.

Thomas Berger ist Professor für klinische Psychologie und Psychotherapie an der Uni Bern.
Foto: Daniel Rihs fotografiert
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Viel positives Feedback von allen Seiten

Der Vater von drei Töchtern im Teenageralter hatte damit sein Feld gefunden – und der Erfolg ihn. «Ich bin nicht zur Welt gekommen und habe gedacht, ich werde Psychotherapeut und rette so die Menschheit», sagt Berger. Vielmehr hätten sich im Laufe seiner Arbeit Interessensgebiete überschnitten. «Ich habe es schon immer geliebt zu forschen, also Muster zu erkennen und zu überprüfen und daraus Konzepte und Handlungsmöglichkeiten abzuleiten. Und als positiv verstärkender Nebeneffekt ist seit der Entwicklung des Konzepts der Online-Therapiebegleitung sehr viel positives Feedback von Patienten, aber auch von Unternehmen und der Wissenschaft eingetreten.» Und von Institutionen wie dem Schweizerischen Nationalfonds und der EU, die schon bald begonnen haben, Bergers Arbeit mithilfe von Forschungs-Fördergeldern zu unterstützen.

Einige Krankenkassen übernehmen Tools

Stichwort Unternehmen: Berger ist mit seiner Idee natürlich nicht allein, wenn er auch einer der Ersten ist, die ein solches Konzept selbst entwickelt haben. Anstatt wirtschaftlich orientierte Unternehmen aber als Konkurrenz zu sehen, überprüft er auch die Wirkung von digitalen Tools, die von Unternehmen entwickelt werden. Seine Forschung hat mit dazu beigetragen, dass bestimmte Selbsthilfeprogramme wie velibra.ch oder deprexis.ch in Deutschland auf Rezept verschrieben und von gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. In der Schweiz sind es etwa CSS, Helsana oder Sanitas. Von Berger selbst entwickelte Hilfeleistungen finden sich zudem unter online-therapy.ch, einer Webseite der Universität Bern, auf welcher man sich aktuell für Online-Programme zu sozialen Ängsten bei Kindern und Erwachsenen und bei Gefühlen der Einsamkeit anmelden kann – die dabei erhobenen anonymisierten Daten verwendet das Team an der Universität Bern wiederum dafür, die Online-Angebote zu verfeinern.

Online-Therapie ersetzt nicht Therapeuten

Berger ist es sehr wichtig zu betonen, dass diese Online-Programme ohne zusätzlichen Kontakt zu Fachpersonen oft mit hohen Abbruchraten und nur kleinen positiven Effekten verbunden sind. Die zusätzliche Unterstützung durch einen Therapeuten ist wichtig, damit Betroffene auch dranbleiben und die Übungen durchführen. «Ausserdem spielt die Beziehung zu einem Therapeuten auch in Online-Therapien eine wichtige Rolle», sagt Berger.

Die von ihm untersuchten und teilweise entwickelten Apps und Online-Programme sind also nicht als Ersatz, sondern als Zusatz zu verstehen. Der Wissenschaftspreis bestätigt nun: Sie sind Werkzeuge, die unsere Gesellschaft und das Leben Einzelner zum Positiven wenden können.

Hier finden Sie Hilfe

Die Dargebotene Hand:
Anonyme Beratung unter Einhaltung der Schweigepflicht.
Per Telefon 143 und Online www.143.ch.

Beratungsstelle Castagna für sexuell ausgebeutete Kinder, Jugendliche und in der Kindheit ausgebeutete Frauen und Männer:
044 360 90 40, www.castagna-zh.ch.

Opferhilfe Schweiz:
www.opferhilfe-schweiz.ch

Die Dargebotene Hand:
Anonyme Beratung unter Einhaltung der Schweigepflicht.
Per Telefon 143 und Online www.143.ch.

Beratungsstelle Castagna für sexuell ausgebeutete Kinder, Jugendliche und in der Kindheit ausgebeutete Frauen und Männer:
044 360 90 40, www.castagna-zh.ch.

Opferhilfe Schweiz:
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