«Wir müssen Fehlerfreundlichkeit praktizieren»
Wie mache ich richtig Fehler?

Fehler werden in unserer Gesellschaft stets sanktioniert, Scheitern gilt als Schande. Dennoch passieren sie uns allen ständig. Gibt es eine richtige Art, Fehler zu machen und wie gehe ich besser mit ihnen um? Blick hat einen Experten gefragt.
Publiziert: 02.05.2022 um 10:09 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 14:36 Uhr
Fehler werden unserer Gesellschaft stets sanktioniert, gelten als schlecht. Dennoch passieren sie uns ständig. «Wir müssen Fehlerfreundlichkeit praktizieren», sagt Fehlerforscher Theo Wehner.
Foto: Getty Images
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Anna Lea Spörri

1. Wie reagiere ich richtig, wenn ich einen Fehler mache?

Fehler auf Teufel komm raus verhindern zu wollen, nützt nichts. Sie können demnach laut Arbeits- und Organisationspsychologe Theo Wehner nicht falsch sein, sehr wohl aber der Umgang mit ihnen: «Falsch ist all das, was wir im christlichen Abendland meist ‹reflexartig› tun: rot anlaufen, korrigieren oder schauen, ob es jemand bemerkt hat.» Ebenfalls sinnlos sei es, die Schuldfrage unmittelbar klären zu wollen oder weiterzumachen wie bisher.

2. Wie gehe ich am besten mit Fehlern um?

Fehler passieren uns allen, das können wir nicht verhindern. Viel wichtiger sei es darum, richtig mit ihnen umzugehen, sagt Theo Wehner: «Staune über deine Fehler und wundere dich über sie. Versuche erst im zweiten Schritt, sie zu korrigieren und daraus zu lernen.» Was im ersten Moment unlogisch erscheint, hat durchaus System: Wer sich über seine Fehler nicht wundert, sondern sie vertuscht oder gleich nach Schuldigen sucht, wird nie etwas daraus lernen. Nimmt man sich einen Moment Zeit und reflektiert den Fehler, wird er seltener nochmals passieren. Doch auch wer etwas aus seinen Fehlern gelernt hat, hat keinen «Garantieanspruch» auf einen fehlerfreien Gang durchs Leben in Zukunft. «Scheitern ist immer eine Option», sagt Wehner.

3. Inwiefern kann ich Fehlern vorbeugen?

«Indem du deine Stärken einzuschätzen lernst und dort Strategien entwickelst, wo deine Fähigkeiten nicht reichen», sagt Experte Wehner. Diese können ganz unterschiedlich aussehen: Gründlicher planen, hilft vielen Menschen. Auch sich intensiver mit der Situation, beispielsweise einem bevorstehenden Vortrag, auseinandersetzen, kann nützlich sein. «Es hilft, eine wichtige, bevorstehende Situation gedanklich durchzuspielen. Spitzensportler, gute Chirurgen und Topmanagerinnen kennen und machen das», sagt Wehner. Ausserdem lohnt es sich, selbstbewusst zu handeln und Risiken einzugehen - statistisch gesehen macht man so nämlich weniger Fehler.

4. Unsere Gesellschaft verzeiht fast keine Fehler. Wie kann man das ändern?

«Wir müssen Fehlerfreundlichkeit praktizieren», sagt Fehlerforscher Wehner. Im Unterschied zur Fehlertoleranz sei die Fehlerfreundlichkeit eine Hinwendung zum Fehler statt eine Tabuisierung dessen. Wie das geht? «Erziehungspersonen, Pädagogen oder Ingenieurinnen sollten versuchen, Fehlerkonsequenzen harmlos zu halten», sagt Wehner. Durch sogenannte «try out areas» (z. dt. Ausprobierbereiche) sollen Lehrpersonen und Chefs Raum zum Fehlermachen schaffen.

5. Wie kann ein positiver Umgang mit Fehlern praktisch aussehen?

Beispiele aus der Praxis gibt es viele, etwa das «Student Project House» der ETH Zürich. Während im «Makerspace» mit 3D-Drucker und Lasercutter ausprobiert werden kann, sollen Studierende im «Ideaspace» ihre Ideen sammeln, besprechen und so weiterentwickeln. Die Devise lautet: Ausprobieren statt Besserwissen! Gemäss Wehner ist es sinnvoll, Fehler sogar positiv zu bewerten und sie als Erkenntnisgewinn zu verorten. Das hat auch das Silicon Valley bemerkt: Laut einem Artikel der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» gehören Fehler dort natürlicherweise zu Erfolg dazu. Ein Bankrott gelte gar als gutes Vorzeichen für eine weitere Investition. Allerdings ist das nicht bei allen Fehlern der Fall: «Selbst Hobbygärtner wissen, dass nicht jeder Mist auch Dünger ist», sagt Wehner. Gewisse Fehler sind einfach nur ärgerlich.

6. Was ist der Unterschied zwischen Irrtümern und Fehlern?

Der Duden weist die beiden Worte als Synonyme aus. Fälschlicherweise, der Unterschied ist aber ganz einfach: In beiden Fällen wird das gewünschte Ziel verfehlt. Während es der Akteur beim Fehler aber im Vorhinein schon besser wüsste, fehlen ihm beim Irrtum gewisse Informationen. Verwechselt eine erwachsene Person rechts mit links, macht sie einen Fehler, sie müsste es besser wissen. Wer am Anfang einer Pandemie verkündet, Masken können keine Ansteckungen verhindern, unterliegt einem Irrtum. Allerdings stellt Wehner klar: «Wer sie bis vor Kurzem noch am Kinn trug oder nur den Mund damit bedeckt, lag eindeutig falsch.» Irrtümer sind zwar in gewisser Weise verzeihlicher, trotzdem ist es wichtig, auch Fehlern nachsichtig zu begegnen. Denn wie ein altes Sprichwort besagt: In jeder guten Töpferei liegen auch Scherben.

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