Extremsituation hinterm Steuer
Deshalb bist du im Auto ein anderer Mensch

Im Auto kann sich die ausgeglichenste Person zur Furie verwandeln. Warum das so ist, weiss der deutsche Stauforscher Michael Schreckenberg (67).
Publiziert: 31.07.2024 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 14.08.2024 um 09:42 Uhr
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Jonas DreyfusService-Team
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Im Auto bist du ein Gefangener

Sobald du auf der Autobahn fährst, kannst du nicht so einfach anhalten. Geschweige denn aussteigen. Das mache einen zum Gefangenen im eigenen Fahrzeug, sagt der deutsche Stauforscher Michael Schreckenberg. Man werde fremdbestimmt, was Aggressionen freien Lauf lässt. «Gerät man in einen Stau, wird man zum Stillstand gezwungen. Manche Betroffene verhalten sich auffällig, indem sie zum Beispiel wild gestikulieren oder ständig die Spur wechseln.»

Stau-Zuschauer beobachten das Geschehen auf der A13 in Richtung Süden am Karfreitag 2023.
Foto: Keystone
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Jeder fühlt sich benachteiligt

Jeder kennt das Gefühl, dass man sich im Stau immer auf derjenigen Spur befindet, auf der sich gerade nichts bewegt. Schreckenberg: «Oder anders formuliert: Man denkt immer, die andere Spur wäre schneller.» Psychologisch lässt sich das erklären: Wenn dich ein Fahrzeug überholt, wirst du ständig daran erinnert, weil es vor dir fährt. Wenn du selbst eines überholst, vergisst du es nach dem Motto «aus den Augen, aus dem Sinn». Das Gefühl, benachteiligt zu werden, entspricht also nicht der Realität. Durch häufiges Spurwechseln holt man gemäss Schreckenberg maximal drei bis vier Minuten heraus. Getestet hat er das auf einer 70 Kilometer langen Strecke zwischen München (D) und Salzburg (A).

Die fünf häufigsten Arten von aggressivem Verhalten im Autoverkehr

Gemäss einer Umfrage von Comparis aus dem Jahr 2017 sieht die Hitparade der fünf häufigsten Arten von aggressivem und gefährlichem Verkehrsverhalten folgendermassen aus:

  1. Dichtes Auffahren

  2. Lichthupen und Hupen

  3. Provokative Fahrmanöver

  4. Beleidigungen durch obszöne Gesten

  5. Ausbremsen

Drei Prozent der Befragten sagten, sie seien schon in Handgreiflichkeiten verwickelt gewesen.

Folgendes Verhalten gilt gemäss TCS als aggressiv:

  • Lichthupen, Hupen

  • Drängeln

  • Extra langsames Fahren

  • Vortritt verwehren

  • Unnötig bremsen oder blockieren der Überholspur

  • Obszöne Gesten, jemanden beschimpfen

Gemäss einer Umfrage von Comparis aus dem Jahr 2017 sieht die Hitparade der fünf häufigsten Arten von aggressivem und gefährlichem Verkehrsverhalten folgendermassen aus:

  1. Dichtes Auffahren

  2. Lichthupen und Hupen

  3. Provokative Fahrmanöver

  4. Beleidigungen durch obszöne Gesten

  5. Ausbremsen

Drei Prozent der Befragten sagten, sie seien schon in Handgreiflichkeiten verwickelt gewesen.

Folgendes Verhalten gilt gemäss TCS als aggressiv:

  • Lichthupen, Hupen

  • Drängeln

  • Extra langsames Fahren

  • Vortritt verwehren

  • Unnötig bremsen oder blockieren der Überholspur

  • Obszöne Gesten, jemanden beschimpfen

«Warum fährt er nicht? Warum bremst er? Und überhaupt!» Im Stau kann es einem niemand recht machen.
Foto: Shutterstock
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Die Uhr tickt

Ein Grossteil der Menschen, die im Verkehr unterwegs sind, stehen unter Zeitdruck. Voraussehbare Staus, zu denen es immer an denselben Stellen kommt, lassen sich einberechnen. Stressig werde es, wenn Unvorhersehbares passiere, sagt Schreckenberg. Dazu gehören Unfälle oder Baustellen, mit denen man nicht gerechnet hat. Wer in die Ferien fährt, könne einigermassen mit einer Verspätung leben. «Wer einen wichtigen Termin verpasst, muss mit Konsequenzen rechnen. Ich habe schon erlebt, wie jemand rückwärts die Rettungsgasse zurückfuhr und sich ihm ein Fahrer nach dem anderen anschloss. Im Stau kommt es schnell zu Rudelverhalten.»

Stau und streitende Kinder auf dem Rücksitz. Fehlt nur noch eine Reifenpanne.
Foto: Getty Images/Image Source
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Schimpfen macht es nicht besser

Wer alleine im Auto sitzt, geniesst Anonymität. Niemand hört, was man sagt, man fühlt sich unbeobachtet. «Sie können sich als Autofahrer also ganz anders verhalten, als das im Alltag möglich ist», sagt Schreckenberg. Indem man zum Beispiel flucht oder über andere schimpft. Wer es damit übertreibt, stachelt sich selbst an. Schreckenberg: «Man wird noch genervter, als man es schon ist. Ich empfehle deshalb jedem, dem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer mit Gelassenheit zu begegnen.»

Physiker, Stauforscher

Michael Schreckenberg (67) ist seit 1997 Professor für Physik von Transport und Verkehr an der Universität Duisburg-Essen und der bekannteste Stauforscher im deutschsprachigen Raum. Schreckenberg analysiert unter anderem, wie Staus entstehen und wie Autofahrer auf Verkehrsinformationen reagieren. Er kam in Düsseldorf zu Welt, lebt heute in Duisburg, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Fank Preuss

Michael Schreckenberg (67) ist seit 1997 Professor für Physik von Transport und Verkehr an der Universität Duisburg-Essen und der bekannteste Stauforscher im deutschsprachigen Raum. Schreckenberg analysiert unter anderem, wie Staus entstehen und wie Autofahrer auf Verkehrsinformationen reagieren. Er kam in Düsseldorf zu Welt, lebt heute in Duisburg, ist verheiratet und hat drei Kinder.

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