Neue Studie aus den USA zeigt
Kiffen führt in die Sucht

Kiffen ist nicht harmlos. Eine neue Studie legt nahe: Es steigert das spätere Risiko von Schizophrenie und Depression, macht anfälliger auf Sucht nach Opiaten wie Heroin, und beeinflusst langfristig, wie man mit Stress umgehen kann.
Publiziert: 08.09.2023 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2023 um 10:26 Uhr

Schweizer Teenager sind, das weiss man dank der vierjährlich durchgeführten WHO-Studie von 2016 und von 2020, Europameister im Kiffen. Nur in Bulgarien nebeln sich die Teenager damit öfter zu als hierzulande. 27 aller 15-jährigen Schweizer Jungs und 17 Prozent aller 15-jährigen Mädchen gaben damals an, mindestens schon einmal Cannabisprodukte probiert zu haben.

Das hat Folgen. Und zwar Langzeitfolgen fürs Hirn, wie eine neue Studie zeigt. Yasmin Hurd (57), vielzitierte US-Neurowissenschaftlerin und Direktorin des Suchtzentrums des grössten Universitätsspitals der USA, Mount Sinai in New York, hat gleich mehrere Ansätze verfolgt, um die Langzeit-Schädlichkeit von Cannabis, insbesondere auf die sich noch entwickelnden Hirne von Kindern und Jugendlichen, zu untersuchen. Zum einen hat sie in Tierversuchen die Hirne von Ratten untersucht, zum anderen hat sie seit den 1990er-Jahren eine sogenannte Hirndatenbank aufgebaut. In dieser befinden sich menschliche Gewebeproben von Amphetamin- und Heroinkonsumenten, wie auch von Schizophrenie-Kranken.

Ratten, die THC konsumierten, wurden später eher Heroin-abhängig

Ihre Tierversuche an Ratten zeigten zum einen, dass die Tiere, die früh, also sozusagen im Teenie-Alter Cannabisprodukten ausgesetzte waren, später, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten, viel mehr Heroin konsumierten als die Vergleichsgruppe. Sie reagierten auch sehr viel empfindlicher auf Stresshormone und isolierten sich sozial. Dass ihre Hirnzellen früh THC ausgesetzt waren, veränderte auch die Reaktionen im Belohnungszentrum des Gehirns, was darauf hindeutet, dass die Droge das Gehirn verändern kann.

Neurowissenschaftlerin Yasmin Hurd hat Zusammenhänge zwischen Suchtverhalten, Schizophrenie und Cannabis-Konsum nachgewiesen.
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Richtig interessant wird es aber dann, wenn man die Hirne dieser THC-Ratten mit den Hirnen Schizophrener vergleicht. Bei Schizophrenie ist, unter anderem, und vereinfacht gesagt, die Vernetzung einzelner Neuronen gestört und verkümmert. Neuronen vernetzen sich mit astartigen Fortsätzen untereinander – je mehr dieser Vernetzungen existieren, je stärker sie sind, desto besser funktioniert das Gehirn. Sowohl bei den erwachsenen Ratten, die im Jugendalter THC ausgesetzt waren, als auch bei Schizophrenen, zeigte sich dasselbe Bild: stark verkümmerte neuronale Vernetzungen, insbesondere im präfrontalen Cortex. Dieser steuert Angstreaktionen, das Gedächtnis, Selbstkontrolle und Planung. Das legt den Schluss nahe, dass der Konsum von THC im Jugendalter das Risiko für spätere Schizophrenie, aber auch für Angsterkrankungen und Depressionen erhöht.

Studien am Menschen stützen ebenfalls die Befürchtung, dass der frühe Konsum dauerhafte Auswirkungen haben könnte. Eine im Jahr 2021 veröffentlichte Studie an 799 europäischen Jugendlichen brachte Cannabiskonsum mit einer Ausdünnung des präfrontalen Cortex und mit einem höheren Mass an Impulsivität in Verbindung.

Ob stark oder nicht stark – beides schadet

Bei all dem kommt es übrigens nicht auf die Konzentration des THC an – ob man starkes oder weniger starkes Cannabis raucht oder anderweitig zu sich nimmt, beides schadet: Niedrig konzentrierte Dosen verändern das Reaktionssystem im Hirn auf Opioide, könnten also Suchttendenzen verstärken, hoch konzentrierte Dosen schädigen hingegen direkt Hirnzellen namens Astrozyten, die unter anderem die Neuronen im Hirn mit Energie versorgen.

Fachleute sagen: Verbote bringen nichts

Stephanie Stucki, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Infodrog, der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht, sieht insbesondere darin, dass Jugendliche Schwarzmarktprodukten ausgesetzt sind, ein grösseres Problem: «Die Verbote in der Drogenpolitik vermochten den Cannabiskonsum nicht zu reduzieren und schwer kontrollierbare Schwarzmärkte bergen Risiken für die Gesundheit der Konsumierenden.» Die Schwarzmarktprodukte seien teils mit Pestiziden und synthetischen Cannabinoiden verunreinigt und hätten einen hohen THC-Gehalt.

«Es wäre deshalb aus der Sicht vieler Fachleute besser, für Erwachsene einen legalen Zugang zu qualitätsgeprüften Cannabisprodukten zu schaffen. Gleichzeitig braucht es aber strikte Regeln für den Markt», sagt Stucki. Für Jugendliche wären die Produkte so immer noch verboten. Begleitend braucht es daher, so Stucki, griffige Massnahmen der Prävention, der Beratung und Therapie und der Schadenminderung.

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