Verdacht auf Behandlungsfehler
«Die Beweislast liegt vollständig beim Patienten»

Eine falsche Behandlung kann schwerwiegende Folgen für Betroffene haben und ist schwer nachweisbar. Patientenschützer Mario Fasshauer (47) weiss, wie sich Patienten schützen können.
Publiziert: 01.10.2023 um 20:26 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2024 um 13:31 Uhr
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Valentin RubinRedaktor Service

Herr Fasshauer, was müssen Patienten tun, wenn sie den Verdacht haben, falsch behandelt worden zu sein?
Mario Fasshauer: Wenn man sich nach einem Arzttermin oder einem Eingriff nicht wohlfühlt, ist es immer gut, Zweifel zu haben. Am besten, man spricht sie gegenüber dem Arzt an. Ärzte können Fehler machen. Auch wenn es unabsichtlich geschieht, kann es langwierige Konsequenzen für den Patienten haben.

Welche Rechte habe ich, wenn es mir nach einem Eingriff oder einer Therapie schlechter geht als vorher?
Es gibt in der Schweiz kein Recht auf eine erfolgreiche medizinische Behandlung. Das Risiko, dass eine Therapie oder eine Operation nicht zur Besserung verhilft, besteht immer. Patienten müssen vor jedem Eingriff eine Einverständniserklärung unterschreiben. Darin erklären sie sich bereit, das Risiko und die Kosten, die daraus entstehen können, selbst zu tragen respektive sie von ihrer Krankenkasse bezahlen zu lassen. Den Anspruch auf finanzielle Entschädigung habe ich nur, wenn der behandelnde Arzt seine Sorgfaltspflicht verletzt hat und daraus ein gesundheitlicher Schaden resultiert.

Intensivpfleger, Patientenschützer und Gesundheitsökonom

Mario Fasshauer (47) ist seit 2020 Geschäftsleiter der Patientenstelle Zürich, die gleichzeitig die Geschäftsstelle des Dachverbands der Schweizerischen Patientenstellen ist. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert er sich als Dozent für Patientenrecht und Gesundheitsökonomie an diversen Hochschulen und Bildungseinrichtungen. Er ist diplomierter Intensivpfleger, besitzt einen Masterabschluss im Gesundheitsmanagement und ein Diplom im Bereich Pflegemanagement.

FOTO LEOFA

Mario Fasshauer (47) ist seit 2020 Geschäftsleiter der Patientenstelle Zürich, die gleichzeitig die Geschäftsstelle des Dachverbands der Schweizerischen Patientenstellen ist. Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert er sich als Dozent für Patientenrecht und Gesundheitsökonomie an diversen Hochschulen und Bildungseinrichtungen. Er ist diplomierter Intensivpfleger, besitzt einen Masterabschluss im Gesundheitsmanagement und ein Diplom im Bereich Pflegemanagement.

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Wie lässt sich das nachweisen?
Als Patient muss ich beweisen können, dass der Arzt Fehler gemacht hat, die er hätte vermeiden können. Die Beweispflicht liegt vollständig beim Patienten. Das Problem ist aber, dass es sehr zeit- und kostenintensiv ist, einen effektiven Behandlungsfehler juristisch nachzuweisen.

Warum?
Ein Patient muss alle Unterlagen für die Behandlung einsehen können, um Fehler nachzuweisen. Die Informationen müssen dabei möglichst vollständig sein. Man benötigt das gesamte Patientendossier: Arztberichte, Resultate von medizinischen Untersuchungen und allfällige Rezepte für Medikamente. Notfalls sind mehrere medizinische und juristische Untersuchungen nötig, bei verschiedenen Spitälern und Ärzten – abhängig davon, wo der Patient überall behandelt wurde. Ohne Anwalt oder Rechtsberater sind diese Aufgaben kaum zu bewältigen.

Mit welchen Kosten muss ein Patient rechnen?
Schon ein kleines Gutachten kann mehrere Tausend bis Zehntausend Franken kosten. Viele Patienten scheuen diesen Weg, denn spricht das Gutachten gegen den Patienten, trägt er sämtliche Kosten.

Beim Verdacht auf eine fehlerhafte Behandlung kann nur ein juristisches Gutachten Klarheit schaffen.
Foto: PantherMedia / Boris Zerwann

Wie lassen sich diese Kosten vermeiden?
Indem man eine Rechtsschutzversicherung mit Patientenschutz abschliesst. Damit werden die Mehrkosten für Patienten minimiert – allerdings nur, solange die Versicherung vor dem Schadensfall abgeschlossen wurde.

Was raten Sie Patienten, denen ein Eingriff oder eine Therapie bevorsteht?
Es lohnt sich, zu recherchieren, welche Behandlungsformen überhaupt infrage kommen und welches Ergebnis man sich erhoffen kann. Wenn man unsicher ist, was die Diagnose betrifft, sollte man sich eine Zweitmeinung einholen. Generell hilft es, bei Arztterminen Fragen zu stellen und womöglich eine Begleitung mitzunehmen, die mitdenkt. Gleichzeitig kann man mit Menschen sprechen, die ähnliche medizinische Probleme haben oder hatten.

Welche Diagnose- und Behandlungsfehler kommen in der Schweiz besonders oft vor?
In der Schweiz existiert kein Monitoring dazu, die Meldungen und Daten werden nicht zentralisiert gesammelt. Umso wichtiger ist es, dass vermutete oder tatsächliche Fehldiagnosen und -behandlungen gemeldet werden – beim Spital, beim Hausarzt oder bei der regionalen Patientenstelle.

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