Nasen-Operationen gewinnen an Beliebtheit
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Wegen Selfies und Insta-Filter:Nasen-Operationen gewinnen an Beliebtheit

Georg Noever ist plastischer Chirurg
Er operiert 50 Nasen im Jahr

Unsere Nase ist ein wahres Wunderwerk. Doch viele sind damit unzufrieden. Ein plastischer Chirurg und eine Schönheitsforscherin sagen, wieso.
Publiziert: 24.11.2022 um 06:59 Uhr
Lea Ernst

Loset mit was für Methode
Mängisch ds Schicksal eim tuet schla
Zum ne Arzt isch eine cho dä
Het e z'längi Nase gha
(Mani Matter: «D'Nase»)

Georg Noever (68) zeigt auf den Schädel in seiner Hand. Dort, wo sonst die Nase sitzt, klafft ein tiefes Loch. Seit über dreissig Jahren ist Noever plastischer Chirurg, etwa fünfzig Nasen «macht» er in der Privatklinik Pyramide am See im Jahr. Doch einfach mit einem Messer abgeschnitten wie in Mani Matters Chanson werden zu lange Nasen unter seiner Obhut nicht.

Sobald seine Patientinnen und Patienten in Vollnarkose liegen, schneidet Noever ihren Nasensteg auf. Das ist das Stück Haut zwischen den Nasenlöchern. Dann wird die Nasenhaut hochgeklappt, das «Gerüst», also Knorpel und Knochen, freigelegt. Kleine Höcker auf dem Nasenrücken schleift Noever mit einer Feile ab, doch nur in den wenigsten Fällen reicht das aus. Meist werden Knochen gebrochen und kleine Knorpelteile in die Nase eingesetzt.

Seit über 30 Jahren ist Georg Noever (68) plastischer Chirurg. In der Privatklinik Pyramide am See operiert er etwa fünfzig Nasen im Jahr.
Foto: Lea Ernst
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Noever setzt das Schädelmodell zurück ins Regal. Er sitzt in seinem Büro in Zürich, Blick über den See. Bei seinen Operationen modifiziert er nur das Gerüst der Nase, die Haut passt sich in den Monaten danach von selbst an. Zwei Stunden dauert der Eingriff im Schnitt. Die Nasenoperation gehört zu den komplexesten Bereichen der plastischen Chirurgie. Jeder Millimeter spielt eine Rolle, hat enorme Auswirkungen auf das Resultat. Rund 12'000 Franken später bleibt eine kleine Narbe am Nasensteg zurück.

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20 Prozent mehr Nasenoperationen

Pling! Die Aufzugtüre der Klinik geht auf, eine Patientin tritt heraus. Sie sieht aus, als hätte sie gegen Mike Tyson im Boxen verloren. Leuchtende Veilchen, bandagierte Nase. Etwa siebzig Prozent seiner Kundschaft sind Frauen zwischen 18 und 50 Jahren, sagt Noever. Und es werden immer mehr: Rund zwanzig Prozent mehr Eingriffe hat sein Team seit Beginn der Corona-Pandemie durchgeführt.

«Fast alle meiner Patientinnen und Patienten können vor der Operation ganz genau sagen, was sie an ihrer Nase stört», sagt Noever. Meist ist ein Höcker oder eine zu kolbige Nasenspitze das Problem. Meist stört sich die Kundschaft schon seit vielen Jahren daran. Mit einem Foto von Brad Pitt oder Gigi Hadid als Vorlage sei noch niemand aufgetaucht. «Was in einem Gesicht gut aussieht, ist schliesslich extrem individuell.» Kommen dann noch funktionelle Probleme wie eine krumme Nasenscheidewand hinzu, wird gleich beides gemeinsam operiert.

Kann Noever das jeweilige Problem nachvollziehen, macht er Fotos vom Gesicht und zeichnet ein, welche Proportionen und Winkel es harmonischer wirken lassen würden. Kann er ein Problem nicht nachvollziehen, führe er die Operation nicht durch, sagt er. «Dann liegt es nämlich nicht an der Nase. Dann liegt das Problem zwischen den Ohren.»

Mit seiner eigenen Nase sei Noever bisher gut gefahren. «Obwohl diese beiden Knorpel hier früher kleiner waren», sagt er und tippt auf seine Nasenspitze. Denn wie die Ohren wird auch die Nase im Lauf des Lebens immer grösser. Trotzdem: Eine Nasenoperation sei für den Chirurgen noch nie infrage gekommen.

Selfies verbreitern die Nase um 30 Prozent

Mitten im Zentrum des Gesichts sitzt sie, unsere Nase. Sie kann in Stereo riechen, wussten Sie das? Dabei nehmen beide Nasenlöcher unterschiedliche Duftsignale wahr. So erstellt unser Gehirn eine «Geruchslandkarte», um sich zu orientieren.

Wir können unsere Nase rümpfen, wunderbar darin bohren, sie in die Gelegenheiten anderer stecken oder jemandem gehörig darauf herumtanzen. Sogar ob wir einen Menschen gut riechen können, entscheidet dieser Zinken. Also unter anderem, ob wir mit jemandem schlafen wollen oder nicht. Verrückt, oder?

Ein wichtiger Grund, weshalb wir sie trotzdem immer häufiger unters Messer legen, sei die sogenannte «Selfie-Nase», sagt Schönheitsforscherin und Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen (56). So nehmen wir Selfies in der Regel aus einer Entfernung von einer Armlänge auf – dadurch erscheint die Nase um dreissig Prozent breiter, die Nasenspitze um sieben Prozent grösser.

Neben dem «Handy-Zinken» verändern auch die Filterprogramme auf Instagram oder Tiktok unser Schönheitsideal. Früher waren solche Morphingprogramme teuer und standen praktisch nur den Schönheitschirurgen zur Verfügung. Heute kann man auf fast jedem Smartphone Augen und Lippen grösser, die Nase schmaler und kleiner zaubern. Ist ein solch verändertes Selfie erst einmal gepostet, kommt es zur Diskrepanz. «Der Wunsch, auch in Realität so aussehen zu wollen, ist dann viel naheliegender», sagt Borkenhagen. Heute ist es die Technik, die unsere Schönheitsideale vorgibt.

Ausserdem seien wir durch die Videokonferenzen in Zeiten von Corona häufig mit unserem eigenen Gesicht konfrontiert gewesen, hätten in der Pandemie durch das Wegfallen von Ferien und Aktivitäten Geld sparen können. Borkenhagen sagt: «Es fiel damals auch nicht weiter auf, wenn jemand nach der Operation für ein paar Wochen von der Bildfläche verschwunden ist.»

Eine kontroverse Ecke der Medizin

Der Wunsch, die eigene Nase zu verändern, existierte schon lange, bevor Mani Matter darüber philosophierte. «Schliesslich bestimmt sie als Zentrum des Gesichts massgeblich, wie wir aussehen», sagt Ada Borkenhagen. Bereits die alten Ägypter führten erste Nasenoperationen durch: «Den Gefangenen schlug man die Nasen ab. Um dieses Stigma später loszuwerden, liessen sie sich nach der Entlassung Hautlappen ins Gesicht nähen.»

Auch im 16. Jahrhundert wollte man mit Nasenoperationen Stigmen überwinden: Kinder, deren Eltern an der Geschlechtskrankheit Syphilis erkrankt waren, litten häufig unter einer sogenannten «Syphilisnase». Andere Menschen versuchten wiederum, mittels Eingriffen rassistische Benachteiligungen zu mindern. Doch: «Vor der Anästhesie war es kaum möglich, schöne Ergebnisse zu erzielen», sagt Borkenhagen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trieb der Chirurg Jacques Joseph (1865–1934) die Entwicklung im deutschen Kaiserreich voran, nähte abstehende Ohren an und verkleinerte Nasen. Ein Tabubruch: «Die Schönheitschirurgie führte schon damals zu grossen gesellschaftlichen Debatten, weil dabei in gesunde Körper eingegriffen wurde», sagt Borkenhagen. «Das widersprach den medizinethischen Standards.»

Inzwischen sind Nasenoperationen salonfähig geworden. Doch dass schon bald alle Nasen gleich aussehen werden, fürchtet Borkenhagen nicht. «Es hängt zwar von der Ärztin oder dem Arzt ab – doch sind die meisten Nasenoperationen individuell auf die jeweiligen Gesichter zugeschnitten.» Sie stimmt jedoch zu, dass der Eingriff erneut stigmatisiert: Je mehr Nasen operiert sind, desto eher fallen diejenigen auf, die aus der Reihe tanzen. Die der Menschen also, die sich nicht unters Messer legen wollen. Oder die sich den teuren Eingriff schlicht nicht leisten können.

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