Gefässchirurg erklärt, warum Aspirin schon mal nicht hilft
Thrombose bei langem Sitzen – so beugst du vor

Wer lange im Flugzeug oder Auto sitzt, kann an einer lebensgefährlichen Thrombose erkranken. Gefässchirurg Michael Szente Varga (63) erklärt, welche Risiken du eingehst, wie du vorbeugen kannst und woran du eine Thrombose erkennst.
Publiziert: 25.04.2024 um 12:37 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2024 um 09:51 Uhr
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Jonas DreyfusService-Team

Schon allein der Gedanke daran, wie in der Blutbahn ein Klumpen aus verdicktem Blut eine Vene verstopft, tut weh. Thrombosen sind nicht nur schmerzhaft, sondern können lebensbedrohlich sein. Schütze dich, wenn du lange im Flugzeug oder Auto sitzt! Michael Szente Varga (63), Gefässchirurg an der Klinik Hirslanden in Zürich, weiss wie.

Wie merke ich, dass ich eine Thrombose habe?

Die Symptome einer tiefen Venenthrombose (TVT) unterscheiden sich laut Szente Varga stark von denen einer oberflächlichen Thrombose, die eine lokale Rötung mit deutlichen Schmerzen verursacht, aber weniger gefährlich ist. Eine TVT tritt meistens in Form von einer starken Schwellung des Unterschenkels auf. Die Schmerzen sind heftig und strahlen häufig bis in die Kniekehle aus. Weitere Symptome sind empfindliche Haut, Überwärmung (Hypothermie) des Körpers und Rötung bis hin zu blauen Verfärbungen. Wenn man nach einem Flug nur geschwollene Füsse oder Knöchel hat, sei das kein Grund zur Beunruhigung, sagt Szente Varga. «Dass sich Blut staut, ist ganz normal.»

Auch lange Autofahrten ohne Bewegung können riskant sein.
Foto: Getty Images

Was muss ich in diesem Fall tun?

«Wenn Sie Symptome haben, müssen Sie sofort einen Arzt aufsuchen», sagt Szente Varga. Das frühzeitige Erkennen und Behandeln könne über Leben und Tod entscheiden. Wenn man sich in einem Flugzeug befindet, kann das Personal wenig tun ausser zu fragen, ob ein Arzt unter den Passagieren ist. Blutgerinnsel werden in der Regel mit Medikamenten behandelt, die das Gerinnsel auflösen. Im Zweifelsfall könne man blutverdünnende Medikamente geben, sagt Szente Varga. Das berge Risiken, weshalb man vorher eine genaue Patientenanamnese aufnehmen müsste. «In diesem Fall muss man sofort nach der Landung einen Arzt aufsuchen.»

Sieht unschön aus und nervt den Vordermann. Aus gesundheitlicher Sicht ist Beinestrecken aber sehr empfehlenswert.
Foto: Getty Images
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Warum entstehen Thrombosen häufig in Flugzeugen?

«Stellen Sie sich einen Brunnen im Winter vor», sagt Szente Varga. «Solange das Wasser läuft, ist alles okay. «Sobald man den Hahn zudreht, gefriert das Wasser in der Leitung.» Ähnliches passiere, wenn das Venenblut zu langsam fliesse, was im Flugzeug schnell geschehen kann. Vor allem in der Economy-Klasse sitzt man stark angewinkelt und braucht die Muskeln nicht, die als eine Art zusätzliche Pumpe zum Herz funktionieren. Zudem ist der Luftdruck anders und die Luft sehr trocken, wodurch der Körper beim Atmen schnell Flüssigkeit verliert. «Das alles stört den Blutfluss.»

Eine 3D-Illustration eines Gerinnsels, das eine Vene verstopft.
Foto: Shutterstock

Was sind die Gefahren einer Thrombose?

Eine Thrombose kann gemäss Szente Varga lebensbedrohlich sein, wenn das Gerinnsel in die Lungenarterien gelangt und dort eine Verstopfung, sprich eine Lungenembolie, verursacht. Eine tiefe Venenthrombose könne die Venen im Bein schädigen, was zu einer langfristigen Venenerkrankung, Beinschmerzen, zu Schwellungen, Verfärbungen und Geschwüren oder – wenn die Haut aufbricht – zu Wunden führen kann.

Dass es etwas bringt, vor einem Flug Aspirin einzunehmen, ist eine verbreitete Annahme, bringt gemäss Experte aber nichts.
Foto: Shutterstock

Wie kann ich einer Thrombose vor einer Reise vorbeugen?

Szente Varga empfiehlt Reisenden mit einem oder mehreren Risikofaktoren für eine tiefe Venenthrombose (siehe Box), bei Flügen, die die länger als 6 Stunden dauern, den Einsatz von Kompressionsstrümpfen oder eine einmalige Einnahme von Blutverdünner in Betracht zu ziehen. «Die betroffenen Personen müssen das vor der Reise mit dem Hausarzt besprechen, der ihnen gegebenenfalls ein Rezept ausstellt.» Früher hätte das Medikament kurz vor dem Flug – am besten am Flughafen – injiziert werden müssen, weil es nur 24 Stunden wirkt. Heute ist es in Form einer Tablette erhältlich. «Die Wirkdauer hat sich nicht verändert.» Dass Aspirin präventiv wirke, sei ein Irrglaube, sagt Szente Varga. «Es hilft nicht zur Vorbeugung gegen venöse Thrombosen.»

Risikofaktoren für eine tiefe Venenthrombose
  • Übergewicht
  • Alter über 60 Jahre
  • Vor kurzem durchgemachte Operation oder Knochenbrüche (Frakturen)
  • Aktuelle oder kürzliche Schwangerschaft
  • Einnahme von Verhütungspillen, Chemotherapie, Immuntherapie oder Hormontherapie
  • Nikotinkonsum
  • Bluterkrankung
  • Krebserkrankung
  • Familiengeschichte von Blutgerinnseln
  • Bekannte Gerinnungsstörung
  • Übergewicht
  • Alter über 60 Jahre
  • Vor kurzem durchgemachte Operation oder Knochenbrüche (Frakturen)
  • Aktuelle oder kürzliche Schwangerschaft
  • Einnahme von Verhütungspillen, Chemotherapie, Immuntherapie oder Hormontherapie
  • Nikotinkonsum
  • Bluterkrankung
  • Krebserkrankung
  • Familiengeschichte von Blutgerinnseln
  • Bekannte Gerinnungsstörung
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Wie kann ich einer Thrombose während der Reise vorbeugen?

Szente Varga empfiehlt Folgendes:

  • Trinken Sie ausreichend Wasser
  • Stehen Sie gelegentlich auf und laufen Sie alle zwei bis drei Stunden herum. Ein Sitzplatz am Gang ist dafür optimal.
  • Wenn Sie mit dem Auto anreisen, planen Sie alle zwei bis drei Stunden eine Pause ein, um sich zu strecken und herumzulaufen.
  • Strecken Sie ihre Beine im Sitzen und probieren Sie folgende Übungen aus: 1. Strecken Sie ihre Beine im Sitzen, sofern das möglich ist. 2. Heben und senken Sie Ihre Fersen, während Ihre Zehen auf dem Boden bleiben. 2. Heben und senken Sie Ihre Zehen, während Ihre Fersen auf dem Boden bleiben. 3. Spannen und entspannen Sie ihre Beinmuskeln.
Er operiert an Gefässen

Michael Szente Varga (63) ist Facharzt für Chirurgie und Gefässchirurgie sowie Gründer des Aorten- und Gefässzentrum der Klinik Hirslanden in Zürich. Er hat an der Universität Zürich Medizin studiert. Sein Werdegang führte ihn nach einigen Spitälern in der Schweiz in die USA und Deutschland. Bevor er an die Klinik Hirslanden wechselte, leitete er die Gefässchirurgie am Universitätsspital Zürich und am Kantonsspital Luzern. Er wohnt in Zumikon, ist verheiratet und Vater von 2 Kindern.

Michael Szente Varga (63) ist Facharzt für Chirurgie und Gefässchirurgie sowie Gründer des Aorten- und Gefässzentrum der Klinik Hirslanden in Zürich. Er hat an der Universität Zürich Medizin studiert. Sein Werdegang führte ihn nach einigen Spitälern in der Schweiz in die USA und Deutschland. Bevor er an die Klinik Hirslanden wechselte, leitete er die Gefässchirurgie am Universitätsspital Zürich und am Kantonsspital Luzern. Er wohnt in Zumikon, ist verheiratet und Vater von 2 Kindern.

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