Ein Experte erklärt
Harndrang in der Nacht – das müssen Sie darüber wissen

Dass man ab und zu in der Nacht auf die Toilette muss, ist ganz normal. Ein häufiges Drücken kann jedoch auf Erkrankungen hinweisen. Ein Facharzt für Urologie klärt auf, was man über nächtlichen Harndrang wissen sollte.
Publiziert: 16.05.2022 um 07:34 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2022 um 10:10 Uhr
Interview: Lea Lozano

Jeder kennt die Situation: Man wacht mitten in der Nacht auf, weil sich das Glas Wasser, das man vor dem Schlafengehen getrunken hat, plötzlich meldet. Einmal pro Nacht auf die Toilette zu gehen, ist für viele Menschen ganz normal. Doch was bedeutet es, wenn man den nächtlichen Harndrang ständig verspürt?

Im Interview mit Blick erklärt PD Dr. André Reitz (51), Facharzt für Urologie im Kontinenzzentrum Hirslanden, was mögliche Ursachen und Diagnosen bei nächtlichem Harndrang sein können und gibt Tipps, wie du diesen in den Griff bekommen kannst.

Blick: Viele Menschen müssen nachts auf die Toilette. Ab wie viel Mal pro Nacht befinden wir uns nicht mehr im Normalbereich?
André Reitz: Die Menge des von den Nieren produzierten Harns unterliegt einem hormonell gesteuerten Tag-Nacht-Rhythmus, drei Viertel der Gesamtmenge pro 24 Stunden sollen am Tag und nur ein Viertel in der Nacht ausgeschieden werden. Ziel dieser Regulation ist es, eine ungestörte Nachtruhe zu gewährleisten. Wird in den Abendstunden aber viel getrunken, so wachen auch Gesunde gelegentlich nachts auf und müssen die Blase entleeren – dies bleibt für gewöhnlich jedoch eine Ausnahme. Wird der Schlaf aber mehrmals pro Woche einmal oder auch mehrfach wegen eines Harndrangs unterbrochen, und erzwingt dieser dann eine Blasenentleerung, so spricht man von dem Krankheitsbild der Nykturie.

Nur ein Viertel des täglich produzierten Harns sollte für gewöhnlich in der Nacht ausgeschieden werden.
Foto: Getty Images/Cultura RF
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Was sind dann mögliche Ursachen für den nächtlichen Harndrang?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei möglichen Ursachen für den nächtlichen Harndrang: Einerseits wird vermehrt beziehungsweise zu viel Harn während des Schlafes produziert und andererseits meldet die Blase verfrüht und verstärkt einen Harndrang – sie hat also ein zu geringes Fassungsvermögen. Nicht selten liegen auch beide Ursachen gleichzeitig vor.

Und auf was sind diese Ursachen zurückzuführen?
Die vermehrte Harnproduktion während der Nacht kann auf eine grosse Trinkmenge am Abend, eine eingeschränkte Herzleistung oder eine Hormonstörung hinweisen. Dabei werden nachts grosse Urinportionen entleert. Meldet die Blase nachts hingegen bereits bei geringer Füllung einen Harndrang, so liegt die Störung im Harntrakt selbst.

Können auch gewisse Krankheiten eine Ursache darstellen?
Ja, auch als Folge einer Herzinsuffizienz, eines Bluthochdrucks, bei Diabetes mellitus, Nebenschilddrüsenüberfunktion, Nierenerkrankungen mit erhöhter Urinausscheidung oder starkem Schnarchen wegen des Schlafapnoe-Syndroms kann ein häufiger nächtlicher Harndrang auftreten.

Ab wann sollte man einen Arzt konsultieren?
Ein Arzt sollte das nächtliche Wasserlassen dann abklären, wenn die Lebens- und Schlafqualität beeinträchtigt ist oder wenn der Verdacht besteht, dass es einen Zusammenhang mit einer Erkrankung zum Beispiel des Herzens, der Nieren oder der Prostata gibt.

Sind für gewöhnlich eher ältere Personen davon betroffen?
Studien gehen davon aus, dass jede dritte Frau und jeder vierte Mann ab 50 betroffen sind. Die Häufigkeit steigt im Alter weiter an. Bei Männern ab 50 Jahren ist es meist eine vergrösserte Prostata, die die Blase irritiert und zu nächtlichem Harndrang führt. Bei Frauen ab 50 Jahren können eine überaktive Harnblase, ein Hormonmangel im Becken oder Senkungen der Beckenorgane für einen nächtlichen Harndrang verantwortlich sein.

Wie stark leiden Betroffene?
Sie leiden oft sehr unter dem nächtlichen Harndrang. Denn die Lebens- und die Schlafqualität sind einschränkt: Es kommt zu Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen und in manchen Fällen können auch Depressionen die Folge sein. Vielen Betroffenen ist es jedoch unangenehm, das Problem mit einem Arzt zu besprechen.

Welche Tipps geben Sie Menschen, die das Problem in den Griff bekommen wollen?
Bereits kleine Anpassung der Lebensgewohnheiten, insbesondere des Trinkverhaltens, können helfen. Das gleichmässige Trinken verteilt über den Tag und die Reduktion der Flüssigkeitsaufnahme in den Abendstunden kann eine sehr effektive Massnahme sein. Auch das Meiden von harntreibenden Nahrungsmitteln und Getränken am Abend ist einfach und sinnvoll. Wurden harntreibende Medikamente verordnet, dann sollten diese nicht am Abend eingenommen werden.

Und wenn das alles nichts hilft: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die Behandlung von nächtlichem Harndrang richtet sich in erster Linie nach dessen Ursache. Da dem häufigen Wasserlassen verschiedene Ursachen zugrunde liegen können, zielt eine Therapie vor allem auf die Behandlung der ursächlichen Krankheit ab. Fehlt beispielsweise das den Tag-Nacht-Rhythmus der Harnproduktion regulierende Hormon Vasopressin, so kann auch dies als Tablette oder Nasenspray verabreicht werden. In der Praxis kommt meist eine Kombination aus Anpassung der Lebensgewohnheiten und einer medikamentösen Behandlung zum Einsatz.

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