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Achtung Nebenwirkungen!
Ibuprofen, Diclofenac, Paracetamol – welche Pille hilft wann?

Welche Pille hilft, wenn es weh tut, welche Nebenwirkungen sind zu beachten und was sind Alternativen? Alexander Vögtli vom Medikamenten-Lexikon Pharmawiki ordnet ein.
Publiziert: 16.11.2023 um 18:05 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2023 um 18:07 Uhr
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Jonas DreyfusService-Team

Die Pharmaindustrie müsse neue Wirkstoffe gegen Schmerzen entwickelt, fordert Alexander Vögtli (46) in der 2023er-Ausgabe des «Health Forecast» der Sanitas. Der Apotheker ist Gründer und Autor des Medikamentenlexikons Pharmawiki. «Das perfekte Schmerzmittel gibt es nicht», sagt er gegenüber Blick, und erklärt, was man neben den Infos im Beipackzettel über die vier gebräuchlichsten Schmerzmittel wissen muss, die ohne Rezept erhältlich sind.

Acetylsalicylsäure (Aspirin)

Der Wirkstoff wurde 1899 erstmals in den Handel gebracht. Gemäss «Health Forecast» nehmen Millionen von Menschen ihn immer noch in Form von als Pille oder Brausepulver ein. Aufgrund seiner blutverdünnenden Wirkung wird es in tieferen Dosierung zur Vorbeugung eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles eingesetzt. Eine Überdosierung kann zu Blutungen und Magenbeschwerden führen. Erwachsene und Jugendliche sollten nicht mehr als dreimal täglich eine bis zwei Tabletten einnehmen.

Acetylsalicylsäure ist als Medikament unter dem Namen Aspirin bekannt und wird von der Bayer AG produziert.
Foto: AP

Aspirin wird klassischerweise gegen Kopfschmerzen eingenommen. Besser verträglich seien Medikamente mit CGRP-Inhibitoren, sagt Vögtli. Sie wirken vorbeugend gegen Migräne und müssen einmal monatlich unter die Haut gespritzt werden. «Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Schmerzen gar nicht erst auftreten. Denn bei Kopfschmerzen sollte man so schnell wie möglich behandeln – sonst droht die Gefahr, dass sie immer stärker werden.»

Ibuprofen

Das Medikament ist gemäss Health Report eines der meistverkauften Schmerzmittel und eine beliebte «Allzweckwaffe». Es hilft bei Muskel- und Gelenkschmerzen, Migräne oder Zahnschmerzen und hemmt Entzündungen und grippale Infekte. Ibuprofen kann Löcher in die Magen- und Darmwände fressen und erhöht vor allem bei älteren Menschen, die gleichzeitig an Bluthochdruck und Arthrose leiden, die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt. Mediziner raten, das Schmerzmittel nicht mehr als fünf Tage im Monat einzunehmen.

Eltern werden ihn kennen: Den Algifor-Sirup für Kinder, der Ibuprofen enthält.
Foto: Keystone

Ibuprofen sei eines der Medikamente, die er als Apotheker am häufigsten abgebe, sagt Vögtli. Um negative Auswirkungen auf den Magen zu minimieren, kann vor einer Ibuprofen-Tablette, ein Magensäureblocker eingenommen werden. Vögtli: «Es bleibt die Beanspruchung der Niere, die Ibuprofen ausscheidet.» Bei Halsschmerzen empfiehlt er Lutschtabletten, die den Wirkstoff Flurbiprofen enthalten. Es wirkt ähnlich wie Ibuprofen, wirkt aber mit niedriger Dosierung und aufgrund der Lutschtablettenform nur lokal. Ibuprofen lässt sich bei Muskel- und Gelenkschmerzen auch in Form einer Creme auftragen. «Auch das ist gesünder, wie wenn man eine Tablette einnimmt, die im ganzen Körper wirkt.»

Nach Anleitung können sich Patientinnen und Patienten Spritzen zur Prävention von Migräne zu Hause selbst verabreichen.
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Paracetamol

Der Wirkstoff ist vor allem für seine fiebersenkende Eigenschaft bekannt und wird unter anderem zur Einnahme bei einer Corona-Infektion empfohlen. Im Unterschied zu Ibuprofen, das ebenfalls empfohlen wird, ist Paracetamol kaum entzündungshemmend. Bei starken Schmerzen lässt sich Paracetamol abwechselnd mit Ibuprofen kombinieren, weil Paracetamol im Gegensatz zu Ibuprofen von der Leber ausgeschieden wird. Maximal 4000 Milligramm pro 24 Stunden sollten eingenommen werden.

Paracetamol ist unter seinem Wirkstoffnamen als Medikament erhältlich. Ein weiteres Schmerzmittel, das Paracetamol enthält, heisst Dafalgan.
Foto: IMAGO/Andreas Haas

Paracetamol wurde im 19. Jahrhundert entwickelt. «Es ist eine uralte Substanz», sagt Vögtli. Bei einer Überdosis, die relativ schnell erreicht ist, kommt es zu Leberschäden und im schlimmsten Fall zu einem Leberkollaps, der fast immer tödlich endet. Paracetamol ist in der westlichen Welt gemäss «Health Forecast» sogar die häufigste Ursache für akutes Leberversagen und der Hauptgrund, warum Vögtli von der Pharmaindustrie besser verträgliche Schmerzmittel fordert.

Diclofenac (Voltaren)

Gemäss «Health Forecast» ist Diclofenac eines der meistverkauften Schmerzmittel. Es wird häufig eingesetzt, um Gelenkschmerzen zu lindern, die durch Arthrose und Arthritis entstehen. Sportler verwenden die Substanz bei Zerrungen und Prellungen. In der Selbstmedikation sollten nicht mehr als 75 Milligramm pro Tag eingenommen werden. Wer den Wirkstoff längere Zeit in Tablettenform konsumiert, kann den Verdauungstrakt beschädigen und geht das Risiko ein, einen zu Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Vögtli: «Diclofenac ist auch als Gel und Pflaster erhältlich, was die Nebenwirkungen minimiert.»

Eltern werden ihn kennen: Den Algifor-Sirup für Kinder, der Ibuprofen enthält.
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Dicolfenac ist auch gefährlich für Tiere, weil es unter anderem über den menschlichen Urin ins Abwasser gelangt und von Kläranlagen nicht abgebaut werden kann. Schon winzige Mengen Diclofenac können Fische schädigen. Auch Nutztiere werden damit behandelt. Auf dem indischen Subkontinent starb fast der ganze Geierbestand an Nierenversagen, weil die Vögel Kadaver von Rindern gefressen hatten, die mit dem Schmerzmittel behandelt worden waren.

Der Medikamenten-Kenner

Alexander Vögtli (46) aus Dornach SO ist Apotheker in Disentis GR und hat 2007 das inzwischen grössten Medikamentenlexikon der Schweiz, Pharmawiki, gegründet, dessen Einträge er selbst verfasst. Vögtli beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Recherche zu Medikamenten und der Vermittlung pharmazeutischer Inhalte im Web. Er hat in Basel Pharmazie studiert und dort am Institute of Molecular Pharmacy promoviert.

Steffi Blochwitz - nordlichtphoto.com

Alexander Vögtli (46) aus Dornach SO ist Apotheker in Disentis GR und hat 2007 das inzwischen grössten Medikamentenlexikon der Schweiz, Pharmawiki, gegründet, dessen Einträge er selbst verfasst. Vögtli beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Recherche zu Medikamenten und der Vermittlung pharmazeutischer Inhalte im Web. Er hat in Basel Pharmazie studiert und dort am Institute of Molecular Pharmacy promoviert.

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