Ob nun weniger Fett oder Kohlenhydrate - langfristig bringt keine Diät was.
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6-Wochen-Plan
Via Hirn zurück zu einem gesunden Gewicht

Gewichtsprobleme fangen immer im Kopf an. Mit diesen Tricks programmieren Sie Ihr Gehirn in sechs Wochen um.
Publiziert: 09.08.2019 um 15:39 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2019 um 17:03 Uhr
Werner Vontobel

Zwei grundsätzliche Bemerkungen vorab. Erstens: Überflüssige Pfunde sind keine Frage des Aussehens, sondern Symptome eines gesundheitlichen Problems. Es geht also nicht darum, ein Zielgewicht zu erreichen, sondern darum, gesund zu werden und zu bleiben. Zweitens: Unser Gewicht wird – fast ausschliesslich – vom Hormonsystem gesteuert. Wir haben immer das Gewicht, das unter den gegebenen Umständen optimal, bzw. das kleinstmögliche Übel ist. Das Problem sind die gegebenen Umstände.

Lena Bredow weiss dies offensichtlich. Deswegen ist ihr Buch «Bio-Logie des Abnehmens» mehr als ein Diät-Buch. Es baut auf zwei wissenschaftlich solide abgesicherten Theorien auf. Für Fachleute nichts Neues, aber gut verständlich auf den Punkt gebracht. Diese Zusammenhänge muss man kennen, wenn man seine Gesundheit nicht durch falsche (Ernährungs-)Gewohnheiten gefährden will. Doch Theorie allein nützt nichts, man muss sie auch praktisch umsetzen können. Genau darin ist Frau Bredow als Betreiberin mehrerer Fitnessstudios Expertin, ihre Methoden sind in der Praxis ausgetüftelt worden. Darin liegt auch der Mehrwert des Buches.

Das Gehirn ist egoistisch

Punkt Nr. 1: Man muss wissen, die das Essverhalten gesteuert wird, nämlich von unserem «egoistischen Gehirn». Der Ausdruck stammt vom deutschen Neurologen Achim Peters. Er besagt, dass das Gehirn bestimmt, wohin die Energie fliesst und dass es sich im Zweifelsfall immer zuerst selbst bedient. Dieser «Egoismus» ist vom evolutionären Gesichtspunkt her zwingend, denn wenn erst einmal das Gehirn tot ist, geht gar nichts mehr. Evolutionär sinnvoll ist auch, dass das Gehirn immer nur das allernötigste an Fettreserven anlegt und ein Normal- oder Wohlfühlgewicht anstrebt. Jedes Pfund zu viel verringert unsere Chancen auf der Jagd und macht uns vom Jäger zur Beute. Dies ist der Plan A des Gehirns. Solange er wirkt, gehört man zu den beneidenswerten Menschen, die nie dick werden, egal wie viel sie essen. (Der Autor ist einer von ihnen.)

Das Gehirn lässt sich, mit etwas Geduld, essenstechnisch umerziehen.
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Stress macht dick

Dass es dennoch so viele Übergewichte Menschen gibt, ist laut Peters die Folge von chronischem Stress. Im Alarmzustand mobilisiert das Gehirn sofort alle nötige Energie. Dabei nützt es ein Netzwerk von Nervenzellen, das sich von der Grosshirnrinde bis in die Bauchspeicheldrüse und die Leber erstreckt und die Stresshormone Adrenalin und Kortisol aktiviert. Dadurch sinkt der Insulinspiegel des Bluts. Die Zellen der Muskeln und der Organe (ausser dem Hirn) brauchen Insulin, um den Blutzucker «ernten» zu können. Kein Insulin heisst also: Alle Nahrung für das Hirn. Wenn nun aber der Stress dauert, droht den übrigen Zellen ein chronisches Energiedefizit. Um damit umgehen zu können, hat das Hirn die alternativen Pläne B und C entwickelt.

Beim – nervösen – B-Typus erhöht sich Kortisolspiegel dauerhaft. Der Bodymass-Index liegt zwar im Normalbereich, doch über den dünnen Beinen wölbt sich ein Kugelbauch, die Lebenserwartung sinkt. Beim C-Typus senkt das Hirn den Energielevel und es legt sich Fettreserven in der Unterhaut zu - Typ Sumo-Ringer. Hungern oder Joggen helfen in diesem Fall auf Dauer nichts, denn jedes Kaloriendefizit  führt zu Stress und Heisshunger-Attacken. Das Hirn hält an seinem Plan fest.

Intermittierendes Fasten bringts

So viel zum egoistische Gehirn. Nun zum intermittierenden Fasten. Dabei geht es darum, dass wir freiwillig das tun, was unsere Vorfahren immer wieder mal unfreiwillig tun müssten – öfter mal hungern. Diese Hungerperioden sind für unsere Zellen wie ein Jungbrunnen. Die Literatur über die positiven Wirkungen des intermittierenden Fastens füllt inzwischen ganze Wandschränke. Die Erfolge beim Abnehmen sind zwar nicht spektakulär, aber solide. Man nähert sich allmählich dem Wohlfühlgewicht.

Es besteht allerdings ein wichtiger Unterschied zwischen kurzem und langem Fasten: Beim ersten Fastentag kombiniert unser Gehirn, dass uns das Mammut entwischt ist. Beim nächsten Versuch müssen wir umso dringender Erfolg haben. Deshalb macht uns das Gehirn hellwach, stellt Energie bereit, hält uns mit Glückshormonen bei Laune. Wir sind trotz des bisschen Hungers echt gut drauf. Erst etwa am dritten Fastentag überlegt es sich das Hirn anders und schaltet den ganzen Organismus auf Sparflamme. (Langzeitfasten kann zwar auch sehr sinnvoll sein, aber das ist eine andere Geschichte.)

Wenn man all dies weiss, wozu rät man dann seinen überwichtigen Kundinnen? Zum Meditieren, wie Achim Peters? Logisch wärs: Übergewicht kommt vom Stress, also Stress abbauen. Doch Bredow weiss, dass dies in der Praxis selten funktioniert «Übergewichte haben ein schlechtes Gewissen, die wollen aktiv etwas tun.» Also intermittierendes Fasten? Das scheitert meist am Übereifer. Man isst auch an den normalen Tagen zu wenig, gerät in Hungerstress und gibt auf. Die Hormone sind stärker als die Willenskraft. Das hat die Natur so eingerichtet.

Phase 1: Sogar Nutella ist erlaubt

Um diese Hürde zu überspringen, hat Bredow nach einigem Tüfteln ihre «Phase 1» entwickelt. Die geht so: Spätestens eine halbe Stunde nach dem Aufstehen gibt es ein «ordentliches» Frühstück. Es gilt das Lustprinzip. Etwa Brot, Butter und Honig, wenn man eher Süsses mag, oder Käse, Eier, Schinken für die «Herzhaften». Es gibt keine Tabus sogar Nutella ist erlaubt.

Vollfressen darf man sich nie. Knapp satt reicht. Dafür soll man spätestens nach drei Stunden, oder sobald sich der Hunger meldet, wieder etwas Ordentliches essen. Also nicht bloss einen Apfelschnitz. Direkt nach dem Abendessen liegt auch noch eine Süssigkeit drin. Dann ist Schluss. Jetzt muss sich der Körper erholen und die Wachstumshormone wirken lassen. Pro Woche darf man sich einen Egal-Abend gönnen, bei dem Naschen erlaubt ist. Ferner: Getrunken wird nur stilles Wasser (Tee oder Kaffee sind trotzdem erlaubt, vor allem ohne Milch und Zucker). Alkohol, Säfte, Cola etc. oder Blöterli-Wasser sind kontraproduktiv. Diese Phase dauert 14 Tage.

Was ist die Idee hinter der Phase 1?

Übergewichtige (und Kugelbäuchige) leiden immer auch unter Ess-Stress, sie essen mit schlechtem Gewissen und haben meist schon viele Diäten ausprobiert. Sie haben damit ihrem Körper Nahrungsmangel suggeriert und der hat deshalb den Nahrungstrieb aktiviert, sie haben ständig den Drang, etwas zu essen. (Bei Peters heisst das Body-Pull). Ihr Stressniveau hat sehr viel mit Essen zu tun. In diesen 14 Tagen geht es darum, schon mal diesen Ess-Stress abzubauen und dem Gehirn die Gewissheit zurückzugeben, dass – trotz Stress – genügend Nahrung da ist und den Körper aus dem chronischen Energiedefizit herauszuholen. In Phase 1 sagen wir unserem Gehirn: «Sei gaaanz ruhig, kein Stress, es ist noch Suppe da.» Wichtig: In der ersten Phase geht es nicht um Gewicht, es geht darum, dass unser Körper schon mal ahnt, dass er wieder ins Wohlfühlgewicht – Plan A – zurückfallen könnte.

Phase 2: Vier Wochen Disziplin

Die Phase 2 dauert vier Wochen und erfordert etwas mehr Disziplin. Jetzt soll man nämlich jeden zweiten Tag auf jede Nahrung verzichten. Die übrigen Tage laufen wie in Phase 1 ab, mit dem Unterschied, dass die Pause zwischen den Mahlzeigen nun maximal 4 (statt) 3 Stunden beträgt, und dass man die letzte Mahlzeit drei Stunden vor dem Schlafengehen einnehmen soll.

Phase 3: Montags wird gefastet

In der Phase 3 wird das Regime gelockert. Es geht jetzt so: Samstag und Sonntag normal essen, Montag Fasten, Dienstag normal, Mittwoch nur Abendessen, Donnerstag normal, Freitag nur Abendessen. Natürlich kann man das auch variieren und zum Beispiel nach der Phase 1 erst einmal die sanftere Variante 3 wählen. Es dauert dann vielleicht ein paar Wochen länger, bis man das Wohlfühl-Gewicht erreicht hat, aber das ist vielleicht sogar ein Vorteil.

Lena Bredow hat nämlich die Erfahrung gemacht, dass die meisten Kundinnen ein Zielgewicht weit unter dem gesundheitlich optimalen Wohlfühlgewicht anstreben – und damit den ganzen Stressmechanismus wieder in Gang setzen. (Gerade deshalb sind Meditation und Sport wichtige Begleitmassnahmen. Sie helfen, wieder ein Gefühl für den Körper und die Energieflüsse zu entwickeln und dafür braucht es Zeit und Musse.)

Fazit: Dass intermittierendes Fasten etwas vom Besten ist, was man für die Gesundheit tun kann, das weiss man seit langem (siehe hier oder hier). Warum es trotzdem so wenige tun, wusste man bisher nicht. Das Buch von Lena Bredow könnte die Antwort sein.

Intermittierendes Fasten: Ein Teller mit Besteck und Uhr
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Thinkstock Images
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