Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung und Co.
So regelst du deine Zukunft in sieben Schritten

Was, wenn du plötzlich nicht mehr selber entscheiden kannst? Wie einfach du für diesen Fall vorsorgst, zeigt diese Anleitung.
Publiziert: 01.08.2024 um 16:26 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2024 um 11:43 Uhr
Käthi Zeugin
Käthi Zeugin
Beobachter

Zwar sind die Fragen, die es zu durchdenken gilt, komplex. Aber lass dich davon nicht abschrecken! Sieben Schritte führen dich zu eindeutigen und verbindlichen Anordnungen. Damit kannst du dein Leben selbstbestimmt und nach dem eigenen Willen gestalten – jetzt und auch später.

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Standortbestimmung machen

Zu Beginn deiner Überlegungen rund um die persönliche Vorsorge steht eine Auslegeordnung deiner Situation: Wo stehe ich im Leben? Wie schätze ich meine gesundheitliche Situation ein, jetzt und auch für die Zukunft? Für welche Menschen fühle ich mich verantwortlich? Welchen Menschen in meinem Umfeld vertraue ich am meisten?

Von deinen Antworten auf diese Fragen hängt ab, wen du zum Beispiel in einen Vorsorgeauftrag oder eine Vollmacht einsetzen und wer in deinem Sinn mit Ärzten und Pflegenden verhandeln soll. Aber auch, wie du dein Testament gestaltest.

Wer sich frühzeitig um seine persönliche Vorsorge kümmert, kann auch später selbstbestimmt leben.
Foto: Getty Images
Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Beispiel: Randy T. lebt schon lange mit Alicia G. im Konkubinat zusammen. Aus seiner früheren Ehe hat er einen Sohn, mit dem er nur losen Kontakt pflegt. Ihm ist wichtig, dass seine Partnerin nach seinem Tod möglichst gut versorgt ist. Randy T. weiss, dass sie nach der gesetzlichen Erbfolge gar nichts erbt und alles an den Sohn geht. In seinem Testament setzt er deshalb den Sohn auf den Pflichtteil und bestimmt seine Partnerin als Erbin für den Rest. Zudem kauft er eine Lebensversicherung, in der er Alicia G. als Begünstigte angibt.

Für Menschen, die im Konkubinat leben, kann es sinnvoll sein, die Partnerin oder den Partner als Erbin oder Erbe im Testament festzuhalten.
Foto: Getty Images/Westend61
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Informationen sammeln und Fragen klären

Selbstbestimmung hat viel mit Wissen zu tun. Nur wenn du die Möglichkeiten kennst, Vor- und Nachteile verschiedener Lösungen abgewogen hast, kannst du effektiv vorsorgen.

Das gilt ganz besonders bei der Patientenverfügung. Gehe die verschiedenen Punkte durch, frage nach, was die medizinischen Begriffe bedeuten, bespreche deine Vorstellungen mit der Hausärztin. Sonst kann es sein, dass du Dinge festlegst, die du so gar nicht wolltest.

Viele Informationen kannst du selber zusammensuchen. So haben die meisten regionalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) Informationen zum Vorsorgeauftrag ins Netz gestellt.

Zu konkreten medizinischen Fragen liefern Organisationen, die eine Patientenverfügung bereitstellen, auch gleich die nötigen Infos. Angebote bieten etwa die Stiftung Dialog Ethik, die Schweizerische Herzstiftung oder Organisationen im Bereich Palliative Care sowie Krankheitsligen (zum Beispiel die Krebsliga, Pro Mente Sana oder die Parkinsonvereinigung).

Beispiel: Georg R. hat nach ein paar schlechten Spitalerfahrungen einen Horror vor «Spital-Maschinen». Deshalb hält er in seiner Patientenverfügung fest, dass er an keinerlei medizinische Geräte angeschlossen werden will. Was er dabei übersieht: Damit würden auch nach einem Unfall mit dem geliebten Motorrad keine intensivmedizinischen Massnahmen ergriffen – selbst wenn die Aussichten auf Genesung gut stehen.

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Mit anderen sprechen und sich beraten lassen

Die letzte Phase des Lebens zu regeln, ist eine ganz persönliche Sache. Du allein entscheidest, was dereinst gelten soll. Das heisst aber nicht, dass du auch alles allein überlegen und durchdenken solltest.

Im Gegenteil, spreche über die Fragen, die dich beschäftigen, mit Menschen, denen du vertraust: mit einer guten Freundin, mit deinen Kindern, einem Schwager, der sich in finanziellen Dingen gut auskennt, deiner Hausärztin, deinem Treuhänder... So stellst du sicher, dass auch Gesichtspunkte, an die du von selber nicht denken würdest, in deine Überlegungen einfliessen. Je nach Situation lohnt es sich auch, sich von Fachleuten beraten zu lassen:

  • als Mitglied des Beobachters beim Beobachter-Beratungszentrum
  • für die Patientenverfügung beim Hausarzt oder bei der Stiftung Dialog Ethik
  • für einen Vorsorgeauftrag bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb, die zuständige Stelle findest du im Internet mit dem Suchwort «Kesb» und deinem Wohnort)
  • für ein Testament bei einem Anwalt oder einer Notarin
Die eigenen Überlegungen mit den Kindern zu teilen, kann wertvoll sein.
Foto: Getty Images
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Die richtigen Vertrauenspersonen finden und sie informieren

Viele Menschen verfügen über ein grosses Beziehungsnetz. Doch nicht alle Freundinnen, Angehörigen, Vertrauten sind gleich gut geeignet, um die Aufgaben aus einem Vorsorgeauftrag oder einer Patientenvollmacht zu übernehmen. Stelle dir ganz konkrete Fragen: 

  • Wer kann sich um alles Rechtliche kümmern, um den Verkehr mit Ämtern, Versicherungen, der Krankenkasse?
  • Wer kann das Finanzielle übernehmen, die Steuern erledigen, das Vermögen verwalten?
  • Wer eignet sich für Fragen rund ums Haus?
  • Wer könnte – vorübergehend – meine Pflege zu Hause übernehmen?
  • Wer sucht einen Platz im Alters- oder Pflegeheim?
  • Wer soll in einem Notfall, wenn ich nicht mehr ansprechbar bin, zuerst benachrichtigt werden? Wer entscheidet dann über medizinische Behandlungen und Operationen und vertritt meine Wünsche gegenüber den Ärzten?

Wichtig ist, dass du mit der Person oder den Personen sprichst, die du in einem Vorsorgeauftrag oder in einer Patientenverfügung bevollmächtigen beziehungsweise beauftragen möchtest. Und zwar, bevor du sich ans Verfassen machst.

Vergewissere dich, dass die vorgesehene Person bereit ist, die Aufgaben zu übernehmen, und sich auch zutraut, die Entscheidungen für dich zu treffen. Die Personen deines Vertrauens sollten den Inhalt deiner Vorsorgedokumente kennen. Verstehen sie die Formulierungen? Ist ihnen klar, was du damit bezweckst?

Je besser deine Beauftragten wissen, was dir wichtig ist, umso besser können sie in deinem Interesse handeln.

Achtung: Gerade Menschen, die dir nahestehen, wären unter Umständen überfordert, wenn sie in einer schwierigen Lage einen Entscheid für dich treffen müssten. Spreche diesen Punkt unbedingt an und überrede niemanden zu einer Aufgabe, die er oder sie sich nicht zutraut. 

Diese Dokumente benötigst du für deine Vorsorge
  • Vorsorgeauftrag: Im Vorsorgeauftrag bestimmst du eine oder mehrere Personen, die dann, wenn du selber dauernd urteilsunfähig bist, alle nötigen Geschäfte in deinem Sinn erledigt.
  • Vollmacht: Stellst du jemandem eine Vollmacht aus, kann diese Person Geschäfte für dich erledigen, solange du noch urteilsfähig bist.
  • Patientenverfügung: In der Patientenverfügung hältst du deine Wünsche zur medizinischen Behandlung fest – für den Fall, dass du urteilsunfähig wirst und dich nicht mehr selber äussern kannst. Oder du bestimmst eine Vertretungsperson, die dann für dich und in deinem Sinn entscheidet.
  • Anordnungen für den Todesfall: In diesem Dokument legst du fest, was nach deinem Tod mit dir geschehen soll: Bestattungsart, Todesanzeige, Trauerfeier.
  • Testament: Im Testament verfügst du – innerhalb des Rahmens des Erbrechts –, wie dein Nachlass unter deinen Erben verteilt werden soll.
  • Vorsorgeauftrag: Im Vorsorgeauftrag bestimmst du eine oder mehrere Personen, die dann, wenn du selber dauernd urteilsunfähig bist, alle nötigen Geschäfte in deinem Sinn erledigt.
  • Vollmacht: Stellst du jemandem eine Vollmacht aus, kann diese Person Geschäfte für dich erledigen, solange du noch urteilsfähig bist.
  • Patientenverfügung: In der Patientenverfügung hältst du deine Wünsche zur medizinischen Behandlung fest – für den Fall, dass du urteilsunfähig wirst und dich nicht mehr selber äussern kannst. Oder du bestimmst eine Vertretungsperson, die dann für dich und in deinem Sinn entscheidet.
  • Anordnungen für den Todesfall: In diesem Dokument legst du fest, was nach deinem Tod mit dir geschehen soll: Bestattungsart, Todesanzeige, Trauerfeier.
  • Testament: Im Testament verfügst du – innerhalb des Rahmens des Erbrechts –, wie dein Nachlass unter deinen Erben verteilt werden soll.
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Vorschriften beachten

Je nach Vorsorgeinstrument bestehen unterschiedliche Vorschriften – auch zur Form, in der diese verfasst werden müssen. Wenn du solche Vorschriften nicht beachtest, ist deine Anordnung unter Umständen ungültig. 

Das Testament muss vollständig handschriftlich, datiert und unterschrieben sein.
Foto: Shutterstock
  • Einen Vorsorgeauftrag können handlungsfähige, das heisst urteilsfähige und volljährige, Personen erstellen. Er muss von A bis Z von Hand geschrieben, datiert und unterschrieben sein. Eine zweite Möglichkeit: Du lässt deinen Vorsorgeauftrag vom Notar beurkunden.
  • Für das Verfassen einer Patientenverfügung muss man urteilsfähig sein; auch Minderjährige können also eine aufsetzen. Die Formvorschriften sind weniger streng als beim Vorsorgeauftrag. Du kannst deine Anordnungen von Hand oder mit dem Computer schreiben oder auch ein vorgedrucktes Formular verwenden. Das Dokument muss aber datiert und von Hand unterschrieben sein.
  • Für Anordnungen zur Bestattung und Trauerfeier gibt es keine Vorschriften.
  • Dein Testament muss wie der Vorsorgeauftrag vollständig handschriftlich, datiert und unterschrieben sein. Ebenso gibt es die Möglichkeit, bei einem Notar ein Testament zu machen. Für das Verfassen eines Testaments muss man verfügungsfähig, das heisst urteilsfähig und volljährig sein.

Gut zu wissen: Du hast eine krakelige, schlecht lesbare Handschrift? Dann kannst du deinen handschriftlichen Vorsorgeauftrag oder dein Testament genauso gut mit Blockbuchstaben schreiben, es muss nicht «Schnüerlischrift» sein.

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Aufbewahrung regeln

Die klügsten Papiere nützen gar nichts, wenn im Falle eines Falles niemand weiss, dass sie existieren. Du selber kannst in der Regel nicht mehr helfen; Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung kommen ja erst zum Zug, wenn du nicht mehr urteilsfähig respektive nicht ansprechbar bist.

Stelle also heute sicher, dass die richtigen Personen dereinst Bescheid wissen:

  • Bewahre alle deine wichtigen Papiere im Original an einem festen Ort auf. Informiere deine Angehörigen und Vertrauten, wo das ist. Diese Checkliste kann Ihnen dabei helfen.
  • Gebe den Beteiligten eine Kopie: bei der Patientenverfügung zum Beispiel der Hausärztin, bei der Patientenvollmacht der bevollmächtigten Person, beim Vorsorgeauftrag den Beauftragten.
  • Die Tatsache, dass du einen Vorsorgeauftrag geschrieben hast, und wo er hinterlegt ist, kannst du beim Zivilstandsamt gegen eine geringe Gebühr registrieren lassen.
  • Eine Patientenverfügung oder Patientenvollmacht kannst du bei privaten Anbietern digital mit Online-Zugriff hinterlegen.
  • Das Testament kannst du bei der zuständigen kantonalen Stelle hinterlegen oder auch bei einer Vertrauensperson oder deinem Treuhänder.
  • Trage einen Notfallausweis bei dir, auf dem vermerkt ist, dass du eine Patientenverfügung erstellt hast und wo sie zu finden ist.

Gut zu wissen: Müssen Angehörige deine Angelegenheiten regeln, sind sie froh, wenn sie nicht nur Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung finden, sondern auch alle anderen wichtigen Papiere. Umfassende Infos und praktische Formulare bietet hierzu auch der Beobachter-Ratgeber «Ich bestimme».

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Regelmässig überprüfen

Das Leben hält immer wieder Überraschungen bereit. So kann es zum Beispiel sein, dass die Person, die du in deinem Vorsorgeauftrag eingesetzt hast, nach Australien auswandert. Dass einer deiner Erben vor dir verstirbt, also das Vermächtnis, das du ihm testamentarisch zukommen lässt, nicht mehr entgegennehmen kann. Oder dass du aus der Betreuung einer kranken Freundin neue Einsichten gewinnen und nun nicht mehr alles in deiner Patientenverfügung so unterschreiben möchtest.

Eine nahestehende Person wandert aus und im Vorsorgeauftrag ändert sich etwas? Das kannst du anpassen.
Foto: Getty Images

Alle deine Vorsorgedokumente kannst du jederzeit ändern. Wichtig ist, dass du klarmachst, welche Version gilt:

  • Einen Vorsorgeauftrag vernichtest du – Kopien nicht vergessen. Das neue Dokument verfassst du wieder ganz von Hand und schreiben zur Sicherheit am Anfang: «Ich hebe alle früheren Vorsorgebestimmungen auf.» Möchtest du nur kleine Änderungen anbringen, kannst du diese ins alte Dokument schreiben: von Hand, datiert und mit deiner Unterschrift versehen.
  • Genau gleich verfährst du beim Testament. Auch hier empfiehlt sich – für den Fall, dass beim Vernichten eine Kopie vergessen geht – am Anfang ein klärender Satz: «Ich widerrufe alle letztwilligen Verfügungen, die ich je geschrieben habe.»
  • Deine Patientenverfügung ist rechtlich unbeschränkt gültig. Es empfiehlt sich aber, sie etwa alle zwei Jahre – sowie nach wichtigen Veränderungen – zu überprüfen und wenn nötig die Anordnungen abzuändern. Anschliessend datierst du alles neu und unterschreibst es wieder. So ist klar, dass die Regelungen immer noch deinem Willen entsprechen.
  • Soll eine Vollmacht nicht mehr gelten, vernichtest du das Papier – Kopien nicht vergessen! – und informiere die Personen, die davon wissen müssen.

Falls du deine Dokumente hinterlegt hast, informiere auch diese Stellen von den Änderungen und hinterlege die neue Version. Wenn nötig, ändere den Notfallausweis, den du auf dir trägst.

Beispiel: Konrad O. wird einen Nachlass von rund 300’000 Franken hinterlassen. In seinem Testament hat er die beiden Söhne auf den Pflichtteil gesetzt und die verfügbare Quote seiner Frau zugewiesen. Dann erkrankt er schwer. Eine Nichte, sein Patenkind, kümmert sich um ihn und pflegt ihn, sodass er zu Hause bleiben kann. Einen Lohn erhält die Nichte nicht, sie soll nach seinem Tod entschädigt werden. Herr O. verfasst deshalb einen Zusatz zu seinem Testament, in dem er der Nichte ein Vermächtnis von 70’000 Franken zukommen lässt. Diesen Zusatz schreibt er von Hand unter das bisherige Testament, datiert und unterschreibt ihn. Das geänderte Testament hinterlegt er wieder bei der kantonalen Stelle.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2017 publiziert und nun aktualisiert. (25.7.2024) 

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