Erinnerungen ans Bula '80
Der Heitere im Hagelwetter

Wer an einem der seltenen Bundeslager (Bula) teilnehmen darf, erlebt den wahren Glücksmoment der Pfadizeit. Erinnerungen an das Bula ’80.
Publiziert: 17.07.2022 um 11:20 Uhr
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Aktualisiert: 18.07.2022 um 11:25 Uhr
Rechts ist die Zeltstadt von der Pfadi St. Mauritius am Rinderberg ob Zweisimmen BE.
Foto: Zvg
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Daniel Arnet

Der Duft liegt mir in der Nase: Es riecht überall nach Gras. Nein, ich bin nicht bekifft, aber ich zelte mit der Pfadi St. Mauritius aus Zürich-Höngg draussen auf einer Wiese am Waldrand – im Birmoos auf 1367 Metern über Meer, in der Norddelle des Rinderbergs ob Zweisimmen BE. Gut eine Viertelstunde unterhalb der Mittelstation Eggweid der Gondelbahn liegt unsere Zeltstadt beim Moosbach.

Es ist Sommer 1980, es ist das zehnte Bundeslager (Bula), das erste gemeinsame der Buben- und Mädchenpfadi der Schweiz – bis anhin führte der Schweizerische Pfadfinderbund (SPB) sechs, der Bund Schweizerischer Pfadfinderinnen (BSP) drei eigene Bulas durch. Die damalige Freundin meines älteren Bruders und heutige Schwägerin Marianne ist mit dem Höngger Trupp Nansen ebenfalls hier.

Büchsenravioli aus Blechgamellen

Doch wir sind bei weitem nicht die Einzigen: 22’000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus dem In- und Ausland belagern während des Bulas vom 19. Juli bis 3. August das Gebiet der alten Grafschaft Gruyère zwischen Bulle FR im Westen, Château-d’Oex VD im Süden und Gstaad BE im Osten. Es ist in seiner Dimension das weitaus eindrücklichste Erlebnis meiner Pfadizeit.

Seit drei Jahren bin ich dabei, bekomme im Sommer 1977 als Elfjähriger nach einer nächtlichen Mutprobe den italienischen Pfadinamen Sereno, zu Deutsch: der Heitere. Doch für das Bula 1980 tauge ich nicht als Wetterorakel, denn bereits in den ersten Tagen ist es vorbei mit heiterem Himmel, und ein Orkan mit Hagel fegt über das Gebiet. Ein Unterlager am Col des Mosses trifft es so stark, dass die Leitung evakuieren muss.

Am Rinderberg kommen wir vergleichsweise glimpflich davon, und das Lagerleben nimmt seinen Lauf: Müffelnde Kleider trocknen, lästige Ohrwürmer aus dem Zelt schaffen, mehrstündige Wanderungen ablatschen, Büchsenravioli aus Blechgamellen essen, einschlägige Lieder am Lagerfeuer singen und sich danach müde im Schlafsack verkriechen – immer bedacht, auf dem schrägen Gelände nachts nicht auf den Nachbarn zu rollen.

Und dann kommt Roland Jeanneret zu uns

Jedes der 21 Unterlager hat ein Thema, bei uns heisst es «Basar». Meine Mutter nähte mir aus altem, buntem Vorhangstoff eigens eine Pluderhose, damit ich aussehe wie ein Verkäufer auf einem orientalischen Markt. Doch Kleider machen nicht immer Leute, und die Hosen aus mir keinen gewieften Händler. Viel lieber sitze ich auf einem Heuballen im Gemeinschaftszelt auf dem Zentralplatz und schlürfe nach türkischem Vorbild Tee.

Dort trifft man Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus anderen Schweizer Regionen, ja gar ausländische Scouts. Am meisten interessieren mich ihre schön-bunten Dreieckstücher, die sie akkurat zu einer Pfadikrawatte gebunden um den Hals tragen. Am liebsten möchte ich mein ödes grün-schwarzes Tuch von St. Mauritius dagegen eintauschen. Doch das sehen die Fähnleinführer nicht gern.

Schliesslich soll man sich zu seinen Farben bekennen. So richtig stolz bin ich darauf, dass der frühere TV-Präsentator der «Kindernachrichten» und Radio-Moderator Roland Jeanneret (1947–2021) zu uns kommt und mit uns über das Bula redet. Das ist wohl meine erste Begegnung mit einem Medienmacher – und das Gespräch mit dem späteren «Mister Glückskette» ein richtiger Glücksmoment.

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