Dieter Bohlen verteidigt im Interview sein Image
«Alle dachten, ich sei ein Monster»

Er ist der bekannteste Mensch 
im deutschsprachigen Showbusiness – und polarisiert wie kein anderer. Wir trafen Dieter Bohlen (65) zum Interview und sprachen mit 
ihm über sein falsches
 Image, #MeToo und Greta.
Publiziert: 23.05.2019 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:04 Uhr
Alexandra Fitz

Morgens früh steigt er in Hamburg in seinen Privatjet. Während des Flugs richtet ihm sein Stylist das vom Wind mitgenommene Haar. Die Flugbegleiterin serviert Frühstück. Dieter Bohlen ist auf dem Weg nach Zürich. Das wissen wir dank Instagram. Der 65-Jährige überschwemmt die Internetplattform mit Fotos und Videos.

Wir erkennen seine Stimme schon im Flur. Dieter Bohlen betritt das Büro im Glattpark in Zürich. Blondiertes Haar, dunkle Sonnenbrille, knalliger Kapuzenpulli. ­Diesen neongrünen Pulli mit dem Good-Life-Feeling-Aufdruck kann nur tragen, wer Markenbotschafter ist und viel Geld dafür bekommt. Camp David, freche Mode für Männer über 50.
Dann stellt er sich vor und fragt, ob er die Sonnenbrille für die Fotos lieber abnehmen soll. Ja, gerne. Der Stylist entdeckt eine Unstimmigkeit. Die beiden Männer ver­lassen den Raum noch mal, bevor das Interview losgehen kann.

Ich habe mich auf dieses ­Interview gefreut. Aber ich habe auch ein wenig Angst. Warum haben Leute Angst vor Ihnen?
Dieter Bohlen: Weil sie mich nicht kennen. Jeder, der mich näher kennt, weiss, dass ich ein total ­netter Mensch bin. Aber wegen der Sendung «DSDS» («Deutschland sucht den Superstar»), in der ich etwas härter zu den Kandidaten bin, denken die Leute, dass ich privat auch so bin. Sie schreiben mir oft, warum bist du auf Instagram so nett und in der Sendung so böse?

Dieter Bohlen in Starpose. Der 65-Jährige hat eine neue Bühnen-Show und kommt im September ins Hallenstadion in Zürich.
Foto: Stephan Pick
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Und?
Also ich finde nicht, dass ich böse bin. Ich will den Leuten einfach die Wahrheit sagen. Das Musikbusiness ist knüppelhart. Es ist kein Geschäft, in dem man mit ­Wattebäuschchen aufeinander schmeisst. Da muss man auch mal Kritik vertragen können. Wenn man zusammenbricht, wenn einer sagt «Du bist ne Flasche», dann hat man in dem Geschäft nichts zu ­suchen.

Vertragen Sie selber Kritik?
Ich hab in meinem Leben die härteste Kritik bekommen. Ich bin das gewohnt.

Sie sind ein Urgestein im ­deutschen Popbusiness. Quasi unzerstörbar. Warum sind Sie so lange erfolgreich, während andere längst weg sind?
Brutal wär, wenn ich jetzt sagen würde: Weil ich so gut bin. Es ist eine Kombination aus vielen Eigenschaften. Ich bin sehr ehrgeizig und habe mir alles erarbeitet. Ich habe alles von der Pike auf gelernt. Es war nichts Zufall. «You’re My Heart, You’re My Soul» ist mir nicht einfach eingefallen. Ich stand in meinem Leben an vielen Kreuzungen und habe eben immer die richtige Abfahrt genommen.

Im Moment fahren Sie auf ­Instagram ab. Täglich posten Sie ­Videobotschaften unter ­«Dieters Tagesschau».
Vor acht Monaten habe ich mit ­Instagram angefangen. Da sagten mir alle: «Das wird nie was, du bist viel zu alt für Instagram!» Ich hab jetzt 1,3 Millionen Follower. Okay, ich hab 1,2, aber es fehlt nur noch ­wenig. Die Menschen haben keine Vorstellungskraft. Dazu gehört ­Cleverness. Das haben viele nicht. Die meisten Künstler sind komisch.

Haben Sie eigentlich nie Angst, dass Sie mit Ihren sexistischen Frauensprüchen aus der Mode kommen in Zeiten von #MeToo?
Das ist alles ein Missverständnis. Ich dachte ja immer, die Leute erkennen meine Ironie. Was ich nicht kapierte, die Leute nehmen das ernst, wenn ich einen blöden ­Frauenspruch rausbrettere. Das mache ich ja nun seit zehn Jahren nicht mehr. Dadurch kriegt man ein falsches Image. Das war ein Hauptgrund für mich, mit Instagram anzufangen.

Um Ihr Image aufzubessern?
Um den Leuten zu zeigen, wie ich wirklich bin. Die Leute haben nur die Fernsehsendung gesehen und das, was die Presse schreibt. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber im Moment bin ich in Deutschland in 20 Zeitschriften, und in 19 davon steht völliger Bullshit. (Er schaut zu seiner Freundin Carina) So was wie: Ich hätte mich gerade von ihr getrennt oder sie sei schwanger. Das ist Blödsinn. Mit ­Instagram kann ich diesen Unwahrheiten entgegenwirken. Ohne Instagram wäre ich total aufgeschmissen. Viele Leute sagen jetzt: «Boah du bist ja ganz anders, wie du immer dargestellt wurdest.»

Auf Instagram präsentieren sich die Leute normalerweise wie sie gern wären. Sie zeigen den ­wahren Bohlen?
Ich erzähle, was ich so mach. Die wundern sich alle, wie lieb ich zu meinen Kindern bin. Die haben alle gedacht, ich sei ein Monster.

Rehabilitiert dank Instagram. Was ist tabu in den sozialen ­Medien?
Alles mit Familie. Ich würde nie meine Kinder oder meine Eltern zeigen.

Sie haben nach 16 Jahren ein Comeback auf der Bühne. Da liegt die Frage nahe: Dieter Bohlen singt?
Es ist kein Comeback, ich bin die ganzen 16 Jahre überall auf der Welt aufgetreten. Die Tournee ist auch ein Resultat von Instagram. Die Leute fragten: Warum trittst du nicht mal hier auf? Wir planten ­zuerst nur ein Open-Air-Konzert in Berlin. Nach 48 Stunden war das ausverkauft. Die Schwarzmarktpreise stiegen auf einmal auf 1600 Euro, deshalb plante ich für meine Follower ein paar Konzerte mehr. Plötzlich waren es acht Shows in den grössten Hallen.

Also singen Sie?
Klar! Es wird eine Mega-Party. Ich interpretiere meine 22 Nummer-1-Hits neu. Es gibt einen Schlagerteil, einen «DSDS»-Teil und natürlich die grössten Hits von ­Modern Talking und Blue System. Ich singe die Hits, die ich für Bea­trice Egli, Pietro Lombardi, Yvonne Catterfeld und Andrea Berg produziert habe, vielleicht verkleide ich mich auch als die, Bohlen im Minirock mit roter Perücke. Ich mache mit dem Publikum Übungen, um ihnen das Singen beizubringen. Früher gabs die Fischer-Chöre, jetzt will ich die Bohlen-Chöre. Ich fahre mit einem Motorrad auf die Bühne. Ich komponierte damals mit Modern Talking ein Lied für Schumacher. «Win the Race» hiess es, das war ein grosser Hit. Das wissen Sie nicht mehr, ist aber auch egal, das ist 100 Jahre her.

Kommen denn Pietro Lombardi oder Beatrice Egli auf die Bühne?
Wir sind noch voll in den Vorbereitungen. Das möchte ich jetzt nicht vorher ankündigen, und danach können die doch nicht. Richtig ist aber, dass meine Musik zeitlos ist und die Show für die ganze Familie. Ich glaube, es gibt keinen Menschen auf dem Planeten, der vor 35 Jahren mit «Cheri Cheri Lady» einen Nummer-1-Hit hatte, und jetzt ist das Lied neu interpretiert vom Rapper Capital Bra wieder auf Platz 1.

Sie könnten mit Capital Bra ­auftreten.
Viele meiner Fans würden das nicht gut finden.

Gab es viele schlechte ­Rückmeldungen nach der ­Zusammenarbeit mit ihm?
Meine Fans waren nicht so begeistert. Ich schon, die Zusammen­arbeit war mega.

Die Geschichte mit Capital Bra ist fast zu gut, um wahr zu sein. Erst feinden Sie ihn im «Bild»-­Interview an, dann die grosse Versöhnung, jetzt seine Version.
Ne, das war gar nicht so. Ich hatte ein Statement abgegeben über Rapper. Dass viele von denen übertreiben. So: Ich fahr mit dem Maybach und schmeiss mit dem Geld um mich rum. Das hörte er und ­regte sich auf. Ich habe ihn dann gleich angerufen und es ihm erklärt. Dann war alles super. So kam das zustande.

Das war doch inszeniert.
Ich schwöre bei meinem Leben, da war nichts inszeniert.

Haben Sie sich eigentlich schon mal bei einem «DSDS»-Kandidaten entschuldigt?
Nö. (Schaut zu seiner Freundin) Ja? Ich kann mich an nichts erinnern. Der Kandidat kommt rein, und ich weiss nichts über ihn. Wenn er scheisse singt, sag ich: «Du singst scheisse.» Manchmal mach ich ­einen Kandidaten fertig, und dann sagt mir der Sender plötzlich, seine Mutter liegt grad im Sterben. Hätte ich das gewusst, würde ich den ganz anders behandeln.

Sind Sie der beste Juror?
Ich glaube, dass sich keiner so um die Formate kümmert wie ich. Ich habe dieses Format die letzten 16 Jahre geprägt. Ich überlege den ganzen Tag, was man verbessern könnte. Ich stecke mit voller Leidenschaft drin. Die meisten Juroren kommen, setzen sich hin, nehmen das Geld und gehen wieder nach Hause.

Wenn Sie Modern Talking als Juror bewerten müssten, wie lautete Ihr ehrliches Urteil?
Ich glaube, ich hätte mich weitergelassen. Ich hätte gesehen, da ist einer, der hat Hammer-Power, Energie, Visionen, der kann Songs ­schreiben, der begeistert die Leute. Die beste Stimme nützt dir nichts, wenn die Performance langweilig ist. Aber wahrscheinlich hätte ich mich gegen die anderen Juroren durchsetzen müssen.

Ich las, Sie wollen mehr Zeit mit der Familie verbringen. Und jetzt gehen Sie auf Tournee. Wie und wann wollen Sie kürzertreten?
Ähhh. Ich gebe zu, meine Frau sagte kürzlich zu mir: So viel wie im Moment hast du noch nie gearbeitet. Aber danach, nach der Tournee. Im Moment rennt jede Firma hinter mir her und will, dass ich für sie auf Instagram Werbung mache. Dieses Instagram-Ding, das ist brutal.

Etwa für aufblasbare Gummi-Einhörner von Lidl. Machen Sie eigentlich alles?
Natürlich nicht. Aber es kostet viel Zeit abzulehnen. Ich mache nur grosse Sachen und was mir Spass macht. Ich habe immerhin mein ­angekündigtes Album abgesagt, weil ich es einfach nicht schaffe. Ich brauche auch noch Zeit für ­meine Familie. Meine Familie ist das Wichtigste!

Sie fliegen heute mit Ihrem ­Privatjet die Strecke Hamburg–Zürich–Stuttgart–München–Hamburg. Denken Sie nie an den Klimawandel oder an Greta?
Die schwedische Klimaaktivistin? Wären wir mit dem LKW nach ­Zürich gefahren, hätten wir auch ­ordentlich Feinstaub produziert. Wenn ich sehe, wie viele LKW ­tagtäglich rumfahren, dann ist der ­Pupsi-Mini-Jet von heute wahrscheinlich nichts dagegen. Anders als mit dem Jet wäre so ein Tag mit drei Städten nicht zu machen, ich kann das ja nicht mit dem Fahrrad fahren, da hätte ich vier Wochen gebraucht. Das heisst aber nicht, dass ich dauernd durch die Gegend jette. Zu Hause haben Carina und ich jetzt ­einen riesengrossen Bio­-Garten angelegt, der wird Hammer. Wir produzieren jetzt so viel wie möglich selber. Ich glaube, auf seine Weise kann so jeder was beitragen!

Dieter Bohlen kommt am 14. September mit seiner «Mega-Tournee» ins Hallenstadion Zürich.

Umstrittener Pop-Titan

Dieter Bohlen (65) – Mittelname Günter – ist Musiker und Produzent. In den 80er-Jahren wurde er mit der Band Modern Talking weltberühmt. Mit dem damaligen Bandkumpel Thomas Anders hat er sich zerstritten. Bohlen komponiert insbesondere Lieder für andere Musiker. Seit 2002 sitzt er in der Jury der TV-Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» und ist bekannt für seine bissigen Kommentare. Seit 2007 auch bei «Das Supertalent». Im September kommt er mit einer neuen Bühnenshow in die Schweiz. Bohlen hat sechs Kinder. Er lebt mit Freundin Carina (35) und den zwei gemeinsamen Kindern in Tötensen bei Hamburg.

Dieter Bohlen (65) – Mittelname Günter – ist Musiker und Produzent. In den 80er-Jahren wurde er mit der Band Modern Talking weltberühmt. Mit dem damaligen Bandkumpel Thomas Anders hat er sich zerstritten. Bohlen komponiert insbesondere Lieder für andere Musiker. Seit 2002 sitzt er in der Jury der TV-Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» und ist bekannt für seine bissigen Kommentare. Seit 2007 auch bei «Das Supertalent». Im September kommt er mit einer neuen Bühnenshow in die Schweiz. Bohlen hat sechs Kinder. Er lebt mit Freundin Carina (35) und den zwei gemeinsamen Kindern in Tötensen bei Hamburg.

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